SHB beteiligte sich an Bekämpfung des Coronavirus

Tätigkeitsbericht des Südtiroler Heimatbundes 2020

Donnerstag, 31. Dezember 2020 | 15:26 Uhr

Der Südtiroler Heimatbund legt in einer Presseaussendung seinen Tätigkeitsbericht des Jahres 2020 vor.

Die vollständige Presseaussendung:

Auch in diesem Jahr blieb der Südtiroler Heimatbund seinen Idealen treu: Einsatz für das Selbstbestimmungsrecht, der Tiroler Identität und den Menschenrechten. Der 100. Jahrestag der Annektion des südlichen Tirols wurde in Trauer begangen und die Mitarbeit an einigen Büchern über die Landesgeschichte konnte mit dem Druck der Werke erfolgreich abgeschlossen werden. Erinnert wurde auch an den 30. Todestag von Außenminister Kreisky sowie an den Widerstandskämpfer Hans Egarter.

Dieses Jahr haben uns zwei Südtiroler Freiheitskämpfer für immer verlassen. Im Februar begleiteten wir Ernst Vilgrattner zur letzten Ruhe. Im Jahre 1960, als es um die Bewahrung der Heimat Südtirol ging, gehörte Villgrattner dem engeren Kreis um Sepp Kerschbaumer an, der den „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) ins Leben gerufen hatte.

Im Ersten Mailänder Sprengstoffprozess vor dem Schwurgericht konnte die Anklage ihm allerdings kaum etwas Konkretes nachweisen, außer dass er persönlichen Kontakt zu Sepp Kerschbaumer gehabt hatte. Trotzdem wurde er am 17. Juli 1964 wegen „politischer Verschwörung“ nach Artikel 305 des „Codice Rocco“ zu einem Jahr und 4 Monaten Gefängnis verurteilt.
Die von Staatsanwalt Mario Martin behaupteten und mit lebenslanger Strafe bedrohten „Taten“ (politischen Verschwörung … Taten begangen zu haben, dahin zielend, einen Teil des Staatsgebietes  und zwar den der Provinz Bozen unter die Souveränität des österreichischen Staates zu bringen.“ ) hatte man ihm nicht nachweisen können, so blieb nur die „politische Verschwörung“ übrig. Er konnte nach dem Prozess nach Hause zurückkehren, da die Strafe durch die Untersuchungshaft verbüßt war.

Im Juni verstarb Hans Stampfl, Freiheitskämpfer, Gründungsmitglied und langjähriger Funktionär des SHB. Er war verheiratet mit Theresia Amplatz, der Schwester des Freiheitskämpfers Luis Amplatz. Nach der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961 wurden er und seine Frau verhaftet. Sie musste bald wieder entlassen werden, während er seit dem 15. Juli 1961 in Haft blieb.

Im Ersten Mailänder Südtirol-Prozess wurde Hans Stampfl zusammen mit den anderen Angeklagten mit schweren Ketten gefesselt dem Schwurgericht vorgeführt. Vor dem Gericht sagte Hans Stampfl am 7. Februar 1964 aus, dass er beim Verhör verprügelt und gefoltert worden sei. Sein Ersuchen, das Protokoll in die deutsche Sprache zu übersetzen, sei abgelehnt worden.

Theresia Stampfl hat am 9. August 1961 dem SVP-Bezirksobmann Josef Rössler und dem Bezirkssekretär Luzian Klun einen Bericht erstattet, welcher protokolliert wurde und in dem es hieß: „Von meiner Schwester, die mit dem Häftling Prantner Donat, wohnhaft in Walten i. Pass. (bei Klotz Jörg), verheiratet ist, erfuhr ich, dass mein Mann und Prantner in einer gemeinsamen Zelle untergebracht sind, und dass mein Mann schwerstens misshandelt worden war und stark geschwollene Beine hat.“

Hans Stampfl erhielt eine Strafe von 2 Jahren, welche durch die Untersuchungshaft bereits mehr als verbüßt war. In der Berufung sollte die Strafe dann sogar noch auf 8 Monate Haft herabgesetzt werden.

