Von: mk
Bozen – Der Tanz als Bindeglied zwischen Sprachen und Kulturen. Der Tanz als Verbindung zur eigenen Vergangenheit und Tradition. Tanz Bozen avancierte, dank hochwertiger Aufführungen und internationaler Stars der Tanz- und Choreografieszene zu einem Kulturereignis mit internationalem Renommee und blieb dabei seinem ursprünglichen Bestreben, sich auch sozialpolitischen und gesellschaftsrelevanten Themen zu widmen, treu.
In seiner 33. Ausgabe zeigt das Festival unter dem Motto „Link“ den Tanz als Ausdrucksmittel und als Kunstform mit „revolutionärer“ identitätsbildender und -stiftender Dimension. „Mit dieser Ausgabe”, erklärt Emanuele Masi, künstlerischer Leiter des Festivals, „beenden wir eine Dreijahresplanung, deren leitmotivischer Schwerpunkt auf der kulturellen Auseinandersetzung mit Identität lag. 2015 beschäftigten wir uns mit der Genderthematik, im vergangenen Jahr griffen wir das Thema Migration auf und im diesjährigen, dritten und letzten Abschnitt erörtern wir die verschiedenen Verbindungen zwischen Tanz, Beziehungen und Konstruktion von Identität im hyperkulturellen Raum. Die Aufführungen erzählen von verwandtschaftlichen, kulturellen und territorialen Verknüpfungen sowie von sozialen Interaktionen verschiedener Personen und Gruppen. In diesem Sinne greift das diesjährige Motto das Makrothema „Identität“ noch einmal auf, fasst die vergangenen Schwerpunkte zusammen und ergänzt sie.
Auf dem Programm der 33. Festivalausgabe stehen vom 13. bis 29. Juli 18 Veranstaltungen. Das Stadttheater, das Museion, die Parkanlagen der Stadt Bozen und die Schaufenster in der Altstadt werden zu Schauplätzen für über 28 Performances und Tanzaufführungen (acht davon italienische Erstaufführungen und eine Uraufführung). Internationale Größen der zeitgenössischen Gegenwartschoreografie setzen sich mit dem Thema Identität in all seinen Facetten auseinander: von folkloristischen Volkstänzen (Sciarroni) und populärer Jazzmusik als Ausdruck kultureller Identität (De Keersmaeker-Sanchis) über familiäre Bindungen (El Meddeb, Çaçi), die Sieben Todsünden nach christlicher Lehre (Dubois) und den Hip-Hop als kulturelle Gegenbewegung sowie Konstruktion von Identität (Käfig und Hungry Sharks) bis hin zum jamaikanischem Dub gepaart mit klassischem Spitzentanz (Bengolea-Chaignaud), dem Verfechten von Frauenrechten (Mascarell) und der territorialen Enteignung als Folge des Klimawandels (Ouramdane).
Für das italienische Tanzpanorama stellt der US-amerikanische Choreograf Richard Siegal noch eine absolute Neuheit dar. Das dreiteilige Abendprogramm seiner neu gegründeten Kompanie Ballet of Difference wird daher mit Spannung erwartet. Eva-Elisabeth Fischer von der Süddeutschen Zeitung schreibt über Siegal “er ist weltweit begehrt als innovativster, als aufregendster Tanzschöpfer seiner Generation“. Siegal, der über sieben Jahre im Ballett Frankfurt unter der Leitung William Forsythes tanzte, heimste für seine innovativen Tanzprojekte zahlreiche Preise ein, darunter den Bessie Award und den begehrten Theaterpreis DER FAUST. Sein jüngster Geniestreich, die Gründung des Ballet of Difference: Der Name des elfköpfigen Ensembles ist Programm und betont den Wert von Vielfalt für unsere Gesellschaft, eine Vielfalt, die sich auch im interdisziplinären Arbeitsstil des Choreografen widerspiegelt. Seine neues Tanz-Triptychon My Generation schlägt Brücken von Pop- und Fashion-Avantgarde zu elektronischer Musik und akademischem Ballett. (Stadttheater Bozen, 17. Juli, 21.00 Uhr ).
