Zwei von sieben: Federspiel-Musiker Philip Haas und Simon Zöchbauer

Federspiel feiert 20er: “Zeit ist unsere größte Ressource”

Donnerstag, 03. Oktober 2024 | 06:13 Uhr

Von: apa

Sie haben sich weihnachtlichen Klängen ebenso gewidmet wie mythischen Kreaturen, sind in Volksmusik, Klassik und Jazz zuhause: Das heimische Bläserseptett Federspiel hat sich seit seiner Gründung vor 20 Jahren als vielseitige Gruppe etabliert, die mit musikalischer Unberechenbarkeit begeistert. Vorm Jubiläumsabend im Wiener Konzerthaus (9. Oktober) sprach die APA mit den Mitgliedern Simon Zöchbauer und Philip Haas über Vergangenes, Zukünftiges und den internen Verkaufsbasar.

APA: Wird Federspiel beschrieben, kommt schnell das Spannungsfeld aus Tradition und Moderne zur Sprache. Was hat aktuell im Musikkosmos des Ensembles alles Platz?

Simon Zöchbauer: Das ergibt sich aus dem, was von innen kommt. Also durch die eigenen Vorlieben, Geschmäcker und Biografien. Natürlich kommen wir aus der Tradition. Wir haben im Alter von 15 Jahren begonnen durch unseren Mentor Rudi Pietsch und haben gelernt, wie man verziert, begleitet und wie wichtig Vokalmusik ist. Traditionelle Musik ist ganz oft anlassbezogen – zur Hochzeit, zum Begräbnis, zum Tanz, zu einem Fest. Diese Verbundenheit zu Gesellschaftlichem ist schon angelegt, das können wir nicht weggeben. Aber im Laufe von 20 Jahren ist natürlich wahnsinnig viel im Umlauf: Jazz, klassische Musik, Weltmusik, Avantgarde, Improvisation, Experimentelles. Und dann steht die Frage: Was brennt gerade für mich?

Philip Haas: Das ist unser Modus. Es ist Jahr für Jahr ein ergonomisches Entwickeln, um schrittweise weiterzugehen und sich mit tagesaktuellen Themen auseinanderzusetzen. So nutzen wir unsere Kunst und unsere Auftritte auch dazu, das bei den Leuten herauszukitzeln. Wir versuchen immer wieder, den Finger leicht in eine Wunde zu legen. Wir sind keine dezidiert politische Band, aber es geht schon um ein Anstupsen für große Themen.

APA: Woher kommt die Initialzündung für ein neues Vorhaben?

Zöchbauer: Zuerst treffen wir uns zur Themenfindung. Was interessiert uns, was liegt in der Luft, was ist gesellschaftlich relevant? Der nächste Schritt sind Titel und Text, damit es eine Richtung bekommt. Und dann kommen die Stücke dazu: Man versucht etwas zu schreiben, das davon inspiriert ist und einen Bezug dazu hat. Da fließt es von allen Seiten hin, es kommen also individuelle Beiträge und Geschichten hinzu. Der letzte Schritt ist dann die Inszenierung, wenn es wirklich auf die Bühne geht.

Haas: All das braucht Zeit. Aber Zeit ist etwas, was Federspiel hat oder was wir immer als unsere größte Ressource gesehen haben. Nach 20 Jahren sind wir an einem Punkt, um innezuhalten und zurückzuschauen, wie das eigentlich gelaufen ist. Eine Komponente ist diese zeitliche, dass es immer in diesem dynamischen Prozess geblieben ist.

APA: Wie kann man sich die Themenfindung konkret vorstellen? Wird da im positiven Sinn etwas erstritten, oder braucht es das mittlerweile gar nicht mehr?

Zöchbauer: Wir kommen um den Punkt nie herum, dass man diese Gespräche führt und sich zusammenstreitet, wenn man so will. Oft glaubt man, eh derselben Meinung zu sein, aber manchmal ist man das nicht – jedenfalls nicht in jedem Gesichtspunkt. Diese Gruppenprozesse sind immer da gewesen und jetzt auch noch zentral.

Haas: Man setzt die wenigsten Dinge voraus, es wird alles besprochen. Weil das auch zu einem gruppendynamischen Prozess gehört. Wir haben uns in der Pubertät kennengelernt, da herrschte ein anderer Umgangston. Mittlerweile passen wir sehr gut auf, dass jeder seine Grenzen wahren kann und wir den Umgang pflegen, den sich jeder wünscht. Da gehört Voraussetzen nicht wirklich dazu, weil das schnell zu Konflikten führt.

Zöchbauer: Wenn es um neue künstlerische Richtungsentscheidungen geht, muss man sich finden. Den einen ist vielleicht etwas zu teuer, wofür der andere in die eigene Tasche greift, weil es ihm so wichtig ist. Das ist ein großartiger Zugang, das braucht es in der Kunst – dieses Müssen! Natürlich hofft man, die anderen dafür zu gewinnen, aber es ist eben Überzeugungsarbeit notwendig.