Nach seiner Entlassung hat er dann mit anderen politischen Häftlingen die Sepp- Kerschbaumer-Gedenkfeier in St. Pauls ins Leben gerufen, die heute neben der Andreas-Hofer-Feier in Meran zu den größten Tiroler Gedenkfeiern in Südtirol zählt..

Abschied nehmen hieß es auch von den beiden „Pfunderer Buam“ Isidor Unterkircher und Alois Ebner. Beide waren Opfer einer politisierten Justiz. Sie wurden im sogenannten „Pfunderer Prozess“ des Mordes am Finanzbeamten Falqui für schuldig befunden.

Der Staatsanwalt behauptete, die Angeklagten hätten den Finanziere Falqui geradezu „gelyncht“ und der Vertreter der Privatanklage nannte die Angeklagten „Hyänen“, „Bestien“, „hündische Meute“, „halbe Kannibalen, Wegelagerer und Mörder.“. („L’Adige“, Trient, vom 13. Juli 1957)

Alle Angeklagten wurden zu hohen Strafen verurteilt. Alois Ebner zunächst zu 24 Jahren Kerker und in zweiter Instanz zu lebenslanger Haft. Der italienische Justizminister Guido Gonella nannte das Urteil „würdig der vornehmsten Traditionen der italienischen Justiz“.

Am 1. April 1958 veröffentlichten die „Dolomiten“ eine Entschließung der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP), in welcher es hieß: „es wurde Rache geübt, die zur Beschaffenheit der Tat und den offenbaren Absichten der Täter in keinem Verhältnis steht und an die dunkelsten Zeiten unmenschlicher Strafjustiz erinnert.“

Im Februar verstarb der Obmann a. D. des Andreas Hofer Bundes (AHB) für Tirol, Winfried Matuella. Der AHB Tirol setzt sich auf Nordtiroler Seite für das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler ein. Die gute Zusammenarbeit der beiden Bünde war für Matuella immer ein Herzensanliegen. In ehrendem Gedenken wird der SHB auch die mutige Regina Obleiter aus Absam halten, die ihr karges Essen in den sechziger Jahren mit den Freiheitskämpfern teilte, ebenso Dekan Johannes Noisternigg, der ein aufrechter Kirchenmann und Tiroler Patriot war.

In einer Aussendung erinnerte der SHB auch an den dreißigsten Todestag des verdienten österreichischen Außenministers Bruno Kreisky. Mit einem Kranz geehrt wurde der Widerstandskämpfer gegen Nazismus und Faschismus Hans Egarter an seinem Jahrtag im Friedhof Brixen.

2020 war das Jahr des Gedenkens an die menschenrechtswidrige Annektion des südlichen Tirols durch das Königreich Italien vor 100 Jahren. Das Tiroler Gebiet südlich des Brenners wurde mit der Unterschrift des Königs Vittorio Emanuele III. ohne das Volk zu befragen ein Teil von Italien. In einer großen Plakataktion in allen Teilen Tirols und in Wien wurde auf dieses historische Unrecht hingewiesen, auch in großen Zeitungsinseraten.

„100 Jahre Unrecht machen keinen Tag Recht!“  Kein anderer Spruch gibt treffender wieder, was mit Tirol im Jahre 1920 geschehen ist. Das Land wurde zerrissen und der südliche Teil ohne Volksabstimmung und gegen den Willen der Südtiroler an das Königreich Italien angeschlossen. „An dieses Unrecht zu erinnern, das heute, 100 Jahre danach, immer noch anhält, das sind wir unseren Vorfahren und unseren Nachkommen schuldig“, so Roland Lang, Obmann des Südtiroler Heimatbundes, in einer Aussendung.

Einen sehr großen Anklang fand das „Tiroler Heimat Puzzle“, das in Anspielung an das Zitat von Silvius Magnago im Gedenkjahr 1984 „Jeder soll an seinem Platz ein Stück Tirol bauen“ hergestellt wurde. Es zeigt Tirol von Kufstein bis Ala und kann aus Einzelteilen wiedervereinigt werden. Dem Puzzle liegt außerdem ein Begleitheft mit einem Abriss der Geschichte Tirols (verfasst von der Historikerin Dr. Margareth Lun) und einer kurzen Lebensbeschreibung der auf dem Puzzle abgebildeten Persönlichkeiten (verfasst von Dr. Helmut Golowitsch, Autor zahlreicher zeitgeschichtlicher Publikationen) bei.

