Von: mk
Bozen – Innovative elektronische Komponenten im Zeichen der Kreislaufwirtschaft – das ist das Ergebnis eines interdisziplinären Projekts, in dem das Know-how mehrerer Fakultäten der unibz zusammenfließt. In den Labors der Universität im NOI Techpark wurde eine neue nachhaltige und ökologische Technologie getestet, für die aus Obstabfällen (Äpfel, Kiwis und Trauben) hergestelltes Papier als Substrat für flexible gedruckte elektronische Bauteile verwendet wird. Mögliche Anwendungsbereiche sind Biosensoren zur Überwachung von Körperfunktionen oder die Präzisionslandwirtschaft.
Der immer stärkere Einsatz elektronischer Geräte in einer digitalen Welt bringt neben einer Reihe von Vorteilen auch berechtigte ökologische und soziale Bedenken mit sich – ob hinsichtlich der Beschaffung von begrenzten Rohstoffen für ihre Produktion oder ihrer ordnungsgemäßen Entsorgung und Wiederverwertung. Die Notwendigkeit, nachhaltigere Alternativen für die Herstellung elektronischer Komponenten zu entwickeln und sie in einer Kreislaufperspektive wiederzuverwerten, wird auch vom Forschungsteam des Sensing Technologies Lab, des Labors für Nanotechnologie und Sensorik der unibz im NOI Techpark in Bozen unter Leitung von Prof. Paolo Lugli und Professorin Luisa Petti groß geschrieben. Gemeinsam mit internen und internationalen Partnern haben sie eine neue Technologie entwickelt, die Papier aus Obstabfällen zur Herstellung von gedruckten elektronischen Schaltkreisen verwendet.
Den Anstoß dazu gab ein interdisziplinäres internes Projekt der Forschungsgruppen von Prof. Lugli und Prof. Nitzan Cohen, Dekan der Fakultät für Design und Kunst, das schließlich durch weitere Forschende der Fakultät für Ingenieurwissenschaften (Prof. Niko Münzenrieder) und der Fakultät für Agrar-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften (Prof. Stefano Cesco, Prof. Tanja Mimmo und der Forscher Andrea Polo) sowie der Universitäten Trient, Padua und Sussex erweitert wurde. Finanziert wurde das Projekt auch durch ein bilaterales Projekt der Autonomen Provinz Bozen im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Südtirol und der Schweiz, das von Giuseppe Cantarella koordiniert wird.
Die Ergebnisse der Tests und die vom interdisziplinären Team entwickelte nachhaltige, biokompatible und abfallfreie Technologie werden in einem Paper unter dem Titel Laser-Induced, Green and Biocompatible Paper-Based Devices for Circular Electronics beschrieben, das in „Advanced Functional Materials”, einer der international führenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften im Bereich innovative Materialien, veröffentlicht wurde und sogar das Cover dieser Ausgabe inspiriert.
Innovation bei Produktion und Entsorgung
Für die Produktion der elektronischen Komponenten wird die Oberfläche eines Zellulosesubstrats, das aus den Reststoffen der Verarbeitung von Äpfeln, Kiwis und Trauben gewonnen wird, mittels Laserdruck karbonisiert. Die aus Obstabfällen hergestellten Papiersubstrate sind ein Ersatz für Zellstoff, der traditionell für die Herstellung von Substraten für solch flexible gedruckte Komponenten verwendet wird. Somit wird der Verbrauch einer natürlichen Ressource wie Holz verringert; gleichzeitig werden Lebensmittelabfälle sinnvoll verwertet. Durch unterschiedliche Laserparameter konnten die Forschenden elektronische Bauteile wie Kondensatoren, Biosensoren und Elektroden für Lebensmitteltests (z. B. zur Überprüfung des Reifegrads von Früchten) sowie zur Messung der Herzfrequenz und der Atmungstätigkeit entwickeln. Die auf Früchten basierende und völlig plastikfreie Zellulose hat sich auch als sehr geeignet für den direkten Kontakt mit menschlicher Haut erwiesen. Somit eignen sich solch biokompatible Komponenten auch für den Einsatz in Wearables und anderen Systemen, in denen Sensoren in Kontakt mit der menschlichen Haut kommen.
Die Verwendung eines natürlichen Substrats eröffnet aber auch gleich zwei neue Strategien für das Recycling der Komponenten. So können sie sich entweder innerhalb von 40 Tagen bei Raumtemperatur in Zitronensäure auflösen, eine beliebte und kostengünstige natürlichen Lösung ohne schädliche Rückstände. Als Alternative können sie als Pflanzendünger oder Bodenverbesserungsmittel wieder in die Natur eingebracht werden. Dank dieser Eigenschaften reicht das Einsatzgebiet für diese kostengünstige elektronische Technologie von Bereichen wie der Lebensmittelbranche über die medizinische Diagnostik, die Präzisionslandwirtschaft bis hin zum Internet der Dinge – und das ohne oder sogar mit positiven Auswirkungen auf das Ökosystem.
„Eine nachhaltige und energiesparende Technologie für die Herstellung elektronischer Geräte erfordert besondere Eigenschaften – wie die Nutzbarkeit der Methode auf großen Flächen, einen begrenzten Energieverbrauch und geringe Herstellungskosten. Unsere Technologie ist absolut nachhaltig, umweltfreundlich und zirkulär, da sie Papiersubstrate verwendet, die aus der Verarbeitung von Obstabfällen gewonnen werden, sowie eine Drucktechnik, die auf der Karbonisierung mittels eines einfachen Lasers beruht. All dies könnte einen wichtigen Schritt für die Vermarktung der Elektronik darstellen”, erklärt Prof. Paolo Lugli, Rektor der Freien Universität Bozen und Leiter des Sensing Technologies Lab.
Giuseppe Cantarella, bis vor seinen kürzlichen Wechsel an die Università di Modena e Reggio Emilia Professor an der unibz und Erstautor des Artikels, fügt hinzu: „Nachhaltigkeit ist ein Thema, das unsere Gesellschaft und unser Leben in vielerlei Hinsicht tangiert. Auch in der Welt der Forschung ist es notwendig, diese globale Herausforderung mit neuen Technologien anzugehen, die keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben, um unseren Planeten und die natürlichen Ressourcen zu schützen. Die Ergebnisse unserer Studie bereiten den Weg für eine neue Forschungsrichtung, in der elektronische Geräte mit einer drastischen Verringerung des Abfallaufkommens und unter Einsatz neuer CO2-armer Fertigungstechniken entwickelt werden können. Ich hoffe, dass auf diesen ersten Schritt noch viele weitere Forschungsprojekte zur nachhaltige Entwicklung von intelligenten Systemen und neuen Technologien in der Elektronik folgen werden.”