Haas: Gruppenintern ist es schon ein guter Verkaufsbasar. Wer sich am besten anbieten kann… (lacht)

APA: Wie wichtig ist Ihnen, sich gegenseitig zu überraschen – und wie kann das nach 20 Jahren noch gelingen?

Zöchbauer: Auf der Bühne? Das gelingt schon manchmal. Das ist auch wichtig.

Haas: Ah! (lacht) Na sicher. Simon war ein halbes Jahr in Karenz und hat erst jüngst wieder die ersten Konzerte gespielt. Es war sehr erfrischend zu sehen, wie weit du dich aus dem Fenster lehnst. In dem halben Jahr hat sich etwas angestaut. Das hat genau den Platz auf der Bühne, dass die anderen sechs, die im Ablauf eigentlich sehr routiniert gewesen wären, eine andere Aufmerksamkeit gebraucht haben. (lacht) Das sind schöne musikalische Überraschungen, bei denen man sich konzentrieren muss. Das ist erfrischend, erheiternd, und genau so soll es sein.

APA: Zum Jubiläumsprogramm gibt es einen schönen Trailer, der kurz einen der wohl frühesten Auftritte zeigt. Das führt vor Augen, welch weiten Weg Sie gegangen sind. Gab es jemals das Gefühl, dass Sie als Federspiel gegen Widerstände ankämpfen mussten?

Zöchbauer: Unser erster Schritt war zu sagen, dass wir von den Wurzeln traditioneller Musik kommen, aber den konzertanten Weg einschlagen und unsere Nische finden. Von Widerständen würde ich nicht sprechen, aber es war ein Finden des eigenen Weges. Wenn es da Widerstände gibt, dann die des Marktes oder des Umfeldes. Irgendwann merkst du: Was funktioniert, wo fühle ich mich wohl, was hat Zuspruch? Es ist ein Entwickeln mit dem Publikum. Je höher die Integrität dessen ist, was man macht, desto länger wird das auch wertgeschätzt.

Haas: Es ist aber trotzdem schwer, weil nach wie vor kein Genrebegriff da ist. Oft heißt es: “Ich wollte nicht kommen, weil da Blasmusik draufgestanden ist. Und dann war ich aber positiv überrascht, weil das keine Blasmusik für mich ist.” Man kann diese Musik so schwer beschreiben. Was passiert und was erklingt, kann man nicht in Worte fassen. Rein technisch gesehen, ist es ja Blasmusik.

Zöchbauer: Aber man verbindet etwas anderes damit. Das ist ja das Problem für viele, und es gibt auch für uns das Spannungsfeld: Was von der Tradition nehmen wir mit und was nicht? Wo grenzen wir uns ab? Das ist der feine Grat, die Gruppe zu definieren, wo es in Richtung Beliebigkeit geht und wo es ein scharfes Profil hat. Das ist ein konstantes Abstimmen.

APA: Was haben Sie sich für den Abend im Konzerthaus vorgenommen?

Haas: In erster Linie ist es unser Geburtstagsfest, das wir für uns feiern. Wir sind wahnsinnig dankbar und froh, dass so viele Leute den Abend mit uns verbringen werden, auch langjährige Wegbegleiter wie unsere Schwesternband Alma, alte Ensemblemitglieder, die Academy Singers und Leonard Paul. So entsteht ein schöner Bogen, den wir vom Beginn bis ins Heute spannen können.

APA: Was wünschen Sie sich für Federspiel in den nächsten Jahren?

Zöchbauer: Ich glaube, das konzeptuelle Arbeiten und das Denken in Gesamtkunstwerken, bei denen die Musik das Hauptelement ist, es aber schon um ein Gesamterlebnis geht, ist mir ein Anliegen. Immer offen bleiben, immer neu erfinden, immer weitergehen. Das Frische, das in uns drin ist und rauswill, soll rauskommen können. Wir wollen nichts reproduzieren. Natürlich spielen wir gerne alte Stücke, aber wir wollen uns trotzdem fordern und anstoßen, um Neues zu machen. Da gibt es natürlich manchmal Widerstand, denn warum sollten wir das tun? Aber genau da durchzugehen, ist ein Argument dafür. Das ist mir wichtig. Ich hoffe, dir auch, mein Freund. (lacht)

Haas: Nein. Ich will, dass alles so bleibt. (lacht) Es ist genau dieses ergonomische Weiterwachsen und einfach nicht stehen bleiben. Jeder, der etwas weiterbringen will, findet im Kollektiv seinen Platz. Gegen kleine Widerstände in der Band anzukämpfen, sind wir schon gewohnt, aber das ist ein dynamischer Prozess, der es spannend macht.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E – https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61667; www.feder-spiel.at)

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