Historikertagung in Brixen

Raum und Region in der historischen Forschung

Dienstag, 11. April 2017 | 12:17 Uhr

 

Brixen – Die Frage, welche Rolle räumliche Zugänge und regionale Grenzen in der historischen Forschung spielen, steht im Zentrum einer internationalen Historikertagung, die am 19. und 20. April an der Fakultät für Bildungswissenschaften in Brixen stattfindet. Organisiert wird die Tagung vom Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen gemeinsam mit den Universitäten Salzburg, Brünn und Ostrava.

Der Raum stellt nicht nur eine fundamentale Dimension der menschlichen Existenz, sondern auch eine grundlegende Kategorie historischer Überlegungen dar. Trotz ihrer wesentlichen Bedeutung blieben in den Geisteswissenschaften räumliche Perspektiven häufig im Schatten anderer Kategorien. In der Historiographie wurde der Raum lange Zeit als eine gegebene, kaum zu hinterfragende Kategorie angesehen, die keiner tiefergehenden Reflexion bedurfte. Daraus resultierten räumliche Definitionen, die Regionen bevorzugt als geographisch eindeutiges oder politisch-herrschaftlich definiertes Territorium interpretierten. Die traditionelle Landesgeschichte begriff das „Land“ primär als herrschaftliche, verwaltungs- und rechtshistorische Größe und konzentrierte sich lange in charakteristischer Verengung vornehmlich auf Themen der landeskundlichen historischen Mediävistik und der „Kulturraumforschung“.

In der neueren Regionalgeschichte spielen vergleichende Perspektiven eine bedeutende Rolle, insbesondere auch im Rahmen der Analyse von historischen Entwicklungen in unterschiedlichen europäischen Regionen. Vergleichende Zugänge wurden zum Beispiel im Zusammenhang mit wirtschaftshistorischen Betrachtungen, im Rahmen der Untersuchung des demographischen Wandels oder auch im Bereich der Nationalismusforschung erfolgreich angewandt. Besonders interessant erscheinen dabei Regionen, die sich strukturell von ihren jeweiligen (National-)Staaten stark unterscheiden, besonders mit Blick auf identitätsgeschichtliche Fragestellungen, die in der vergleichenden Regionalgeschichte schon länger Konjunktur haben. Das gilt etwa – um nur ein Beispiel zu nennen – für die Entwicklung von Grenzregionen nach dem Ersten Weltkrieg (z.B. Elsass-Lothringen, Südtirol, Masuren, Schleswig usw.). Regionalgeschichtliche Zugänge liefern vor allem aus einer vergleichenden Perspektive vielfältige Möglichkeiten für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der transnationalen bzw. interregionalen Geschichte, die im Kontext der Globalisierung vor allem nach 1989 neue Bedeutung erlangt hat. In diesem Zusammenhang nehmen etwa die nachhaltigen Folgen von Grenzverschiebungen und die dadurch verursachten Migrationsbewegungen im 20. Jahrhundert eine besondere Bedeutung ein.

In insgesamt 16 Referaten beschäftigen sich Historiker aus Italien, Österreich, Deutschland, Tschechien, Polen und Rumänien mit der Frage nach der Bedeutung von Raum und Region in der historischen Forschung. Die Tagung beginnt am Mittwoch, den 19. April um 18 Uhr mit drei grundlegenden Einführungsvorträgen. Der Südtiroler Historiker Hans Heiss referiert unter dem Titel „Regionen nach dem Boom“ über das neue Bewusstsein für Raum und Region in den letzten Jahrzehnten. Die Brünner Historikerin Denisa Necasova beschäftigt sich gleichsam als Fallbeispiel mit der Bedeutung regionalgeschichtlicher Ansätze in der tschechischen Zeitgeschichte und Martin Knoll, Professor für Europäische Regionalgeschichte an der Universität Salzburg stellt sich in seinem Referat die Frage: „Wie natürlich ist Region? Der regionale Fokus in Umwelt- und Regionalgeschichte“. Am Donnerstag, den 20. April, stehen ab 9 Uhr Referate zu verschiedensten Themenkreisen (Regionen unter der Lupe – Reflexionen und Identitäten, sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Zugänge zur Region, Religion und Wissenschaft sowie Kunst und Alltagskultur) im Mittelpunkt.

Von: luk

Bezirk: Eisacktal