Von: mk
Bozen – Es gilt als das modernste Wasserkraftwerk Italiens und als Vorzeigeprojekt internationaler Kategorie: das Wasserkraftwerk St. Anton in Bozen, das in 29 Monaten Bauzeit völlig neu errichtet wurde. Das unterirdisch im Porphyrfels angelegte Kraftwerk wurde am Samstag, 29. Oktober 2022, offiziell eröffnet – es wird als Meisterwerk in Sachen Innovation und Nachhaltigkeit, Effizienz und Ökologie sowie in punkto Architektur und Design bezeichnet.
Zum offiziellen Eröffnungsakt mit Segnung durch den Bozner Dekan Bernhard Holzer und im Beisein höchster Behördenvertreter kamen am Samstagvormittag mehr als 350 geladene Gäste – am Nachmittag war die spektakuläre unterirdische Anlage beim „Tag der offenen Tür“ für alle Interessierte zugänglich.
Das neue Wasserkraftwerk St. Anton wurde von der Eisackwerk GmbH neu errichtet, die es heute auch betreibt. Deren Eigentümer Hellmuth Frasnelli, Bauunternehmer aus Leifers, und Karl Pichler, Wirtschaftsprüfer aus Deutschnofen, berichteten von ihren Anfängen als Energieunternehmer: Vor rund 20 Jahren entschieden sie, sich um die damals zum ersten Mal in der Geschichte öffentlich ausgeschriebenen Großwasser-Ableitungen zu bewerben. Sie beteiligten sich an zwei Wettbewerben um die 30-jährigen Konzessionen und gewannen beide – jene für Mühlbach im Jahr 2011, jene für St. Anton im Jahr 2015.
Doch zunächst galt es, die Anlage neu zu planen – und letztlich neu zu errichten. Der technische Direktor Paolo Pinamonti berichtete von den Herausforderungen, denen man gegenüberstand. Es galt, die Stromproduktion zu erhöhen und dabei weniger Wasser zu verbrauchen, höhere Sicherheitsauflagen zu erfüllen und den Schwallbetrieb abzuschaffen, der in Spitzen-Produktionszeiten zu plötzlichem Wasseranstieg in der Talfer führte sowie das Ökosystem Fluss und das Wasserleben zu schützen.
Außerdem war es nötig, eine Rentabilität zu berechnen, welche erhebliche Umweltgelder in Höhe von 15 Prozent des Umsatzes und jedenfalls mindestens zwei Millionen Euro pro Jahr an die Anrainergemeinden möglich macht und die ganze Anlage so zu gestalten, dass das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird.
Die Lösung all dieser Aufgabenstellungen ist das heutige Kraftwerk St. Anton: ein von außen weder sicht- noch hörbares Elektrizitätswerk in einem System an unterirdischen, in den Porphyrfels des Hörtenberg gebohrten Stollen und Speicherbecken zum Ausgleich des Pegelstandes der Talfer; mit einer Maschinenhalle so groß wie die Grieser Pfarrkirche und drei hochmodernen Turbinen; mit unterirdischem Abtransport der elektrischen Energie in das öffentliche Stromnetz.
Das ursprüngliche Kraftwerk St. Anton war Anfang der 1950er Jahre errichtet worden – „seither haben sich die technischen Möglichkeiten für Planung, Bau und Ausrichtung eines Kraftwerks grundlegend verändert und unser Anliegen war es, die modernste und beste Lösung zu finden, die auch für die nachfolgenden Generationen noch nutzbar ist“, unterstrichen Frasnelli und Pichler.
Das heutige E-Werk St. Anton ist das modernste Wasserkraftwerk Italiens und das fünftgrößte in Südtirol. Es verfügt über eine Leistung von 90 Megawatt und produziert jährlich 300 Gigawattstunden an sauberer Energie – dies entspricht dem Jahresverbrauch von etwa 100.000 Familien in Südtirol, berichtete Pinamonti. Vier Jahre vergingen zwischen Übernahme der Konzession samt altem Kraftwerk und Inbetriebnahme der neuen Anlage am 6. Mai 2019 – inklusive Planung, Bau, Ausstattung und Anschluss.
Auf die erhöhte Sicherheit dank neuer, unterirdischer Anlage und vor allem Vermeidung des Schwallbetriebs wies auch Regierungskommissar Präfekt Vito Cusumano hin. Seit Bestehen des alten Kraftwerks fielen insgesamt 21 Menschen den plötzlich ansteigenden Wassermassen in der Talfer zum Opfer – dies gehört nun der Geschichte an. Und ist auch für die Umwelt – das Ökosystem Fluss – gut, wie Landeshauptmannstellvertreter und Energielandesrat Giuliano Vettorato betonte. Er verwies auch auf die Umweltgelder aus den Kraftwerkserträgen, mit denen in den Anrainergemeinden wichtige Umweltprojekte verwirklicht werden können.
Die Einsegnung des Wasserkraftwerks nahm Dekan Bernhard Holzer vor; für die musikalische Umrahmung der Feier sorgten der Domchor Bozen unter Leitung von Tobias Chizzali und die Musikkappelle Zwölfmalgreien mit Obmann Stefan Declara. Verena Pliger moderierte die Veranstaltung.