Wirtschaft ist optimistisch, Umweltschützer weniger

Endspurt für Raumordnung: Hoffnung und Kritik

Freitag, 18. Mai 2018 | 12:15 Uhr

Bozen – Nächste Woche wird die gesamte Sitzungsfolge der Südtiroler Landesregierung für die Behandlung des neuen Landesgesetzes für Raum und Landschaft benutzt. Wichtig sei, dass die Bedürfnisse aller Wirtschaftssektoren berücksichtigt werden und Betriebe neue Entwicklungsmöglichkeiten erhalten, betont lvh-Präsident Gert Lanz.

In Südtirol ist die Raumordnung vermutlich der erste Gesetzestext, der unter solch breiter Beteiligung entstanden ist und der so lebhaft diskutiert wurde. Zu betonen ist aber, dass das zukünftige Landesgesetz auch sehr umfassend und sektorenrelevant ist. Neben vielen anderen Verbänden und Organisationen hat auch der lvh zahlreiche neue Verbesserungsvorschläge eingereicht. „Ein besonderes Anliegen war uns die Beibehaltung der Dienstwohnungen mit 160m2, weil im Handwerk Leben und Arbeiten unter demselben Dach einfach unerlässlich ist“, erklärt der Präsident im Wirtschaftsverband für Handwerk und Dienstleister Gert Lanz. Im Plenum des Landtags soll diese Forderung des lvh nun endgültig im neuen Gesetz verankert werden. „Hierfür bedanken wir uns aufrichtig bei Landeshauptmann Arno Kompatscher, der unsere Erfordernisse ernst genommen hat“, fügt Lanz hinzu.

Dem Landtag wurden zahlreiche weitere Vorschläge unterbreitet. So hatte der Verband sich für die Möglichkeit der Ausweisung von neuen Gewerbezonen außerhalb der Siedlungsgrenzen ausgesprochen. Konkrete Lösungen erwarten sich die Handwerker für die Gebäude außerhalb der Siedlungsgrenzen, die nicht mehr für Produktionsprozesse genutzt werden. Ebenso klar definiert werden müssen der Wertausgleich sowie der Einzelhandel von landwirtschaftlichen Produkten und die Ausübung von Nebentätigkeiten. Gefordert hat der lvh außerdem, dass für Bauwerke in Gewerbegebieten keine Baukostenabgaben verlangt werden und es eine wirtschaftsorientierte Aufteilung der Erschließungskosten gibt.

„Bis das Gesetz im Jahr 2020 in Kraft tritt, haben wir konkrete Lösungen vorgeschlagen, um einen Stillstand zu verhindern. Nun sind wir zuversichtlich, dass das zukünftige Raumordnungsgesetz auch den Bedürfnissen von allen Wirtschaftssektoren Rechnung tragen wird und der Wirtschaft bei der Flächennutzung auch in Zukunft genügend Raum gegeben wird.“

„Der Landschaftsschutz bleibt auf der Strecke“

Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz hat sich in einem offenen Brief an die Südtiroler Landtagsabgeordneten gewandt. „Die Neuregelung sowohl der Raumordnung als auch des Landschaftsschutzes und die Zusammenführung beider Bereiche in einen einzigen Gesetzestext gehört zweifelsohne zu den bedeutendsten normativen Neuerungen in dieser Legislatur. Dieses Gesetz wird das Land Südtirol in den kommenden Jahrzehnten maßgeblich gestalten, verändern und prägen“, so der Dachverband. Dabei wird nicht mit Kritik an dem nun vorliegenden Entwurf gespart.

Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz habe sich über die gesamte Konsultations- und Ausarbeitungsperiode aktiv und konstruktiv in den Beteiligungsprozess eingebracht und eine ganze Reihe von Dokumenten mit Verbesserungsvorschlägen ausgearbeitet und übermittelt, heißt es in dem Brief.

„Leider mussten wir feststellen, dass es ein Beteiligungsprozess der zwei Geschwindigkeiten war. Lediglich auf der Grundlage von längst überholten Versionen, Entwürfen und Informationen am Gestaltungsprozess teilhaben zu können, ist auf Dauer frustrierend. Genauso, wie es unbefriedigend ist, die wiederholt vorgebrachten Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge nicht in die Entwürfe einfließen zu sehen“, erklärt der Dachverband.

Angeprangert wird außerdem, „dass im neuen Gesetzentwurf zwei Gesetzesmaterien – die Raumordnung und der Landschaftsschutz – zusammengefasst wurden, der Landschaftsschutz dabei aber leider auf der Strecke bleibt“.

Von der auch in der Verfassung verankerten Vorrangstellung des Landeschaftsschutzes sei im aktuellen Entwurf nicht mehr viel übrig. „Bereits in den Zielsetzungen wird deutlich, dass der Schutz unserer Landschaft mit konkurrierenden Anforderungen gleichgestellt wird. Zudem weitet das Gesetz den politischen Spielraum, vor allem auf Gemeindeebene weiter aus, etwa was Kommissionen, Siedlungsgrenze, Raumordnungesverträge oder Änderungen am Gemeindeplan betrifft. Landschaft, Landschaftsbegriff, Landschaftsschutz hingegen wurden im gesamten Entstehungsprozess relativiert.“

Emblematisch für diese gezielte Abwertung des Landschaftsschutzes sei beispielsweise das im Gesetzgebungsausschuss gestrichene Vorschlagsrecht für Umweltverbände. Die Liste der Ausnahmen für die Wirtschaftsbereiche, allen voran Landwirtschaft und Tourismus, sei mit jeder Überarbeitung des Entwurfs ausgedehnt und im Gesetzgebungsausschuss dann nochmals stark erweitert worden.

„Von einem Kompromiss kann schon lange keine Rede mehr sein, denn ein solcher setzt ein Entgegenkommen von beiden Seiten voraus. Was in den letzten zweieinhalb Jahren passiert ist, ist eine mehr als einseitige Ausrichtung und Abänderung des Entwurfs auf wirtschaftliche Partikularinteressen und lokalpolitische Einflussnahme. Das übergeordnete Allgemeininteresse an unverbrauchter Landschaft und sparsamen Umgang von Grund und Boden im Hinblick auf den Gestaltungsspielraum für zukünftige Generationen findet sich ebenso wenig, wie die Eckpunkte der dem Gesetzentwurf vorausgegangen Leitlinien“, so die Umweltschützer.

Zudem werde eine Reihe von Regelungen und damit direkte Auswirkungen auf Raum und Landschaft in diesem Gesetz noch gar nicht verankert, sondern auf rund zwei duzend Durchführungsverordnungen, welche noch nicht geschrieben sind, übertragen. Mit hrer Zustimmung zum Gesetzentwurf in dieser Form würden die Landtagsabgeordneten damit Ihren legislativen Auftrag und die Verantwortung blanko an die Exekutive übertragen.

Von: mk

Bezirk: Bozen