Von: apa
Schreck, lass nicht nach: Nachdem die düstere “Macbeth”-Interpretation durch Krzysztof Warlikowski 2023 zu den Erfolgsproduktionen der Salzburger Festspiele gehörte, holte man die Verdi-Inszenierung heuer wieder zurück – in nahezu identer Besetzung, allen voran mit Festspieldiva Asmik Grigorian. Und auch mit zeitlichem Abstand bleibt dieser “Macbeth” ein düsteres Werk, gespickt mit Schreckensbildern, bar jeder nostalgischen Deutung des Stoffes.
Kleinere Buhs für die Regie
Dennoch gab es für Warlikowski am Ende einige Buhs unter den mehrheitlich begeisterten Zuschauern im Großen Festspielhaus. Kalt lässt dieser harte Shakespeare-Blick eben kaum jemanden. So sind unheimliche Kinder ein gängiger Topos im Horrorgenre, maskentragende Gestalten ebenso – insofern sind maskentragende Kinder wohl der schreckensmäßige Super-GAU. Und Warlikowski setzt zahlreiche davon ein, um die volle Breite der Bühne mit Tableaus des Grauens zu bestücken, die Psyche zweier Psychopathen im leeren Raum mit suggestiven Bildern zu veräußerlichen.
Der Regierungssitz des mörderischen Paares Macbeth gleicht etwa im Kern einer Bahnhofshalle, einem Wartesaal zur Vorhölle, der sich mittels hereingefahrener Requisiten stets wandelt. Zugleich erweitern parallel mitgefilmte Schwarz-Weiß-Aufnahmen das Geschehen in eine weitere Dimension. So erfährt Grigorians Lady Macbeth im Nebenraum beim Gynäkologen, dass sie keine Kinder bekommen kann, während ihr Gatte von den Hexen seine Weissagung erhält.
Kinderlosigkeit als mörderischer Ausgangspunkt
Die Kinderlosigkeit als psychologischer Ausgangspunkt für das nihilistische Wüten gegen die Menschheit, das folgen soll – was auf den ersten Blick analytisch etwas eindimensional erscheinen mag, erweist sich auf den zweiten als symptomatisch für diese Inszenierung. Denn letztlich bleiben all die Symbolismen, die Parabelbilder nah am Text des Librettos, wird die Kinderlosigkeit des Paares vom Gegenspieler Macduff doch im Verlauf etwa explizit angesprochen.
Der am Ende erwartungsgemäß frenetisch gefeierte Salzburg-Liebling Asmik Grigorian hat seit dem damaligen Rollendebüt in der Partie der Lady Macbeth nochmals an Tiefe gewonnen. Streckenweise arbeitet die litauische Sopranistin in den Videozuspielungen lediglich mit ihrem Gesicht, aber auch stimmlich wird jede Sequenz ihrer Partie subkutan von einem Hauch Wahnsinn begleitet.
Gewalt zahlt sich aus
Ihr Gespiele als mordender Tyrann ist erneut Vladislav Sulimsky, wobei der Belarusse seinen Macbeth weniger als zweifelnden Grübler, denn als brutalen Gewaltmenschen anlegt, der lange skrupellos mordet. Und auch der grimmige Banco von Tareq Nazmi ist wieder mit von der Partie. Bei dieser sängerischen Wucht dreht Philippe Jordan als Dirigent ordentlich auf. Er setzt auf Kraft in der Partitur, weniger auf Italianità für diese in jeder Hinsicht üppige Erfolgsproduktion, die erneut zu den Salzburger Festspielhöhepunkten zählt. Da soll noch einmal jemand sagen, Gewalt zahlt sich nicht aus!
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E – “Macbeth” von Giuseppe Verdi. Regie: Krzysztof Warlikowski, Dirigent der Wiener Philharmoniker: Philippe Jordan. Mit Vladislav Sulimsky – Macbeth, Tareq Nazmi – Banco, Asmik Grigorian – Lady Macbeth, Natalia Gavrilan – Kammerfrau der Lady Macbeth, Charles Castronovo – Macduff, Davide Tuscano – Malcolm, Ilia Kazakov – Arzt, Trevor Haumschilt-Rocha – Diener Macbeths, Jonas Jud – Mörder, Brett Pruunsild – Erste Erscheinung, u.a. Weitere Vorstellungen am 14., 17., 20., 26. und 29. August. www.salzburgerfestspiele.at)
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