Von: apa
Robert Wilson, einflussreicher Theater- und Opernregisseur und visionärer Künstler, ist am Donnerstag im Alter von 83 Jahren in Water Mill, New York, nach kurzer, aber schwerer Krankheit gestorben. Das gab das Watermill Center, ein von ihm gegründetes interdisziplinäres Labor für Kunst und Geisteswissenschaften, bekannt. Der in Texas geborene US-Amerikaner Bob Wilson war mit seiner speziellen Ästhetik einer der prägendsten Bühnenmagier der vergangenen Jahrzehnte.
Er studierte Architektur am Pratt Institute, wandte sich aber bald dem Bühnen- und Lichtdesign, der bildenden Kunst und dem Theater zu, wo er mit seinem unbedingten Kunstanspruch Gesamtkunstwerke der darstellenden Kunst schuf, die Generationen von Zuschauern begeisterten und unzählige Künstlerinnen und Künstler inspirierten. Er war immer wieder auch in Österreich tätig. “Seine Werke für die Bühne, auf Papier, Skulpturen und Videoporträts sowie das Watermill Center werden als künstlerisches Vermächtnis von Robert Wilson weiterleben”, hieß es in einer Presseerklärung. “In naher Zukunft werden an Orten, die für ihn von besonderer Bedeutung waren, Gedenkfeiern für Robert Wilson stattfinden. Wir werden diese rechtzeitig bekannt geben.”
Schwierige Kindheit
Robert Wilson wurde am 4. Oktober 1941 in Texas geboren und wuchs zunächst als schüchterner, stotternder Außenseiter auf. Sein Vater, ein erzkonservativer, streng religiöser Rechtsanwalt, hatte wenig Verständnis für das stille Kind. Die Mutter begegnete dem Buben kühl und distanziert. Erst die Tanztherapeutin und Ballettlehrerin Byrd Hoffman brachte Bob Wilson bei, Umwelteindrücke bedächtig und konzentriert aufzunehmen und sich auch beim Sprechen Zeit zu lassen. Nach dem Schulabschluss studierte er zunächst Jus, stieg dann um auf Architektur und Kunst und ging nach New York. Ende der 60er-Jahre gründete er die experimentelle Theatergruppe “Byrd Hoffman School of Byrds”.
Sein erster Erfolg außerhalb Amerikas war 1971 die Aufführung der siebenstündigen stummen Oper “Deafman Glance” in Paris. Ein Werk, das inspiriert war von seinem schwarzen taubstummen Adoptivsohn Raymond Andrews. Mit der fünfstündige Inszenierung der Oper “Einstein on the Beach” von Philip Glass, uraufgeführt 1976 in Avignon, begründete er seinen Ruf als Schöpfer genialer Bühnenwunderwelten, bei denen er meist auf Verfremdung, Langsamkeit und Wiederholung setzt. Wilsons meist streng abstrahierendes, minimalistisches und zugleich berührendes Bildertheater, das mit beeindruckenden Lichteffekten arbeitet, war bis ins Letzte durchchoreografiert. Dabei arbeitete er mit den bedeutendsten Künstlern unterschiedlichster Genres zusammen, darunter Lucinda Childs, Heiner Müller, William S. Burroughs, Allen Ginsberg, Tom Waits und Marina Abramovic.
Welterfolg mit Musical “The Black Rider”
Zu seinen prägnantesten Arbeiten im deutschsprachigen Raum zählen “Death Destruction & Detroit” 1979 an der Berliner Schaubühne, das vom “Freischütz” inspirierte Musical “The Black Rider” (Libretto: William S. Burroughs, Musik: Tom Waits), das nach der Uraufführung 1990 am Hamburger Thalia Theater um die Welt zog, die Debussy-Oper “Pelléas et Mélisande” 1997 bei den Salzburger Festspielen. Zu den letzten Abenden Wilsons, die in Österreich zu sehen waren, gehören “Mary Said What She Said” mit Isabelle Huppert als Maria Stuart bei den Wiener Festwochen 2019, seine Inszenierung von Mozarts Bearbeitung von Händels “Messias” für die Mozartwoche 2020 in Salzburg, “Jungle Book” als Gastspiel im Festspielhaus St. Pölten (ebenfalls 2020) und das Tanzprojekt “Relative Calm” mit Lucinda Childs 2023 beim ImPulsTanz Festival.
Österreich habe er schon als Student einige Male bereist und dabei die wunderschöne Landschaft lieben gelernt, erzählte Wilson 2020 im Interview mit der APA. “Leider habe ich aber in Wien lange nicht so oft gearbeitet wie etwa in Berlin oder Paris.” Wo er politisch stand, machte er auch damals unmissverständlich deutlich: “Donald Trump ist ein Rassist und ein Lügner.”
Wilson arbeitete multidisziplinär und schuf auch bedeutende Ausstellungsräume und Installationen. Als Künstler wurde er u.a. von der Galerie Thaddaeus Ropac vertreten. Der hoch dotierte internationale Kulturpreis Praemium Imperiale war 2023 nur eine der zahlreichen Würdigungen, die er für sein vielfältiges Schaffen erhielt. Selten war für einen Künstler die sonst oft abgedroschen wirkende Floskel so zutreffend: Die Kunstwelt trauert um ihn.
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