110 Jahre vergeblich gesucht

Naturmuseum feiert den Fund einer seltenen Schmetterlingsart

Donnerstag, 20. Juli 2017 | 12:19 Uhr

Bozen – Nach 110 Jahren vergeblicher Suche wurde kürzlich am Sellajoch eine sehr seltene Schmetterlingsart wiederentdeckt.

Er wurde in den Dolomiten erstmals 1891 und zuletzt vor fast genau 110 Jahren und zwar am 18. Juli 1907 gesehen – die Rede ist von einem Schmetterling, und zwar vom Borealen Zünslerfalter (Agriphila biarmicus). Nur zwei Standorte sind als Fundorte in den gesamten Alpen dokumentiert und zwar die Armentarawiesen im Gadertal und das Sellajochgebiet. Seither suchten etliche Forscher lange und vergeblich nach dem Tier, es galt somit als verschollen. Nun wurde im Rahmen einer Studie des Naturmuseum Südtirol in Zusammenarbeit mit den Tiroler Landesmuseen erneut gezielt nach dieser Seltenheit gesucht und diesmal mit Erfolg: Auf einem kleinen Quellmoor nahe dem Sellajoch wurde nicht nur ein Exemplar, sondern gleich eine starke Population dieses Falters gesichtet. Die Schmetterlinge wurden am vergangenen 13. und 14. Juli in größerer Zahl im Sonnenschein fliegend beobachtet.

Mit lediglich 12 bis 17 Millimeter Flügelspannweite ist die Art relativ klein und eher unscheinbar. Über die Biologie ist nichts bekannt, vermutlich leben die Raupen an Gräsern. Auch der Lebensraum scheint regional unterschiedlich zu sein, in den Dolomiten leben diese Tiere in Niedermooren, in Nordeuropa in steinigen und moosreichen Biotopen.

Der Boreale Zünslerfalter ist im nördlichen Europa und Nordrussland sowie in Kanada verbreitet. Sein völlig isoliertes Vorkommen in den Alpen – Sellajoch und Armentarawiesen – wird als Relikt aus der Nacheiszeit gedeutet. Tiere mit einem derartigen sogenannten „arktoalpinen Verbreitungsgebiet“ – wie etwa auch das Schneehuhn und der Schneehase – gelten als besonders interessant, weil die Verbreitungsgebiete nach dem Ende der letzten Eiszeit getrennt wurden und kein genetischer Austausch mehr stattfinden konnte. So unterscheiden sich Belege des Borealen Zünslerfalters aus den Dolomiten tatsächlich stark von Exemplaren aus Skandinavien, sodass sie 1957 sogar als eigene Unterart „alpina“ beschrieben wurden.

„Im Rahmen eines vom Südtiroler Forschungsfonds finanzierten Projektes des Naturmuseums Südtirol zur genetischen Erhebung arktoalpiner Tiergruppen wird nun der Boreale Zünslerfalter erstmals auch genetisch untersucht. Dies wird weitere interessante Erkenntnis über das Tier liefern,“ freut sich Vito Zingerle, Direktor des Naturmuseums. Ziel des Forscherteams um Peter Huemer von den Tiroler Landesmuseen ist die eindeutige Artabgrenzung von Populationen, die über tausende Jahre voneinander getrennt sind. Die Wiederentdeckung schafft somit die Basis für eine Bewertung, ob es sich um dieselbe Art wie in Skandinavien handelt, oder sogar um eine neue Schmetterlingsart.

Informationen über den seltenen Schmetterling und zum Forschungsprojekt geben Peter Huemer (Tel. 0043 (512) 59489 721 oder 0043 (650) 4424528) und Vito Zingerle (Tel. 0471 412960).

Von: mk

Bezirk: Bozen, Salten/Schlern