Von: apa
Das Wiener Marktamt hat alleine im September 200 Anzeigen wegen falscher Grundpreise, unrichtiger Mengenangaben oder fehlender Rabattkennzeichnungen in Supermärkten erstattet. Seit Jahresstart gab es 502 Strafanträge bei 1.215 Kontrollen. Im Fokus standen die vier größten Supermarktketten, so das Marktamt. Wirtschaftskammer und Handelsverband kritisierten zu viel Regulierung. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) bat um Versachlichung der hitzigen Debatte.
“Je schlechter ein Betrieb bei der Kontrolle abschneidet, umso häufiger führt das Marktamt Kontrollen durch”, betonte Marktamtsdirektor Andreas Kutheil. Das Sozialministerium rechnete in einer Aussendung vor: “Laut Wifo steigen die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak heuer um 3,8 Prozent, für 2026 wird ein weiterer Anstieg um 3,2 Prozent erwartet. Gleichzeitig konnten die großen Lebensmittelketten ihre Gewinne im Vorjahr um rund 60 Prozent steigern.” Diese Gewinnentwicklung stellte der Handelsverband mit Verweis auf die untersuchten Ketten – Spar, Rewe, Hofer, Lidl – vehement in Abrede. Die Gewinnsteigerung sei durchschnittlich unter zehn Prozent gelegen.
Preisschild und Ware nicht ident
Das Marktamt führte beispielhaft einige Vergehen der bekannten Handelsketten an: Es wurden Von-Bis-Preise ohne Zuordnung angegeben, die Mengenangaben auf den Preisschildern stimmten nicht mit den Produkten überein, bei Aktionsware im Non-Food-Bereich fehlten häufig die verpflichtenden Angaben zum günstigsten Preis der vergangenen 30 Tage. Oder es wurde Ware mit auffälliger Rabattierung beworben, ohne dass die gesetzlich vorgeschriebenen Grundpreise angegeben waren.
Dazu stellte Kutheil klar: “Preisauszeichnung ist kein Wunschkonzert, sondern gesetzlich geregelt. Wenn sich der Inhalt ändert oder ein Rabatt beworben wird, muss das klar und nachvollziehbar im Regal stehen. Alles andere ist Täuschung.”
Gesetz gegen “Shrinkflation” angekündigt
Die Regierung will laut Ulrike Königsberger-Ludwig, Staatssekretärin für Konsumentenschutz (SPÖ), “faire Preise im Regal” und dahingehend auch ein Gesetz zur Kennzeichnung von sogenannter Shrinkflation mit immer weniger oder qualitativ schlechterem Inhalt bei gleichem oder steigendem Preis, bekräftigte sie gegenüber mehreren Zeitungen am Mittwoch bereits erfolgte Ankündigungen. Insgesamt brauche es “klare Regeln, konsequente Kontrollen und ein Ende der Tricksereien auf Kosten der Konsumentinnen und Konsumenten”.
WKÖ: Kontrolle OK, nicht erfüllbare Vorgaben nicht OK
“Niemand hat ein Problem mit Kontrolle – aber wir haben ein Problem mit Vorschriften, die in der Praxis schlicht nicht erfüllbar sind”, sagte Christian Prauchner, Obmann des Lebensmittelhandels in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), in einer Aussendung. “Wenn man Unternehmen abstraft, die sich bemühen, Regeln umzusetzen, die technisch oder logisch gar nicht umsetzbar sind, läuft etwas grundsätzlich falsch.”
Handelsverband kritisiert “Regulierungs-Overkill”
Die veröffentlichte “Zwischenbilanz” sei intransparent, schwammig und zeichne ein verzerrtes Bild der wirtschaftlichen Realität, monierte der Handelsverband (HV), der Interessen des Handels und damit auch der untersuchten Lebensmittelhändler vertritt, in einer Aussendung. Vereinzelte fehlerhafte Etiketten oder Aktionshinweise seien nie ganz vermeidbar – aber sie würden laufend verbessert und korrigiert.
Der hiesige “Regulierungs-Overkill” verursache “einzelne Fehler”, so HV-Geschäftsführer Rainer Will. “Die regulativen Vorschriften zur Auszeichnung von Preisen und Rabatten sind in kaum einem Land weltweit so streng wie in Österreich.” Tatsächlich würden fast alle der vom Wiener Marktamt beanstandeten Punkte auf Formfehlern oder technischen Umstellungen beruhen – nicht auf Täuschungsabsicht, so Will. Allein das Thema “richtig werben mit Rabatten” sei in Österreich mittlerweile derart komplex reguliert, dass der Handelsverband mit einer Rechtsanwaltskanzlei einen 16-seitigen Leitfaden für Händler und Nahversorger veröffentlicht habe. Der Leitfaden sei eben erst in einem Schulungstermin für Händler vorgestellt worden, das Wiener Marktamt habe auf Einladung des HV “bedauerlicherweise” keine Fachleute zur Verfügung gestellt.
Hattmannsdorfer: Kontrollschwerpunkt bleibt
Die starken Preisanstiege in den Supermärkten treiben die Politik schon länger um. Ein Gesetzesvorschlag gegen versteckte Preiserhöhungen soll wie berichtet noch heuer erarbeitet werden, hatte etwa Hattmannsdorfer vor einigen Wochen angekündigt. Am Mittwoch plädierte er dafür, die “Diskussion zu versachlichen, denn wenn wir die Inflation wirklich in den Griff bekommen wollen, müssen alle an einem Strang ziehen – von den Landwirten über die Lebensmittelindustrie bis hin zum Handel.”
Gemeinsam mit Statistik Austria und der Bundeswettbewerbsbehörde werde man, so der Wirtschaftsminister, die Preisentwicklung und einzelne Fälle deshalb sorgfältig analysieren und auf dieser Basis gezielt handeln. “Zudem setzen wir mit einem Kontrollschwerpunkt gegen irreführende Rabatte, klaren Regeln bei der Grundpreisauszeichnung und Maßnahmen gegen Shrinkflation weitere Schritte für mehr Transparenz.”
“Österreich-Aufschlag” und Mehrwertsteuer
Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel scheint nicht nur aufgrund der äußerst schwierigen budgetären Situation in Ferne, sondern auch wegen Uneinigkeit innerhalb der Regierung. Die ÖVP ist kritisch, die NEOS sind dagegen, SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer sieht den finanziellen Spielraum nicht, während Parteichef Andreas Babler Sympathien für einen solchen Schritt erkennen lässt. Lebensmittelindustrie und Agrarier lehnen Preiseingriffe ab. In der Regierungsklausur Anfang September wurde im Kampf gegen die Teuerung bei den Lebensmittelpreisen vor allem auf die EU und die Beseitigung des “Österreich-Aufschlags” verwiesen.
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