Von: luk
Bozen – Das Südtirol Jazzfestival 2021 geht aufs Wasser. „Flüssiger Code der kulturellen Vielfarbigkeit“, „Schlagader des Kontinents“, „Geschichtsfluss“, „Zeitfluss“, „Kulturfluss“ oder „Liebesfluss“ – so nannte der ungarische Schriftsteller Peter Esterházy die Donau. Vom 25. Juni bis zum 4. Juli folgt das Südtirol Jazzfestival 2021 dem Verlauf dieses großen europäischen Flusses und erkundet mit seinem programmatischen Herzstück eine junge und weltoffene Jazzszene, die sich nicht auf modischen Strömungen treiben lässt, sondern selbstbewusst, innovativ und neugierig stromaufwärts schwimmt.
An 27 Spielorten in ganz Südtirol bietet das Festival in diesem Sommer 50 Konzerte an. In den Städten Bozen, Bruneck (Rathausplatz) und Brixen (Maria Hueber Platz) konzentriert sich das musikalische Geschehen erstmals auf einen zentralen Standort – und der Kapuzinerpark in der Bozner Stadtmitte wird zum „Kapucirkus“ und avanciert mit 15 Konzerten zur wichtigsten Jazzlocation im Land.
Der zirka 3.000 Kilometer lange Trip in den Südosten Europas beginnt in Deutschland, wo die Donau bei Donaueschingen im Schwarzwald seine Quelle hat. Das Festival stellt in diesem Jahr drei interessante Bands der deutschen Szene vor: Im Kapuzinerpark verbindet das Quartett A Word Is A Swallow die „klassische“ Moderne des frühen 20. Jahrhunderts mit freier Jazz-Improvisation. Im Stanglerhof in Völs am Schlern trainieren der „Querdenker-Ästhet“ Max Andrzejewski („Süddeutsche Zeitung“) und der „formsprengende” Johannes Schleiermacher (ZEIT) musikalische Freiheit und Ekstase und vor der Feltuner Hütte auf dem Ritten und im Parkhotel Laurin wagt das Quintett Fazer den Spagat zwischen westafrikanischer Polyrhythmik, lateinamerikanischer Tradition und der klassischen indischen Musik.
Auf Deutschland folgt – mit vier musikalischen „Ausrufezeichen“ – Österreich: Im Kapuzinerpark und am Speikboden produziert die „postosmanische“ Swingband aus Wien Fatima Spar & The Freedom Fries eine explosive Mixtur aus Gegenwartsjazz und Swing mit orientalischen Rhythmen, Balkan-Folklore und türkischem Tango. Ebenfalls im Kapuzinerpark spielt das Sketchbook Quartet postmodernen Kammerjazz. Im Bozner Stadtzentrum und im Getränkeladen Harpf in Bruneck, sowie in der 3fiori café & craft beer bar in Brixen reichert die Band Orges & The Ockus-Rockus Band den traditionellen Balkan-Beat mit Rock ‘n’ Roll und Gypsy-Swing an und im Museum der Bergfotografie „Lumen“ in Reischach errichten der Zither-Spieler Christof Dienz und der Trompeter Lorenz Raab mit ihrem improvisierten Spiel meditative Klangräume.
Die beiden Flüsse Drau und Save verbinden Slowenien mit der Donau. Mit zwei Projekten eröffnet der slowenische Cellist und Drummer Kristijan Krajncan am 25. Juni das Festival. Mit dem Percussion-Ensemble SToP schlägt der „DrummingCellist“ an diesem Abend Brücken zwischen Klassik, Folk und Filmmusik und lässt dabei eine urwüchsige Klanglandschaft entstehen. Danach kombiniert er in seinem Experiment Chorus mit sechs Performerinnen und Performern Jazz und zeitgenössischen Tanz.
Ein Schwerpunkt der Donaufahrt liegt in Ungarn. Im Kloster Neustift und auf der Panoramaterasse des vigilius mountain resorts in Lana mischt der Cimbalon-Virtuose Miklós Lukács mit seinem Cimbiosis Trio Einflüsse von Bach und Bartók mit Jazz, Folk und Rock. Im Kapuzinerpark und im Meraner Ost-West-Country-Club verwebt der Pianist Zsolt Kaltenecker Rock, Hip-Hop und Jazz zu dichten Klangteppichen, die von der Rhythmusarbeit des Perkussionisten Markó Ádáms getragen werden. Auf dem Maria-Hueber-Platz in Brixen, dem Rathausplatz in Bruneck und auf dem Thermenplatz in Meran verbindet das Trio Santa Diver Jazz mit World-Music, Balkan-Folk und Rock-Riffs. Auf dem Rathausplatz in Bruneck und im Kapuzinerpark rührt das Deus Ex Quartet einen Cocktail aus ungarischer Volksmusik, brasilianischen Bossanova und britischen Rock an und vor der Berstation der Seilbahn Jenesien und auf dem Würzjoch spielen die András Dés Rangers einen Kammerjazz, der auch Holz und Steine zur Klangerzeugung nutzt.
