Von: luk
Bozen – Das Südtirol Jazzfestival zog 2023 so viel Publikum an wie noch nie in seiner 41-jährigen Geschichte. „Die Konzerte waren, trotz des wechselhaften Wetters, noch besser ausgelastet als im Vorjahr, die Präsenz der internationalen Besucherinnen und Besucher war deutlich höher und es ist uns gelungen, viele junge Menschen anzusprechen“, resümiert Max von Pretz, der zusammen mit Stefan Festini Cucco und Roberto Tubaro die künstlerische Leitung des Festivals im Herbst 2022 übernommen hat. „Jeder von uns hat sein eigenes Netzwerk aktiviert und wir haben ein Programm zusammengestellt, das auch Menschen, die sonst keinen Jazz hören, Anknüpfungspunkte bietet“, ergänzt Roberto Tubaro.
Ein Beispiel dafür ist das Eröffnungskonzert, das die Türen zum Festival weit aufgestoßen hat. Am Anfang schlug der spanische Flötist Juan Saiz einen Bogen vom Impressionismus des frühen 20. Jahrhunderts bis zum Gegenwartsjazz, danach gestaltete die junge Pianistin und Sängerin Kid Be Kid aus der Berliner Clubszene mit der französischen Gesangsakrobatin Leïla Martial ein improvisiertes Intermezzo und das Trio Sinularia stellte mit seiner „innovativen Beatmusik des dritten Jahrtausends“ die Verbindung zur anschließenden Techno-Nacht in der Bozner Messe her. Vielfältiger geht es kaum.
In der europäischen Musiklandschaft wird das Südtirol Jazzfestival auch deshalb als sehr mutiges, innovatives Festival und als Trendsetter gefeiert: In diesem Sommer reisten Bands und Solisten an, die Pop, Rock, Punk, Hip-Hop, die „klassische“ Moderne oder zeitgenössische Kompositionsstile in ihre Musik integrieren. Präsentiert wurde dieser Sound in einem Bunker und in einer Brennerei, in Hotelparks und auf Almhütten, in einer Bibliothek, am Ufer eines Sees oder vor einem Bergwerk in alpiner Landschaft. Das „extrem genreoffene“ Programm „mit viel Rock und vielen Grenzüberschreitungen“ lade zu Entdeckungen ein und vertrete überzeugend den Anspruch, „die Musik der Zeit oder das, was im Jazz gerade passiert, abzubilden“, stellt der Musikjournalist Jan Paersch in seinem Festivalbericht für den „Deutschlandfunk“ fest. „Musik als künstlerisches Wagnis, das gehört nach wie vor zum Markenkern des Südtiroler Festivals“, das auch in diesem Jahr auf „sprühende Originalität“ und „absolute Exzellenz“ setze, kommentiert die deutsche „Jazzzeitung“. Und: „Will man neue Trends und neue Namen kennenlernen, dann ist man hier richtig“.
Die drei künstlerischen Leiter haben das Konzept des Festivals mit einer Ausweitung des Angebots und mit experimentellen Formaten weiterentwickelt, die sich bewährt haben. Im Batzen Sudwerk endete die Jazz-Performance „Kabarila“ nach fünf Stunden Spielzeit mit einem ekstatischen Finale und die akustische Führung durch die Gewölbe und Kasematten der Franzensfeste wollten mehr Menschen erleben, als die Festivalmacher zuvor erwartet hatten. Mit gemäßigten Eintrittspreisen und vielen Gratiskonzerten öffnet das Südtirol Jazzfestival die Türen zur zeitgenössischen improvisierten Musik – und konfrontiert sein Publikum gleichzeitig mit exzentrischen und extravaganten Klängen. „Es ist sehr schön, dass die Leute neugierig sind und sich mit dieser Musik auseinandersetzen“, freut sich Präsident Stefan Festini Cucco. Das Publikum sei offenbar „mit dem Festival gewachsen und mittlerweile sehr offen für Neues“, es suche auch nach unorthodoxen Projekten, „die eben anders klingen als das, was man sonst so hört“. Das diesjährige Südtirol Jazzfestival Alto Adige hat unter neuer Leitung mit zahlreichen Konzerten an verschiedenen Orten in ganz Südtirol, exzellenten lokalen und internationalen Musikerinnen und Musikern zehn Tage lang viele Menschen für den Jazz begeistern können.