Von: apa
Stehen Blood Incantation auf der Bühne, dann ist das eine ernste Angelegenheit: Die US-amerikanische Metalband, die spätestens mit ihrem im Vorjahr veröffentlichten Opus “Absolute Elsewhere” weit über Genregrenzen hinaus für Aufsehen gesorgt hat, spielt zwar mit allerlei Klischees, allerdings weniger, um diese zu brechen, als ihrer Kunst einen entsprechenden Rahmen zu geben. So auch am Sonntagabend in der Wiener Simm City, wo die Gruppe ihre aktuelle Europatournee beschloss.
Der Fokus lag dabei ganz auf dem neuen Album, das aus zwei jeweils über 20 Minuten langen Stücken besteht. Eingerahmt von zwei überdimensionalen Obelisken, die mit ominösen Zeichen versehen waren – eine bühnentechnische Verlängerung des Coverartworks, das Weltall und Mystik vereint -, fackelte die Band nicht lange, sondern stieg sofort in das mächtige “The Stargate” ein. Hochgeschwindigkeitsriffs, brutale Growls und ebensolches Drumming machten kurzen Prozess und versetzten das Publikum rasch in Ekstase. Anlaufzeit? Wurde hier nicht benötigt, fand sich doch der ganze Saal von der ersten Sekunde an bestens in den verwinkelten Songstrukturen zurecht.
Der Schritt ins Unbekannte
Und Blood Incantation haben diesbezüglich wirklich einiges zu bieten: Das 2011 gegründete Quartett hat zwar schon bisher seinen ungemein progressiv gedeuteten Death Metal mit allerlei psychedelischen Zutaten versehen und etwa auf dem dritten Album “Timewave Zero” (2022) ganz auf Ambientklänge gesetzt. Doch “Absolute Elsewhere” bringt diese unterschiedlichen Ausprägungen nicht nur eindrucksvoll zusammen, sondern geht den Schritt über die Grenze des bisher Erreichten hinaus. “Mit jeder Platte pushen wir unsere Fähigkeiten”, hatte Drummer Isaac Faulk kurz vor der Show gegenüber der APA betont. Das benötige teils auch monatelangen Proben, um das geschriebene Material tatsächlich umsetzen zu können.
Diese Arbeit hat sich in jedem Fall bezahlt gemacht: Sowohl “The Stargate” als auch das direkt danach gesetzte “The Message”, das mit seinem melodiösen Einstieg deutlich machte, dass Blood Incantation nicht nur auf Teufel komm raus alles zu Kleinholz zerschlagen müssen, wurden ungemein dynamisch und tight dargeboten. Dass Sänger und Gitarrist Paul Riedl dazwischen einen Fan in den ersten Reihen dazu aufforderte, die Platte pantomimisch “umzudrehen”, damit sie weiterspielen können, sorgte zwar für manche Schmunzler, wurde von den Musikern aber mit demselben Ernst gefordert, wie sie sonst in ihre soundtechnischen Achterbahnfahrten abbogen und reichlich Metalposen zum Besten gaben. Für Ironie war da kein Platz.
Umfassende Erfahrung zwischen Psychedelic und Metal
Dabei war die Umrahmung alles andere als testosterongetränkt: Mit Minami Deutsch hatten Blood Incantation eine japanische Krautrock-Band als Vorgruppe, und auch sonst setzte man eher auf psychedelische Klänge, um die Anwesenden in Stimmung zu bringen. “Das ist alles Teil des Konzepts”, nickte Riedl. “Man hört keinen Metal, bis wir auf der Bühne stehen. Von dem Moment, in dem du das Venue betrittst, bis zu deinem Nachhauseweg wollen wir dir eine umfassende Erfahrung bieten.” In jedem Fall passend, wenn man sich Riedls esoterisch angehauchte Lyrics vor Augen führt, die ungelöste Phänomene auf unserem Planeten und weit darüber hinaus behandeln.
Öffnet die Schleusen
Dazu gesellt sich auch eine Beschreibung des Musikers, was die Fertigstellung von “Absolute Elsewhere” betrifft: “Denk nur an den Urknall. Das war der Klimax für dieses ursprüngliche Etwas, aus dem die Fundamente für alles entstanden sind, was danach kam. Und das ist immerhin die Gesamtheit der Dinge, die sich noch dazu rasant ausbreitet.” Auch für das Quartett seien die neuen Songs ein (wenngleich hart erarbeiteter) Meilenstein gewesen, der die kreativen Schleusen weiter geöffnet hat. “Wir haben bereits vor Erscheinen der Platte an neuem Material gearbeitet”, erzählte Riedl. “Das ist zuvor noch nie passiert. Der gesamte Prozess hat unsere Energie unglaublich angestachelt.”
Live wurden dem “Absolute Elsewhere”-Universum noch zwei ältere Tracks sowie eine kurze Ambientpassage durch einen die Synths bedienenden Tourmusiker beigestellt, bevor nach eher knapp bemessenen 65 Minuten diese Reise durch Raum und Zeit auch schon wieder beendet war. Zugegeben, es gibt reichlich zu verdauen, wenn man sich in die Tiefen dieser Kompositionen vorwagt. Gitarrist Morris Kolontyrsky verglich diesbezüglich den Ansatz der Gruppe mit einer Mischung aus Klassik und Jazz: “In der klassischen Musik wird alles ausgeschrieben, alles ist durchdacht und hat seinen Platz. Im Jazz wiederum gibt es Freiheit, aber auch eine Struktur in diesem Chaos. Wir kombinieren beides.” Da können die Hirnwindungen im Publikum durchaus heftig in Schwingung versetzt werden. Ein bisschen mehr wäre trotzdem zu verkraften gewesen. Beim nächsten Besuch von Riedl, Faulk, Kolontyrsky und Bassist Jeff Barrett dann.
(Von Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E – https://bloodincantation.bandcamp.com/music)
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