Von: apa
Ein internationales Forscherteam hat ein bisher unbekanntes Mineral aus der Gruppe der Turmaline identifiziert und nach dem heimischen Turmalin-Experten Andreas Ertl, der am Naturhistorischen Museum (NHM) Wien und der Universität Wien tätig ist, benannt. Das nun “Ertlit” getaufte Mineral hat große Kristalle und eine überraschende chemische Zusammensetzung, heißt es in einer Aussendung, in der auf das Potenzial für Anwendungen in Wissenschaft und Technik hingewiesen wird.
Minerale sind natürlich vorkommende Kristalle. Aktuell gibt es weltweit knapp 6.200 wissenschaftlich anerkannte Mineralarten. Dazu zählt nun auch der aus Madagaskar stammende und letztlich über den Tisch eines einheimischen Edelstein-Händlers gewanderte Stein.
Unter dem Begriff “Turmalin” werden viele Mineralarten mit ähnlicher Kristallstruktur, also räumlicher Anordnung der Atome, aber unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung zusammengefasst. Manche davon werden aufgrund ihrer Härte und Farbenvielfalt als Schmucksteine verwendet. So findet sich ein roter Turmalin auf der für Kaiser Karl IV angefertigten Wenzelskrone und 21 farbige Turmaline zieren die Meisterschale der deutschen Fußball-Bundesliga. Zudem werden Turmaline aufgrund ihrer optischen und elektrischen Eigenschaften in Mikroskopen oder Sensoren eingesetzt.
Spezielle Zusammensetzung prognostiziert
Bei einer eingehenden Untersuchung des neuen Minerals durch ein internationales Team aus Schweden, Tschechien, Österreich, Deutschland, Kanada und USA wurde ein ungewöhnlich hoher Gehalt des Elements Bor, das zudem spezielle Positionen in der Kristallstruktur einnimmt, entdeckt. Vorhergesehen wurde ein derartiges Mineral den Angaben zufolge schon seit längerem von Andreas Ertl, der vor wenigen Jahren den im Waldviertel entdeckten “Alumino-Oxy-Rossmanit” als neuen Turmalin identifiziert hat.
“Als ich in den 1980ern mit der Erforschung der Möglichkeit von Bor in dieser speziellen Position der Kristallstruktur von Turmalinen begann, war es nicht allgemein akzeptiert, dass dies überhaupt möglich sei”, wird Ertl zitiert. Nun habe “die Natur einen grandiosen Beweis geliefert und alle Theorien bestätigt”, freut sich der Wissenschafter, dem zu Ehren das Forscherteam die Spezies “Ertlit” benannt hat, was von der International Mineralogical Association (IMA), der Weltdachorganisation der mineralogischen Wissenschaften, bereits offiziell bestätigt wurde.
Weitere Steine als “Ertlit” bestätigt
Unterdessen hat der Direktor der Mineralogisch-Petrographischen Abteilung am NHM, Uwe Kolitsch, nach Untersuchungen eines Sammlungsstückes aus Myanmar ebenfalls “Ertlit” bestätigt. Ertl selbst lieferte nach der Analyse mehrerer Zentimeter großer Kristalle von der Koralpe an der Grenze der Steiermark zu Kärnten den Hinweis auf einen dritten Fundort. Für die Forscher ist der neue Turmalin aus mehreren Gründen spektakulär: Nur selten werden heute noch neue Minerale in dieser Größe entdeckt. Bei den meisten der neuen Arten handelt es sich dagegen um mikroskopisch kleine Körnchen. Zudem besteche das Mineral mit einer Fülle an Farben und Formen.
Für die Wissenschafter hat “Ertlit” Potenzial für wissenschaftliche und technische Anwendungen. Seine besondere chemische Zusammensetzung könnte neue Einblicke in die Entstehung von Gebirgen und letztlich in die Erdgeschichte eröffnen. Aufgrund spezieller Eigenschaften wären derartige künstlich hergestellte Turmaline ein interessantes Material für die Technik, etwa als Druck- und Temperatursensoren.
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