Von: mk
Bozen – Laut der vom AFI nach europäischem Standard geführten Erhebung der Arbeitsbedingungen arbeiten 29 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen mit hoher Einbeziehung. „Das heißt, sie können Arbeitsaufgaben großteils eigenständig entscheiden und werden ins betriebliche Geschehen eingebunden“, sagt AFI-Direktor Stefan Perini. „Damit liegt Südtirol in Sachen Einbeziehung der Mitarbeiter im EU-Durchschnitt“. Weniger erfreulich: Jeder Dritte der Befragten (33 Prozent) arbeitet für einen Arbeitgeber, der weder Gestaltungsspielraum gewährt noch aktive Mitarbeitereinbindung großschreibt.
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Der Begriff „Einbeziehung“ besteht in arbeitspsychologischer Hinsicht aus Gestaltungsspielraum und Einbindung. Der heute veröffentlichte AFI-Zoom belegt wissenschaftlich, warum Betriebe profitieren, wenn sie ihre Mitarbeiter einbeziehen. Als Grundlage dient die Europäische Erhebung zu den Arbeitsbedingungen EWCS (European Working Conditions Survey), die 2016 vom AFI | Arbeitsförderungsinstitut für Südtirol mit dem Ziel repliziert wurde, die lokalen Ergebnisse in den internationalen Kontext einzubetten zu können.
Südtirol im EU-Schnitt
Die Südtiroler Werte zum Thema Einbeziehung ähneln jenen im deutschsprachigen Ausland (28 bis 31 Prozent an Personen, die stark einbezogen werden) und liegen gleichauf mit dem EU-Durchschnitt. Besonders der Anteil an Arbeitnehmer, die in Organisationen mit hoher Einbeziehung arbeiten (29 Prozent), ist positiv zu bewerten. Deutliche Unterschiede ergeben sich hier zu Italien (21 Prozent), wo zu-dem 43 Prozent der Arbeitnehmer in Organisationen arbeiten, die ihren Mitarbeitern weder Freiräume noch Mitsprachemöglichkeiten einräumen. Doch auch jeder Dritte der Südtiroler Befragten (33 Prozent) arbeitet in schwach einbeziehenden Betrieben – das sind jene, in denen die Mitarbeiter in erster Linie „von oben“ angeordnete Aufgaben erledigen, ohne an Entscheidungsprozessen beteiligt zu wer-den.
Akademiker haben mehr Chancen, eingebunden zu werden
Viel Freiraum, viel Einbindung: Genau die Hälfte (50 Prozent) der befragten Südtiroler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Berufen, die einen Universitätsabschluss voraussetzen, ist laut Umfrage unter diesen arbeitspsychologisch günstigen Bedingungen tätig. In schwach einbeziehenden Organisationen und Unternehmen arbeiten hingegen überdurchschnittlich oft Hilfskräfte (59 Prozent), Hand-werker (52 Prozent) sowie Bediener von Anlagen und Maschinen (49 Prozent). Es hängt somit auch und vor allem vom Bildungsabschluss ab, ob Arbeitnehmer im Laufe des Berufslebens von ihren Unternehmen einbezogen werden oder nicht. Dagegen ist Mitarbeitereinbeziehung keine Frage des Geschlechts: Männer und Frauen (je 29 Prozent) arbeiten statistisch gesehen gleich häufig in Unternehmen und Organisationen, deren Spanne von hoch einbeziehend zu wenig einbeziehend reicht.
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Einbeziehung bedeutet mehr Arbeitsfreude und ein besseres Betriebsklima
Die EWCS-Erhebung ermöglicht es, diese statistischen Daten zum Thema Mitarbeitereinbeziehung mit konkreten Qualitätsmerkmalen in Verbindung zu setzen. „Ganz eindeutig zeigt sich etwa ein Zusam-menhang zwischen dem Betriebsklima und dem Ausmaß von Mitarbeitereinbeziehung: Wer Mitarbeiter einbezieht und ernstnimmt, gewinnt. Ein gutes Betriebsklima erhöht nicht nur das psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter, sondern wirkt sich auch messbar auf das Betriebsergebnis aus“, bestätigt der Arbeitspsychologe und AFI-Forscher Tobias Hölbling. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Arbeitsfreude: Mag der Unterschied von 0,4 Punkten zwischen Organisationen, die ihren Mitarbeitern viel Freiraum gewähren und/oder sie stark einbinden (Mittelwert 4,1 auf einer Skala von eins bis fünf), und jenen, die sie schwach einbeziehen (Mittelwert 3,7), auf den ersten Blick gering erscheinen, ist er doch statistisch signifikant. Die Auswirkungen sind jedenfalls weitreichend.
Gut einbezogene Arbeitnehmer arbeiten länger
Dies gilt auch für das gewünschte Pensionsantrittsalter der Befragten: In Südtirol geben 57 Prozent der Arbeitnehmer von Organisationen mit hoher Einbeziehung an, noch vor 60 in Rente gehen zu wollen (gegenüber 69 Prozent in Organisationen mit geringer Einbeziehung). 23 Prozent der befragten Arbeitnehmer von hoch einbeziehenden Unternehmen geben an, „so lange wie möglich“ arbeiten zu wollen; bei den gering einbezogenen Mitarbeitern liegt der Wert nur bei 19 Prozent.
„Wer Mitarbeiter einbeziehen will, sollte ihnen zunächst Gestaltungsspielraum in ihrem Arbeitsbereich zugestehen: Nicht nur ausführen, sondern auch planen dürfen, nicht nur abarbeiten, sondern auch selbst einteilen können. Das hält den Geist wach und motiviert. Mitarbeitereinbindung sorgt dafür, dass gute Ideen den Weg von unten nach oben finden, Fehlentwicklungen entdeckt und behoben werden, und dafür, dass sich die Mitarbeiter dem Betrieb verbunden fühlen“, erklärt AFI-Präsident Dieter Mayr.