Von: mk
Berlin/Brixen – Der Echo 2018 macht mit umstrittenen Nominierungen Schlagzeilen: Kollegah & Farid Bang haben Chancen auf Preise für das beste deutsche Album und in der Kategorie “Hip-Hop / Urban National”. Heute Abend wird der deutsche Musikpreis verliehen. Der TV-Sender Vox übernimmt die Ausstrahlung. Dass neben Rekorden und Höhepunkten immer wieder auch Skandale die Echo-Verleihung überschattet haben, musste die Südtiroler Band Frei.Wild am eigenen Leib erfahren.
2013 wurde die Deutschrockband vom Echo Pop ausgeladen, nachdem sie bereits nominiert war. Bands wie Mia, Kraftklub, Jupiter Jones und Jennifer Rostock hatten Kritik an der Nominierung geäußert und teils sogar mit einer Absage der eigenen Teilnahme gedroht. In diesem Zusammenhang war auch die „Ethik-Kommission“ des Echo in aller Munde, die die Texte der Performer prüft.
Frei.Wild war bereits 2010 nominiert gewesen und ihr Sänger Philipp Burger wurde dort mit Jennifer Rostocks Sängerin Jennifer Weist im Arm fotografiert.
Als Frei.Wild 2015 wieder für einen Echo nominiert war, lehnte die Band ihrerseits die Teilnahme ab. Als die Brixner Rocker später schon wieder aufgrund des anhaltenden Erfolges nominiert werden mussten, gab es eine Aussprache mit der Band, welche dann auch den Echo Pop in der Kategorie “Rock Alternative national” gewann. In ihrer Dankesrede sprach die Band davon, dass die Veranstalter ihre „Fehler korrigiert“ hätten.
Trotzdem scheint es immer noch ein paar Nachwehen zu geben. „Wir haben über die neuesten Echo-Kunstfreiheit-Ethikrat-Entwicklungen nachgedacht und nach längeren internen Gesprächen den Entschluss gefasst, nun doch auf die unzähligen Presseanfragen einzugehen, die wir zu diesem Thema erhalten haben. Allerdings in einer etwas anderen, unerwarteten Form. Wir möchten die Möglichkeit nutzen und einige persönliche Fragen zur Diskussion stellen, die wir zu diesem ja doch sehr wichtigen Thema als notwendig ansehen“, erklärt die Jungs von Frei.Wild in einer Stellungnahme.
„Hohe Empörungswelle aufgebaut“
Als Frei.Wild 2015 zum zweiten Mal für den Echo nominiert wurden, habe sich eine enorm hohe Empörungswelle aufgebaut. „In unzähligen Stellungnahmen, Interviews, Posts und Tweets wurde das Für und Wider unserer Nominierung vehement erörtert. Dies ging bis hin zur Forderung nach Auftrittsverboten und Sponsorenabsagen bei Festivals, sollten wir nicht von der Running Order genommen werden. Bands und Künstler, von denen einige weder eingeladen noch nominiert waren, machten ihren Unmut breit und drohten sogar damit, ihre Teilnahme am Echo abzusagen! Von Auftritten auf denselben Veranstaltungen, ja sogar in denselben zu bespielenden Hallen ganz zu schweigen. Es gab kaum einen Künstler, der zu diesem Thema nichts zu sagen hatte oder gar neutral agiert hat. Am Ende wurden wir von der Nominierungsliste gestrichen, um dann zwei Jahre später den Echo dann doch noch zu erhalten“, betont Frei.Wild.
Diese Episode sei für die Band zwar „definitiv abgeschlossen“ und das Abgeben der Stellungnahme liege einzig und allein am aktuell-passenden Zeitpunkt und den vehementen Medien-Anfragen. „Es ist wirklich so, man muss uns und unsere Musik nicht mögen, Musik und Stilrichtung sind immer Geschmacksache. Wir können damit leben und sehen es auch nicht als problematisch an, kontrovers diskutiert zu werden. Immerhin war genau dieser Umstand der Gründungsvater oder sogar der Grund-Spirit of Rock`n`Roll. Was aber schon ein Problem für uns darstellt, und damit wären wir auch schon bei unserem wichtigsten Gedankengang, ist die Frage, warum es diese singuläre Ausgrenzung von Frei.Wild und die selektive Wahrnehmung im Hinblick auf unsere Musik und deren Inhalte von einer ganz gewissen Seite gibt. Einer Seite die sich derzeit und zu dieser Diskussion gerade ausschweigt, als ob sie nicht vorhanden wäre“, erklärt Frei.Wild.
„Doppelmoral“ wird angeprangert
Die Band habe sich „von Anfang an und ohne Wenn und Aber gegen Extremismus, Gewalt und antidemokratische Haltungen“ positioniert. „Unsere Lieder thematisieren neben vielen, vielen anderen Themen aus dem Leben auch unsere Südtiroler Heimat, unsere Identität, Kultur, Tradition und unseren Glauben. Ihr Ansatz ist ein durchwegs positiver, niemals ausgrenzender, wie wir meinen. Dennoch herrscht von vielen Seiten der deutschen Musik-, Medien-, Kritiker- und Künstlerszene uns gegenüber eine aktivere, aggressivere, offener zur Schau gestellten Antihaltung als gegen propagierten Antisemitismus und Israel-Hass, Christenfeindlichkeit und Gewaltverherrlichung, Frauendiskriminierung und Homophobie, Drogenkonsum und Todeskult im Musik-Mainstream. Dieser bleibt hier weitgehend unkommentiert. Das genau verstehen wir einfach nicht. Wieso diese Doppelmoral? Wieso dieses ‚lassen wir mal lieber unkommentiert‘?“, fragt Frei.Wild.
Die Freiheit der Kunst und deren angebliche Unantastbarkeit würden laut Frei.Wild „ganz offensichtlich doch willkürlichen ideologischen Kriterien“ unterliegen. „Während die Auslegungen bei Bedarf bis zur Selbstverleugnung gedehnt werden, sind die Grenzen in anderen Fällen messerscharf gezogen. Vielleicht dient diese derzeitige Kontroverse auch als Chance, über die für uns nicht ganz ‚gleichgewichtige‘ Art des Messens in unterschiedlichen Musikrichtungen und deren Aussagen zu sprechen. Wir würden es uns jedenfalls sehr wünschen“, so die Band.
Bei allen Diskussionen über Frei.Wild sollte man sich über Polarisierung und Polemik von verschiedenen Seiten im Klaren sein, um sich ein unabhängiges Urteil zu bilden, ist die Gruppe überzeugt. „Wir wünschten uns bei aller Unterschiedlichkeit der politischen Richtungen und Positionen einfach etwas mehr Bedachtheit, Ausgewogenheit und Fairness“, erklärt die Band.
Weitere Südtiroler beim Echo
Der Echo ist der Spätzünder unter den Musikpreisen: Die Brit Awards in Großbritannien werden seit 1977, der Grammy gar seit 1959 verliehen. Bei der Premiere 1992 gab’s auch keine große vom TV übertragene Show, sondern nur eine kleine Gala in Berlin.
Übrigens: Noch eine Südtiroler Band hat den Echo maßgeblich mitbestimmt, allerdings in einer völlig anderen Kategorie. Die Kastelruther Spatzen waren lange Zeit.