Von: luk
Bozen – Die Almwirtschaft in Südtirol hat eine wichtige wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Bedeutung. In Südtirol gibt es derzeit laut Almkartei 1732 Almen; diese erstrecken sich auf einer Fläche von rund 149.000 Hektar, wobei etwa die Hälfte reine Weideflächen sind. Darauf werden jährlich rund 40.000 Großvieheinheiten gealpt, das entspricht 90.000 Stück Vieh (Zahlen und Grafiken im Anhang). Mitarbeiter der Landesabteilungen Forstwirtschaft und Natur, Landschaft und Raumentwicklung haben einen Katalog mit Kriterien für die Erschließung von Almen erstellt, auch der Dachverband für Natur und Umwelt, der Heimatpflegeverband, der Alpenverein Südtirol AVS und der Südtiroler Bauernbund waren an dem Runden Tisch beteiligt. Eine Arbeitsgruppe wird nun auf Anfrage ein Vorgutachten für Almerschließungsprojekte abgeben.
Eines der Hauptthemen bei der Förderung der Almwirtschaft war und ist die Erschließung der Almen, die ein wichtiger Faktor für eine langfristig gesicherte Bewirtschaftung sind. “Es ist”, unterstrich Land- und Forstwirtschaftslandesrat Arnold Schuler, “im Interesse der Almbesitzer, der Landesämter und der betroffenen Vereine und Verbände wie auch der politischen Entscheidungsträger, bereits im Vorfeld einen Konsens zu finden, bevor Entscheidungen getroffen werden”.
“Von den 1732 Almen, die es in Südtirol gibt, sind nur noch 188 Almen unerschlossen, und von diesen befinden sich 73 Almen innerhalb von Schutzgebieten wie Naturparks oder Natura-2000-Gebieten”, betonte Umweltlandesrat Richard Theiner.
Die Kriterien für eine Erschließung stellten bei der heutigen Pressekonferenz der Direktor der Landesabteilung Forstwirtschaft Paul Profanter und der Direktor des Landesamtes für Landschaftsökologie Peter Kasal vor: eine wirtschaftliche Bewertung der Alm (Bewirtschaftungsform, Größe, Anzahl der aufgetriebenen Großvieheinheiten), eine hydrogeologische (Hangneigung, Beschaffenheit des Geländes) und eine technische Bewertung des Eingriffs (Kunstbauten, Lawinenstriche, Steigung, zu überwindender Höhenunterschied) sowie eine landschaftlich-ökologische Bewertung (Einsehbarkeit, vom Eingriff betroffene Lebensräume).
Auf der Grundlage dieser Kriterien erstellt eine Gruppe von Technikern, die sich aus Vertretern der beiden Landesabteilungen Forstwirtschaft sowie Natur, Landschaft und Raumentwicklung zusammensetzt, auf Anfrage ein Vorgutachten mit Begehungsprotokoll, aus dem hervorgeht, ob und unter welchen Bedingungen eine Erschließung möglich ist. “Dieses Angebot wird unentgeltlich, unbürokratisch, zeitnah sowie unter Einbezug der Gemeinde erbracht, in der sich die Alm befindet”, betonte Landesrat Theiner, “auf diese Weise steigt die Planungssicherheit für die Almbesitzer, die sich auch Zeit und Kosten ersparen”.
Das Vorgutachten und Begehungsprotokoll kann vom Projektträger über das Forstinspektorat vorab oder auch bei bereits eingereichten Projekten zu jedem Zeitpunkt angefragt werden. Dieses Vorgutachten ersetzt nicht das Genehmigungsverfahren.
Im gesamten Alpenraum sind die Almen sehr stark von Auflassung und Verbuschung bedroht; nicht so in Südtirol, wo in den letzten Jahren kaum Almen aufgelassen wurden. Durch die finanzielle Unterstützung von Seiten der Landesverwaltung konnten viele Initiativen der Almbetreiber umgesetzt und damit wichtige Voraussetzungen für eine dauerhafte Bewirtschaftung geschaffen werden.
Grüne: Gut gemeint, aber allzu spät und von zweifelhafter Wirkung”
Die Landesräte Schuler und Theiner kündigen eine Lösungsstrategie zur Frage der Almerschließungen an: Eine Arbeitsgruppe soll allfällige Erschließungsanträge im Einzelfall vorab prüfen, um mithilfe des Gutachtens den Gesuchstellern eine Vorentscheidung zu ermöglichen.
Dieser Lösungsvorschlag kommt für die Grünen im Landtag reichlich spät, “nachdem bereits über 85 Prozent der rund 1732 Almen Südtirols durch fahrbare Wege erschlossen sind, nur mehr 188 Almen als unerschlossen gelten und etwa im Streit um die Zufahrten zur Antersasc-Alm oder zur Spronser-Alm bereits viel Porzellan zerschlagen wurde. Fakt ist zudem, dass nur mehr ca. 50 Almen von mehr als 15 laktierenden Kühen bestoßen werden.”
“Wichtiger als die Prüfung noch fehlender Almenwege, wobei Südtirol alpenweit gewiss keinen Vergleich zu scheuen braucht, wäre eine Bilanz der Nutzung und Übernutzung von Almen, denn:
• Gewiss ist die Almwirtschaft eine notwendige Ergänzung der Viehwirtschaft, da rund 50 Prozent des Viehbestands gealpt wird, zudem sichert die Möglichkeit zum Ausschank einen bäuerlichen Nebenerwerb.
• Mit Nachdruck ist auch darauf hinzuweisen, dass Almwege auch als Zufahrten für private Hüttenbesitzer und als Treiber für den fortgesetzten Ausbau von Hütten, aber auch für Planierungen und Entwässerungen dienen.
• Schließlich sind Almwege auch Kanäle für den Transport von Gülle in große Höhen; frei nach dem Motto: Auf der Alm da gibt’s koa Sünd, auch wenn man dort die Gülle findt!”, so die Grünen.
Schließlich sei fragwürdig, aus welchem Grund eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt werden soll: “Die Zuständigkeit des Landes ist klar, die fachliche Expertise der zuständigen Ämter voll ausreichend. Umfassende Statistiken und Bewertungen über die Sinnhaftigkeit von Erschließungen liegen vor, sodass alle Entscheidungsgrundlagen bereits gegeben sind. Ob sich Almenbesitzer mit dem Vorgutachten zufrieden geben und im Zweifelsfalle ihr Projekt nicht doch durchzudrücken suchen, bleibt offen”, heißt es weiter.
“Aus dieser Sicht wirkt die Arbeitsgruppe mehr als eine Beruhigungspille, als Ventil für weitere Erschließungen statt als kontrollierende Instanz. Das Vorgehen der Landesräte Theiner und Schuler dient mehr der Beschwichtigung der Landwirtschaft und ihrer Interessenvertreter als dem notwendigen Schutz der sehr überschaubaren Zahl unberührter Almen”, bemängeln die Grünen.