100 Jahre nach der Zerreißung, am 10. Oktober 2020, gingen mehr als 600 Anfragen für das Puzzle ein.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Vereinen und den Schützen der Gemeinde Karneid konnte auch dieses Jahr eine würdige Gedenkfeier für die Gefangenen des faschistischen Konzentrationslagers „Campo Isarco“ durchgeführt werden. Erino  Stedile, Obmann des Kulturvereines „Wir Tiroler/ Noi Tirolesi“ und  Werner Schmid, ehem. Bezirksobmann des Kaufleuteverbandes, erinnerten in Ansprachen an die Internierten.

Als Beitrag zur Landesgeschichte unterstützte der SHB besonders den Druck des Buches „Die Deutschen brauchen keine Schulen“, das den Leser auf eine Reise durch 100 Jahre Südtiroler Schulgeschichte mitnimmt. Auch das Werk von Dr. Helmut Golowitsch „Repression, Band 1“ sei erwähnt, welches die Zeit ab Mai 1945 in Südtirol und die weitere Unterdrückung der Südtiroler anschaulich anhand von zahlreichen Dokumenten veranschaulicht. Auch die Neuerscheinung „Lautlose Opfer“ des bekannten Autors Günther Rauch, das die Tragödie der Eppaner Familie Valentinotti dokumentiert, sollte gelesen werden.

Mit Ausbruch der Corona Pandemie wollte auch der SHB einen Beitrag zur Bekämpfung des Virus leisten. So wurden 500 Schutzvisiere angekauft und kostenlos in Nord- und Südtirol an Altersheime, Ärzte und Krankenhäuser verteilt.

Zu Ehren von Sepp Kerschbaumer und seinen Mittstreitern wurde in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Schützenbund eine Plakataktion in ganz Südtirol durchgeführt. Das Plakat zeigt Kerschbaumer und erinnert auch an seine Mitstreiter mit der Aussage „Unvergessen“! Einige Schützenkompanien in Welschtirol schlossen sich dieser Ehrung an und klebten die Plakate mit demselben Text in italienischer Sprache. Eine noble Geste der italienischsprachigen Tiroler.

Auch die Gedenkfeier für Sepp Kerschbaumer und seine Mitstreiter fiel zum Teil der Pandemie zum Opfer. Sie konnte nur mit 60 Personen abgehalten werden. Trotz vieler behördlichen Auflagen wurde sie aber würdevoll abgehalten. Etwa 300 Schützen und Interessierte wohnten der Gedenkfeier als Zuschauer bei. Heimatbundobmann Lang erinnerte an den 55. Todestag des Nordtiroler Freiheitskämpfers Kurt Welser. Gedenkredner und SSB Landeskommandant- Stellvertreter Renato des Dorides und Landeskommandant Jürgen Wirth Anderlan forderten in ihren Ansprachen die Politiker auf, sich für die Heimkehr der Freiheitskämpfer im Exil einzusetzen.

„Geschätzte Landesvertreter! Zeigt uns, dass ihr kein Rückgrad aus Gummi habt und holt Heinrich Oberleiter, Josef Forer und Siegfried Steger endlich Heim. Viel Zeit habt ihr nicht mehr!“, mahnte der Landeskommandant Wirth Anderlan in seinen abschließenden Dankesworten.

Dies ist nur ein Auszug aus der Tätigkeit des SHB im Jahre 2020. Ein Dank gebührt allen, die auch dieses Jahr den Südtiroler Heimatbund aktiv in Wort und Tat unterstützt haben, wobei ich besonders Dr. Margareth Lun, den Buchautor Günther Rauch und den Südtiroler Schützenbund nennen möchte. Dazu gehören aber auch meine Stellvertreter Meinrad Berger und Luis Pixner sowie die Mitglieder des Bundesausschusses, aber auch viele andere, die mit Argumenten, Hinweisen und nicht zuletzt Spenden unseren Einsatz für die Heimat erst möglich gemacht haben. Vergeltsgott!

Roland Lang

Obmann des Südtiroler Heimatbundes

Von: lup