Die Tour nach Südosteuropa endet in Rumänien, wo die Donau in das Schwarze Meer mündet. Im Kapuzinerpark setzt der Gitarrist und Bratschist George Dumitriu dieThemen, die Thelonious Monk in den 1950er Jahren entwickelte und die mit ihren rhythmischen Verschiebungen und unregelmäßigen Strukturen zu den originellsten gehören, die es im Jazz gibt, improvisierend fort. Auf dem Maria-Hueber-Platz in Brixen verknüpft er mit der türkischen Sängerin Sanem Kalfa Orient und Okzident und im Kapuzinerpark erkundet dieses durch den belgischen Klarinettisten Joachim Badenhorst erweiterte Duo traditionelle Musik aus dem geografischen Umfeld des Schwarzen Meeres.
Natürlich präsentiert das Südtirol Jazzfestival an den zehn Veranstaltungstagen auch Musik aus anderen Weltgegenden. Auf dem Programmzettel stehen das vom finnischen Schlagwerker Olavi Louhivuori geleitete Quartett Superposition, der Bassist Mihkel Mälgand und die Sängerin Kadri Voorand aus Estland, die französische Band Abacaxi, die mit Musikerinnen und Musikern aus Großbritannien, Holland, Portugal, Dänemark, und Spanien besetzte Guy Salamon Group sowie das experimentelle Hip-Hop-Duo Kill the Vultures aus Minneapolis (USA) und das Sextett Ghost Horse aus der italienischen Underground-Szene, die im Kapuzinerpark zum ersten Mal gemeinsam auftreten.
In Bozen stellt das Festival – in einer italienischen Sektion – sechs Bands der „Nuova Generazione Jazz“ vor: Das von Francesco Fiorenzani geleitete Quartett Silent Water lässt sich von der New Yorker Szene aus den 1990er Jahren inspirieren, das Francesco Orio Trio fügt Klangstrukturen, die sich auf kurze Fragmente wie eine Intervallfolge, eine melodische Linie oder eine rhythmische Idee stützen, zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen und das Trio Claroscuro stellt Klangfarben und das kollektive Zusammenspiel in den Mittelpunkt seiner Musik. In der Michelangelo Scandroglio Group spielen vielversprechende Nachwuchskräfte des italienischen Jazz und das Duo Vocione greift tief in die Archive des Jazz und der europäischen Kunstmusik und mixt die Fundstücke zu ganz neuen Sounds. Das Quartett Young Shouts erkundet letztlich die Wurzeln der afroamerikanischen Musik in den USA.
Stichwort COVID-19: Im Sommer und Herbst 2020 ist es dem Festival-Team trotz aller Schwierigkeiten gelungen, mehrere Jazzkonzerte zu organisieren. Die Regisseure Matthias Keitsch und Sebastian Longariva dokumentieren diese Zeit in einem Film, der im Rahmen des Festivals im Filmclub in Bozen zum ersten Mal gezeigt wird. Nach der Uraufführung wird das Kino zum Konzertsaal. Die Euregio Improvisers treten live in derselben Formation auf, die zuvor auf der Leinwand zu hören und zu sehen war. Im Bozner Semirurali-Park präsentiert das ebenfalls vorwiegend von Musikerinnen und Musikern aus der Europaregion Tirol gebildete Euregio Collective das Stück „Floating – Reflections on Water“ von Damian Dalla Torre, Felix Römer und Richard Köster. Wie gesagt: Das Südtirol Jazzfestival geht aufs Wasser – sowohl an der „Schlagader des Kontinents‘‘ wie auch im „Kulturfluss“ im eigenen Land.
Info:
Reservierung verpflichtend für alle Konzerte
info@suedtiroljazzfestival.com ode r+39 0471 982324
Viele Veranstaltungen sind kostenlos, Ticketpreis für die kostenpflichtigen Konzerte: 15,00 Euro / 10,00 Euro reduziert. Für Musikschüler*innen und Student*innen 5,00 Euro.
Es werden diverse Abo-Pakete angeboten.
Alle Infos unter www.suedtiroljazzfestival.com
Der Ticketverkauf startet in Kürze.