"Lebensraum mit öffentlichen Blumenwiesen ökologisch aufwerten"

Artenvielfalt: Gemeinden und Bürger können Beitrag leisten 

Freitag, 09. April 2021 | 12:15 Uhr

Bozen – Artenreiche, bunte Blumenwiesen erfreuen den Menschen. Sie sind auch Lebensraum für die vielen Insekten, welche für unser Ökosystem unverzichtbar sind. „Insekten sind die eigentliche Grundlage des menschlichen Wohlergehens“, meint der Ornithologe Florian Gamper. „Das Insektensterben hat leider auch Südtirol schon erreicht.“ Im Rahmen einer Kampagne sollen nun die öffentlichen Verwaltungen aufgefordert werden, brachliegende Flecken zu Blumenwiesen zu gestalten.

„Gerade Gemeindeverwaltungen verfügen über zahlreiche Nebenflächen, die ohne großen Aufwand einen ökologischen Mehrwert darstellen können“, erklärt Florian Gamper. Man denke nur an die vielen Bankette oder Böschungen entlang der Straßen und Radwege – oder jene an den Ufern von Flüssen und Bächen. Auch ganz zentral fänden sich sehr oft ‚brach liegende‘ Grundstücke. „Meist sind diese bereits begrünt. Wir regen dazu an, sie zu artenreichen, bunten Blumenwiesen umzugestalten. Damit werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.“

„Auch bunte Blumenwiesen sind in den vergangenen Jahren immer seltener geworden – der Mensch empfindet Freude daran: der Einheimische ebenso wie der Gast“, ist Florian Gamper überzeugt. Mit dieser subjektiv empfundenen Wahrnehmung gehe aber noch etwas viel Wichtigeres einher: „Artenvielfalt wirkt sich auf das Ökosystem aus – und trägt somit zum Wohlergehen des Menschen entscheidend bei.“ Natürliche Wiesen mit Blumen, Stauden, Hecken und Bäumen seien unverzichtbarer Lebensraum für eine Vielzahl kleiner Lebewesen.

„Die Zahl der Insekten nimmt dramatisch ab“, weiß Florian Gamper. Und nennt als Ursache den Menschen. „Er versiegelt die Böden, schafft monotone, überdüngte Landschaften, die zu intensiv genutzt werden – und ist sich der Schäden, die durch Herbizide und Pestizide entstehen, nicht bewusst.“ Hinzu komme selbstverständlich der weltweite Klimawandel; und auch die Lichtverschmutzung sei nicht außer Acht zu lassen. „Fehlen die Insekten, dann werden Wild- und Nutzpflanzen nicht mehr bestäubt – viele Früchte- und Gemüsesorten sterben somit aus.“

„Es verschwindet aber auch die Basis der Nahrungskette“, erläutert Florian Gamper. „Auch in Südtirol verringern sich die Vogelbestände in besorgniserregendem Ausmaß; zunehmend fehlt den Vögeln einfach die Nahrungsgrundlage.“ Der Ornithologe, der das bekannte Pflegezentrum für Vogelfauna Schloss Tirol führt, hat nun gemeinsam mit anderen Mitstreitern eine Kampagne „für mehr Blumenwiesen“ ins Leben gerufen: „Wir wenden uns an die Entscheidungsträger in den öffentlichen Verwaltungen: Sie sollen mit gutem Beispiel vorangehen – und Zeichen setzen.“

Alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, alle Referentinnen und Referenten und auch alle Mitglieder der Landesregierung erhalten in diesen Tagen ein umfangreiches Informationspaket: „Dieses erklärt die Situation – und gibt Handlungsempfehlungen: Es muss dringend etwas getan werden, sonst ist es zu spät“, meint Florian Gamper. Die Kosten hierfür seien gering, der Nutzen hingegen riesig. „Mithelfen können selbstverständlich auch private Gartenbesitzer und Hobbygärtner. Auch auf einem kleinen Balkon kann man schon etwas machen!“

SVP begrüßt nachhaltiges Biodiversitätskonzept

Aktuell sei Artenschutz in aller Munde. „Und das zu Recht“, meinen die Abgeordneten der SVP-Fraktion im Südtiroler Landtag und unterstreichen ihren Standpunkt: “Biodiversität muss ausgebaut, gelebt und gepflegt werden. Dazu braucht es ein nachhaltiges Biodiversitätskonzept mit Hand und Fuß. Dieses scheint nun auf den Weg gebracht.”

Das Konzept „Blumenwiese“, initiiert und ausgearbeitet von der Tageszeitung Dolomiten und dem Pflegezentrum für Vogelfauna, liefert zahlreiche interessante Aspekte und wertvolle Anregungen zur Erhaltung und Wiederherstellung von wertvollem Lebensraum für Insekten und Pflanzen. Auch die Opposition hat sich dieser Thematik verschrieben und legt dem Landtag kommende Woche zwei Beschlussanträge vor.

