Studie zeigt: Es gibt Alternativen

Braucht Südtirol ein Intermodalzentrum?

Mittwoch, 20. Mai 2020 | 10:28 Uhr

Bozen – Den kombinierten Güterverkehr zu fördern und die Straßen zu entlasten ist Ziel eines EU-Projekts, in dessen Rahmen Eurac Research die Situation in Südtirol analysiert hat

Lange Lkw-Schlangen und große Verspätungen auf der A22: Die Einführung von Kontrollen am Brenner im Zug der Covid-19-Pandemie hat den freien Warenverkehr in kritische Situationen gebracht. Drastisch wurde damit auch das Ausmaß des Schwerlastverkehrs über den Brenner vor Augen geführt: Auf keiner Alpentransitstrecke fahren im Jahresdurchschnitt pro Tag so viele Schwertransporte. 73 Prozent der Waren, die den Brenner im Jahr 2018 passierten, wurden auf der Straße transportiert, nur 27 Prozent auf der Schiene. Den Anteil der Schiene am Warenverkehr zu steigern, würde nicht nur die empfindlichen Ökosysteme des Alpenraums schonen – auch die Ein- und Ausfuhr von Gütern in Ausnahmesituationen wäre leichter zu garantieren. Doch um wettbewerbsfähig zu sein, braucht der kombinierte Güterverkehr effiziente Intermodalzentren, in denen die Fracht zwischen Lkw und Zug umgeladen wird. Derzeit gibt es in Südtirol kein solches Terminal. Sollte eines eingerichtet werden? Um auf diese Frage zu antworten, analysierten die Forscher, welches Frachtaufkommen von Südtiroler Unternehmen potenziell auf der Schiene befördert werden könnte, und holten die Meinung der Unternehmen sowohl zu einem möglichen  Intermodalzentrum in Südtirol wie zum bereits bestehenden in Trient ein. Die Studie ist Teil des europäischen Projekts SMARTLOGI und hat das Ziel, den kombinierten Güterverkehr entlang des Brennerkorridors zu verbessern.

In den vergangenen fünf Jahren hat der Schwerlastverkehr über den Brenner um 28 Prozent zugenommen. Trotz der Versuche, den Transport auf der Straße mit restriktiven Maßnahmen einzudämmen und jenen im Zug durch Anreize zu fördern, ist das Ungleichgewicht nach wie vor markant.  Notwendig wäre, den kombinierten Güterverkehr auszuweiten, also die Waren den größten Teil der Strecke auf der Schiene zu transportieren und nur die ersten und letzten Kilometer auf der Straße. Eine solche Strategie kommt nicht nur der Umwelt zugute. In Ausnahmesituationen wie der aktuellen bedeutet sie auch mehr Sicherheit für den internationalen Warenverkehr.

In Südtirol gibt es bisher kein Intermodalzentrum für das Umladen der Fracht zwischen Zug und Lkw. Wäre so ein Terminal ein geeigneter Weg, den Schwerverkehr auf den Straßen einzudämmen? Um diese Frage zu beantworten, haben die Forscher die Frachtmengen analysiert, die Südtiroler Unternehmen ein- und ausführen. Außerdem haben die Experten einen partizipativen Prozess mit Vertretern der Provinzverwaltung, der Handelskammer, der Unternehmen und der Spediteure angestoßen.

Die wichtigsten Märkte für Südtiroler Unternehmen sind Süddeutschland und Österreich – beide zu nahe gelegen, als dass der kombinierte Güterverkehr wettbewerbsfähig sein könnte: Dafür müssten die möglichen Zugstrecken länger sein. Außerdem sind Südtirols Bezugsmärkte so vielfältig, dass ein regelmäßiger Bahnverkehr nicht zu organisieren ist. Und nicht alle Produkte können auf der Schiene transportiert werden: Manche verlangen sofortige Lieferung, Termine stehen häufig erst knapp vorher fest; dagegen müssen Abschnitte im Güterzug frühzeitig gebucht werden und kurzfristige Änderungen sind kaum möglich.

Insgesamt gelte zu berücksichtigen, so die Forscher, was die Organisation kombinierter Transporte tatsächlich an Kosten und logistischem Aufwand bedeuten würde.

Eine sinnvolle Alternative zu einem Südtiroler Intermodalzentrum könnte die Nutzung des aktuell nicht ausgelasteten Intermodalzentrums von Trient darstellen, an dessen Betreiberfirma auch die Provinz Bozen beteiligt ist. Um seine Funktion zu verbessern, schlagen die Forscher mehrere  Maßnahmen vor,  etwa die Fahrzeugbegrenzungslinien der Züge den europäischen Standards anzupassen, die Züge so zusammenzusetzen, dass Verspätungen möglichst vermieden werden (zum Beispiel soll der erste einfahrende Güterwagen auch der erste ausfahrende sein) und neue technologische Lösungen wie GPS zu nutzen, um den Weg von Zügen und Waren genau verfolgen zu können.

Die Studie ist Teil des Projekts SMARTLOGI, das durch den europäischen Fond für regionale Entwicklung und das Kooperationsprogramm Interreg V-A Italien-Österreich 2014-2020 finanziert wird. Ziel ist es, in grenzüberschreitender Zusammenarbeit den kombinierten Güterverkehr zu fördern.

Von: luk

Bezirk: Bozen