Am 13. Juli eröffnet Tanz Bozen das Festival mit einem site-specific Projekt im Museion. Neben Videoprojektion des Künstlers Karim Zeriahen auf der Glasfassade des Museion wird an drei Donnerstagabenden (13., 20. und 27. Juli, um 22.00 Uhr) ein Remake des Kultstücks FOLK-S des italienischen Choreografen Alessandro Sciarroni gezeigt. Gemeinsam mit fünf Performern und einem Videokünstler begab sich Alessandro Sciarroni 2012 ins Pustertal, um dort das Schuhplattlern zu lernen. Das konzeptuelle Stück in der Bozner Fassung FOLK-S_I’ll be your mirror version greift choreografische Strukturen des Volkstanzes auf und entstand aus der Überlegung heraus, dass traditionelle Tänze und Bewegungsmuster die Zeit überdauern. Anlässlich der Aufführung werden vorab zwei Schuhplattler-Workshops angeboten, um die Schritte zur Performance einzustudieren.
Zu den jungen, aufstrebenden Talenten in der Choreografieszzene zählen der Italo-Albaner Glen Çaçi und die aus Ferrara stammende Francesca Pennini. Beide erzählen in ihren heiteren bis ernsten Stücken aus ihrer Kindheit: Glen Çaçi, der mit zwei Projekten vertreten ist, wirft im Duett KK (I’m a kommunist kid) brandaktuelle Fragen auf: Wie dehnbar ist der Begriff der Identität? (Studio Theater, 19. Juli, 21.00 Uhr). In Tutorial, einer Weiterentwicklung von KK, lädt der albanische Choreograf das Publikum zum Bewegungskaraoke ein. (Semirurali-Park, 14. Juli, 21.00 Uhr) Francesca Pennini, eine der bedeutendsten italienischen Choreografinnen der jüngeren Generation, drückt in zehn Miniballetts ihre Leidenschaft für den Tanz aus, eine allegorische Liebeserklärung mit virtuosen grand jétes, fliegenden Drohnen, Gewitterstürmen und Windturbinen. (Studio Theater, 18. Juli, 21.00 Uhr).
Rachid Ouramdane kehrt mit Sfumato (2012) auf die große Bühne des Bozner Stadttheaters zurück. Gewohnt poetisch und mit suggestiven, choreografischen Bildern beschäftigt sich der französische Choreograf mit brandaktuellen Themen wie Umweltveränderungen, Überschwemmungen und klimabedingter Migration. In betörend schönen Bildern erzählt Ouramdane mit sieben Tänzern des CCN2 de Grenoble (die u.a. minutenlang unter sintflutartigen Regenfällen tanzen) von apokalyptischen Folgen des Klimawandels. (Stadttheater Bozen, 20. Juli, 21.00 Uhr).
Das extrovertierte Künstlerpaar Cecilia Bengolea und François Chaignaud versetzt Publikum und Kritik gleichermaßen mit jedem neuen Projekt ins Staunen. Sie ist studierte Anthropologin, er Drag Queen, gemeinsam verwirklichen sie einzigartige Projekte, in denen sich urbaner Tanz, klassisches Ballett, gregorianischer Gesang und Grime begegnen. In Dub Love, einer italienischen Erstaufführung, trifft ein Tänzertrio auf Livemusik und jamaikanischer Reggae auf Spitzentanz. Nach der Aufführung findet auf dem Verdiplatz eine Silent Disco zu Dubmusik mit Dj MatDTSound statt. (Studio Theater 21. Juli, 21.00 Uhr).
Das Ballet de Lorraine, eines der experimentierfreudigsten und renommiertesten Ensembles Frankreichs, ist mit einem zweiteiligen Abendprogramm zu Gast: Surrealist und Visionär Marcos Morau ließ sich für sein Stück Le surréalisme au service de la révolution vom spanischen Regisseur Luis Buñuel und seiner folkloristischen Traumwelt inspirieren. Merce Cunninghams formal-abstraktes Stück Fabrications bildet im zweiten Teil des Abends das komplette Gegenstück: Zu Elektrosounds und Radiofrequenzen lotet der Choreograf in aleatorischen Kompositionen die Grenzen des körperlich Möglichen aus. (Stadttheater Bozen, 24. Juli, 21.00 Uhr)
Marina Mascarell setzt neue Trends in der internationalen Tanz- und Choreografieszene. Die Spanierin greift in ihren Stücken sozialkritische Themen auf: In Three Times Rebel, einem Quintett mit Livemusik, setzt sie sich mit Gleichberechtigung, Gewalt, Stereotypen und dem feministischen Kampf um Gleichberechtigung auseinander. (Studio Theater, 25. Juli, 21.00 Uhr).