„Leider kommen beide Anträge etwas spät“, bemerkt SVP-Fraktionsvorsitzender Gert Lanz. „Wir haben seit kurzem ein ausgereiftes Konzept vorliegen, mit klaren Ideen, konkreten Maßnahmen und wertvollen Tipps. Dieses werden wir uns jetzt genauer anschauen und überprüfen, was sich wie, wo und wann umsetzen lässt. Das Konzept sieht eine starke Einbindung aller Gemeinden und aller Südtirolerinnen und Südtiroler vor. Das ist ganz in unserem Sinne und ein erster Schritt zu einem ‚blühenden Südtirol durch mehr Artenschutz‘“, sagt Lanz. Im Übrigen sei auch im Landwirtschaftsentwicklungskon zept des Landes der Biodiversität viel Raum gewidmet.

So sieht es auch Landtagsabgeordneter und Bauernvertreter Franz Locher. Im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie werde man Biodiversität selbstverständlich fördern. Die Harmonie mit der Landwirtschaft sei jedoch Voraussetzung für eine erfolgreiche Planung und Umsetzung der Maßnahmen. Locher: „Die Empfehlungen des Beratungsrings sind ins Konzept ‚Blumenwiese‘ aufgenommen worden. Ich denke, dass wir hier eine gute Basis haben, an der wir gemeinsam weiterarbeiten können.“

Für Lanz und seine Fraktion sind vor allem drei Punkte ausschlaggebend, die eine nachhaltige Biodiversitätsstrategie berücksichtigen muss: „Damit Biodiversität gelingen kann, bedarf es einer Symbiose von verschiedenen Ausgleichsmaßnahmen bei der Flächennutzung durch Infrastrukturen bzw. Gebäude, es braucht eine neu zu definierende landwirtschaftliche Nutzung von Flächen und auf alle Fälle die Sensibilisierung der Bevölkerung im Umgang mit der Natur“.

Team K: “Damit aus Vielfalt nicht Einfalt wird”

In der April-Landtagswoche stellt das Team K verständliche und umsetzbare Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität in den Fokus der Landtagsarbeit. Der Abgeordnete Peter Faistnauer verweist dabei auf den existentiellen Wert der Artenvielfalt und die Dringlichkeit, für deren Erhalt und Schutz ernsthafte Schritte zu setzen.

“Die biologische Vielfalt stellt einen unschätzbaren Reichtum für Mensch und Umwelt dar. Vor allem ist sie lebensnotwendig. Wir sind als Gesellschaft angemahnt, diese zu erhalten. Der Verlust an Biodiversität ist kein reines Umweltthema. Ein Ungleichgewicht in der Biodiversität hat gravierende Folgen auf alle Aspekte menschlichen Lebens. Sofortiges Eingreifen und konkrete Maßnahmen auf allen Ebenen sind darum dringend notwendig”, so das Team K.  Es fordert die Landesregierung auf, in die rasche Umsetzung gezielter Maßnahmen zu gehen.

Grüne: “Das Wohl von Bienen und Insekten liegt in unserer Hand”

“Wir Menschen gefährden das Überleben von Bienen und vielen anderen Insekten, die für die Bestäubung und das Überleben unseres Ökosystems notwendig sind. In der Landtagssitzung im April präsentiert auch die Grüne Fraktion einen Beschlussantrag zum Schutz dieser wertvollen Lebewesen.

Auch die kühlen Temperaturen dieser Tage können nicht drüber hinwegtäuschen, dass der Frühling endlich angekommen ist: Die Blüten der Kirsch- und Apfelbäume werden die Täler bald bunter machen und die Insekten sind schon fleißig am Bestäuben. Neben der allbekannten Honigbiene gibt es in Südtirol mehr als 500 Wildbienenarten, deren Existenz vielen unbekannt ist. „Jede und jeder von uns kann aber dazu beitragen, um das Überleben von Bienen und Insekten nachhaltig zu sichern: Im privaten Garten genügt eine wilde Ecke mit Steinen, Totholz und Wildpflanzen. Selbstgebastelte oder gekaufte Bienenhotels können am Balkon oder am Fenstersims angebracht werden, die Wildbienen werden das Angebot dankend annehmen“, erklärt Hanspeter Staffler, Erstunterzeichner des Beschlussantrags.

“Landwirte können auch vieles zum Schutz der Wildbienen unternehmen, zum Beispiel durch Reduzierung des Pestizideinsatzes und durch das Anlegen ökologischer Ausgleichsflächen, wie es die Agrios-Richtlinien vorsehen. Und auch Gemeinden tragen eine große Verantwortung: Öffentliche Brachflächen dürfen nicht versiegelt werden, denn sie bieten den Sandbienen Nistmöglichkeiten. Die Grüne Fraktion hat sich schon immer für den Schutz der Umwelt und der Artenvielfalt eingesetzt“ – unterstreicht Riccardo Dello Sbarba – „mit diesem Vorschlag schützen wir die kleinsten Wesen unseres Ökosystems“.

Von: luk

Bezirk: Bozen