Der Mord ist meist die Spitze des Eisberges

Perfektes Familienglück: Wenn der eigene Ehemann der Mörder ist

Donnerstag, 13. September 2018 | 08:05 Uhr

Immer wieder lesen wir in Zeitungen von Männern, die ihre Partnerin und in manchen Fällen auch die eigenen Kinder getötet haben. Es sind viele Morde. Morde, die nicht von “Wildfremden” getätigt werden, sondern vom eigenen Lebenspartner. Das ist sehr erschreckend. In Italien wird dieses Phänomen als “Femminicidio” bezeichnet.

In den Medien ist oftmals die Rede von “Kurzschlussreaktionen”, vom “Raptus” und “ahnungslosen Nachbarn”. In der Regel bahnen sich Gewaltexzesse jedoch langsam ihren Weg.

Ein Beitrag der Huffington Post bekräftigt diese These mit einem Bericht über eine “Bilderbuchfamilie”, die ausgelöscht wurde. Der Täter? Der eigene Ehemann und Vater der gemeinsamen Kinder!

Der Fall “Shanann W. und Christoph”

“Shanann W. hat ein Traumleben mit einem Traummann geführt – zumindest auf Facebook und Instagram. Dann wurden sie und ihre Kinder ermordet aufgefunden – angeklagt ist der Ehemann. Ihrer Facebook-Seite zufolge hatte die Amerikanerin Shanann W. alles: eine Karriere, durch die sie die Welt bereisen konnte, zwei wunderbare kleine Mädchen, einen Ehemann, der ganz vernarrt in sie schien und ein noch ungeborenes Baby in ihrem Bauch. Die 34-jährige Mutter postete regelmäßig Updates in den Sozialen Medien über ihr Leben in Frederick, Colorado. Updates, die ihren gesellschaftlichen Aufstieg und ihr scheinbar perfektes Leben dokumentierten. Immer wieder schwärmte sie über ihren Mann. ‘Ich liebe diesen Mann! Er ist mein Fels in der Brandung!’, schrieb sie noch im Mai auf Instagram.”

Jedoch änderte sich am 13. August alles: “Die gerade 15 Wochen schwangere Frau und ihre beiden Töchter, Bella, vier Jahre alt, und Celeste, drei Jahre alt, wurden als vermisst gemeldet. In einem Interview mit einem lokalen Nachrichtensender am Dienstag sagte ihr Ehemann Christopher, er und seine Ehefrau hätten ‘eine emotionale Konversation’ gehabt, bevor sie verschwunden sei. Er bat sie und die Kinder, nach Hause zu kommen.”

Plötzlich ist der “vorbildliche” Ehemann des dreifachen Mordes angeklagt: “Zwei Tage später wurde Shananns toter Körper auf dem Grundstück von Christophers Arbeitskollegen, Anadarko P., gefunden. Überbleibsel von den Körpern ihrer Kinder wurden in der Nähe entdeckt. Die Körper der Kinder sollen laut dem US-Sender ‘Fox News’ vier Tage lang in Öl-Tanks versteckt gewesen sein. Das Öl habe vermieden, dass die Leichen anfingen zu stinken – was die Aufmerksamkeit von Passanten hätte erregen können.”

Christopher sitzt nun im Gefängnis: des dreifachen Mordes angeklagt, und auch dafür, Beweismaterial vorenthalten zu haben. Shananns Familie teilte mit, Christopher, 33 Jahre alt, habe zugegeben, seine Frau und seine Kinder getötet zu haben. Das Gericht hat das aber noch nicht bestätigt.

In den USA sorgt der Fall für Entsetzen: Das was verwirrt und schockiert, ist der Kontrast von Shananns scheinbar idyllischem Leben und der Gewalttat. Viele Kommentatoren können nicht nachvollziehen, wie ein Vater, der seine Familie so sehr geliebt zu haben schien, sie auf brutale Weise tötete.

Was sind die Gründe dafür, dass die Gewalt, zu der es in den heimischen Wänden kam, verschleiert blieb?

Experten und Expertinnen auf dem Gebiet der häuslichen Gewalt sagen, es sei unmöglich, zu wissen, was sich hinter verschlossenen Türen abspiele. Opfer versuchen sogar oft durch soziale Medien, die Gewalt zu vertuschen. “Wir haben das Jahr 2018, aber in vielen Familien gilt es immer noch als Schande, Opfer häuslicher Gewalt zu sein. Überlebende versuchen oft, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die Beziehung in der Öffentlichkeit gut aussehen zu lassen”, sagte Kim Gandy, Präsidentin des “National Network to End Domestic Violence”.

“Wir wissen nicht, ob es Gewalt in ihrer Ehe gegeben hat. Aber wenn, dann wäre es nicht verwunderlich, dass Shanann versucht hat, ihren Freunden und ihrer Familie ein positives Bild zu verkaufen, sowohl im realen Leben als auch in den Sozialen Medien.”

Shanann nutzte die Sozialen Medien auch beruflich, für den Verkauf von Gesundheitsprodukten. Ihre Verkaufs-Posts versah sie mit rührenden Texten über ihren “liebenden” Ehemann und ihre Kinder:

“Er ist der beste Vater, den wir uns wünschen könnten. Ich könnte mir keinen besseren Mann vorstellen”, schrieb sie über ihren Ehegatten.

“Du überwältigst uns mit deiner Liebe und Aufmerksamkeit! Du hältst es mit drei ungeduldigen, fordernden Frauen im Haus aus”, schrieb sie noch im April auf Instagram. “Ich liebe dich so sehr und bin so dankbar, dass du geblieben bist, als ich am Anfang versucht habe, dich abblitzen zu lassen.”

Am 19. Juni teilte sie einen Screenshot von einer Nachricht, die Chris ihr als Antwort auf das Ultraschallbild ihres gemeinsamen dritten Kindes geschickt hatte. Er antwortete, dass er “die kleine Erdnuss” schon jetzt lieben würde.

Amy Miller, Geschäftsführerin der Organisation “Violence Free Colorado”, die sich gegen Missbrauch einsetzt, sagt: Menschen, die von ihrem Partner missbraucht werden, würden sich oft ganz anders verhalten, als man es erwarten würde. “Sie geben ihr Bestes, um diese Situation einfach nur zu überleben”, sagte sie.

Sie fügte hinzu, dass häusliche Gewalt nicht immer physisch sein muss: “Täter könnten ihre Opfer auch auf sexuelle, emotionale, verbale, psychologische, finanzielle oder digitale Weise missbrauchen.”

Ruth Glenn, Präsidentin der “National Coalition Against Domestic Violence” sagte, dass die Sozialen Medien deshalb so verlockend seien, weil sie es den Opfern ermöglichen würden, einen schönen kurzweiligen Moment zu teilen. Das reale Leben sehe aber komplett anders aus.

Fazit: “Die Sozialen Medien können, aber müssen nicht zeigen, was wirklich vor sich geht”, sagte Ruth Glenn. “Auch die, die von ihrem Partner gewalttätig missbraucht werden, haben dort die Möglichkeit, in eine soziale Norm zu passen, eine perfekte Familie zu sein.”

Sie fügte hinzu, dass die meisten Mörder von Frauen keine Fremden, sondern intime Partner seien. Die Morde hätten Ursprung in häuslicher Gewalt.

Die Sozialisation der Männer ist an dieser Stelle zu hinterfragen.

Von: bba