Wenn Eltern die Nerven verlieren

Babys: Todesgefahr durch Schütteltrauma

Donnerstag, 31. Januar 2019 | 07:15 Uhr

Babys schreien in manchen Fällen bis zu fünf Stunden am Stück. Das Geschrei könnte man als ohrenbetäubend bezeichnen, doch Ohren lassen sich nicht betäuben. Und so kommt es, dass sich Eltern ohnmächtig und hilflos fühlen. Das Ganze kann in Wut münden, wenn das Baby mit dem Schreien nicht aufhört und die Nerven blank liegen.Wenn der Moment kommt, in dem sich der ganze, stundenlang angestaute Frust auf das Baby konzentriert, hilft nur eines: Lasst den Schreihals Schreihals sein, geht vor die Tür, heult, brüllt, tobt und atmet tief durch.

Gewalt gegen Kinder ist Tabu: es anzuschreien, zu schlagen, zu schütteln, die eigene Verzweiflung an ihm auszulassen. Trotzdem passiert es. Obwohl jeder weiß, dass das Baby unschuldig ist und den Erwachsenen gegenüber völlig schutzlos ausgeliefert ist. Jährlich werden etwa 100 bis 200 Babys und Kleinkinder mit einem Schütteltrauma in Kliniken gebracht. Mehr als die Hälfte von ihnen bleibt ein Leben lang schwer behindert, ist blind oder hat Krampfleiden. Jedes dritte Kind stirbt.

Eltern oder Betreuungspersonen, die deshalb später vor Gericht stehen, sagen häufig, dass ihnen nicht klar war, was das Schütteln bei einem Baby bewirkt. “Viele denken, dass sie, solange sie ihr Kind nicht schlagen, nichts Schlimmes anrichten können”, sagt Professorin ­Anette Debertin, Oberärztin am Institut für Rechtsmedizin und Leiterin der Kinderschutzambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover. Wurde ein Kind geschüttelt, sieht man ihm das nicht an, wie ­etwa bei einem blauen Fleck nach einem Schlag.

Dennoch: Das Gehirn des Babys ist noch leicht verletzbar. Die Schäden, die durch ein Schütteltrauma entstehen, sind viel schlimmer als ein blauer Fleck, womit jegliche Gewalt an Kindern nicht bagatellisiert werden soll!

Das auch als “Shaken baby”-Syndrom bekannte Verletzungsmus­ter gibt es speziell bei sehr kleinen Kindern.

Was genau während des Schüttelns geschieht, können Ärzte bisher lediglich vermuten und anhand der Befunde bei toten und überlebenden Kindern rekonstruieren. “Wie oft und wie stark ein Baby geschüttelt wurde, können wir nur aus Geständnissen erfahren – wenn die Beschuldigten überhaupt etwas erzählen”, so Matschke. Sie schweigen oder erfinden Unfälle.

Das Problem: “Die ers­ten Zeichen eines Schütteltraumas sind meist Abgeschlagenheit, Erbrechen oder Unruhe. Wenn die Eltern nicht gleich sagen, was passiert ist, geht der Arzt eher von einem Infekt aus”, so Debertin. Wie gravierend ihr ­Fehler war, wird den Eltern oft erst bewusst, wenn das Kind nach einiger Zeit blau anläuft oder bewusstlos wird. Die Misshandlung ist also zunächst kaum offensichtlich. Deshalb hat Rechtsmedizinerin Debertin die Diagnose Schütteltrauma in ihren Lehrplan eingebaut. Jeder Hannoveraner Medizinstudent wird dafür sensibilisiert, genauer hinzuschauen und die richtigen Untersuchungen durchzuführen. Nur so kann den Kindern schnellstmöglich geholfen werden.

Wer sich überfordert fühlt, sollte sich auf jeden Fall an einen Arzt und eine Hebamme wenden sowie an einen Spezialisten für Schreibabys. Es gibt das schöne afrikanische Sprichwort: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen oder ein Kind stark zu machen.“ Für Mütter und Väter bedeutet dies, die Betreuung des Kindes auch anderen vertrauenswürdigen Menschen aus dem Umfeld zu überlassen. Eine Überforderung kommt dann zustande, wenn man alles alleine leisten will und sich keine Unterstützung von außen holt.

Hier ein informatives Video zum “Shaken baby”-Syndrom und Tipps für Eltern:

Im folgenden Video seht ihr die Gehirnareale, die durch das Schütteln des Babys angegriffen werden:

https://www.youtube.com/watch?v=Niz602HvS74

Von: bba