50 Jahre nach dem Tod des Jazzmusikers John Coltrane nimmt die Meisterin der Gegenwartschoreografie Anne Teresa De Keersmaeker ihr Werk A Love Supreme mit vier neuen Tänzern der Kompanie Rosas wieder auf. Inspiration für die 2005 entstandene Choreografie war das gleichnamige Album des Saxofonisten Coltrane. Anne Teresa de Keersmaeker, die stets mit strengen, mathematischen Strukturen arbeitet, öffnete sich damit der Improvisation. Ein abendfüllendes Remake, in dem Komposition und Improvisation, choreografische Dynamik und explorierende Jazzklänge einander druchdringen. (Stadttheater Bozen, 26. Juli, 21.00 Uhr).
Olivier Dubois ist für das Festivalpublikum längst kein Unbekannter mehr. Nach Tragédie und Les mémoires d’un seigneur kehrt er mit einer Uraufführung nach Bozen zurück. Für sein neuestes Werk 7 x Rien, eine Aufführung für gesamte Familie, ließ er sich von den Sieben Todsünden inspirieren, eine spielerische Reise zu den eigenen Gefühlsgaunereien. (Probenraum, Stadttheater Bozen 26 und 27. Juli, 18.00 Uhr).
Sehr viel intimer präsentiert sich das Solo des Tunesiers Radhouane El Meddeb. In À mon père, une dernière danse et un premier baiser (Für meinen Vater, ein letzter Tanz und ein erster Kuss) führt der Choreograf ein imaginäres, sehr persönliches letztes Gespräch mit seinem Vater, bevor dieser verstirbt. Das Nicht-Gesagte findet Ausdruck in einer tiefgründigen Choreografie-Sprache und in Bachs Goldberg-Variatonen (Studio Theater, 27. Juli, 21.00 Uhr).
Zum Abschluss des Festivals präsentiert Tanz Bozen mit der Kompanie Käfig Hip-Hop vom Feinsten. Choreograf Mourad Merzouki bringt in Cartes Blanches für die Feierlichkeiten des 20-Jahr-Jubiläums der Kompanie, sechs ehemalige Interpreten zusammen. (Stadttheater Bozen, 28. Juli, 21.00 Uhr). Nach der Aufführung findet im Kapuzinergarten eine Silent Disco mit DJane Strasse feat Annamaria Ajmone statt (ab 22.00 Uhr).
In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Anticorpi XL finden im Vorprogramm Aufführungen von Kurzchoreografien vielversprechender junger Autoren statt. Ziel des Festivals Tanz Bozen ist es, junge Choreografinnen und Choreografen zu fördern, darunter Olimpia Fortuni mit Soggetto senza titolo, Mattia Russo und Antonio De Rosa mit Yellow Place, ein Duett über die Dauer von Paarbeziehungen sowie Matsako Matsushita mit TaikokiaT studi01, ein Aufeinandertreffen japanischer und westlicher Kultur.
Highlights des Rahmenprogramms sind die „Nacht im Theater“ (21./22. Juli) mit einer Kinderaufführung der Hip-Hop-Gruppe Hungry Sharks, die Secret Performance (22. Juli) und ikea _site specific von Cristina Kristal Rizzo im Kleinen Museion – Cubo Garutti (25. Juli, 17-20 Uhr; 26. Juli 19-23 Uhr). Anlässlich des Schaufenstertanzes beleben auch heuer wieder Amateur- und Berufstänzer die Auslagen der Geschäfte in den Gassen der Bozner Altstadt. (15. Juli, 11.00 bis 13.00 Uhr)
www.bolzanodanza.it
Mit Unterstützung von
Stiftung Südtiroler Sparkasse, Alperia, Verkehrsamt Bozen
Mit Unterstützung von
Stadtgemeinde Bozen, Autonome Provinz Bozen, Region Trentino-Südtirol und Ministerium für Kulturgüter, kulturelle Aktivitäten und Tourismus MIBAC.
Info und Tickets
Der Abo-Verkauf beginnt an den Kassen des Stadttheater Boze am 18. April, die Einzeltickets sind ab 5. Mai erhältlich.
Stadttheater Bozen
Verdiplatz 40 – 39100 Bozen
Tel. + 39 0471 053 800
Fax +39 0471 053 801
Öffnungszeiten Theaterkasse
Di – Fr 11.00 – 14.00, 17.00 – 19.00 Uhr
Sa 11.00 – 14.00 Uhr
Sonntag und Montag geschlossen
Außer Montag 17. und 24.07.