Von: luk
Bozen – Fast 40 Prozent der Arbeitskräfte in Italiens Landwirtschaft sind laut einem Bericht der Beobachtungsstelle Placido Rizzotto von verschiedenen Formen der Arbeitsausbeutung betroffen. Mit dem auf zwei Jahre angelegten Projekt FARm (Modello di Filiera dell’Agricoltura Responsabile) wollen vier Universitäten, darunter die Freie Universität Bozen, gemeinsam mit öffentlichen und privaten Partnern in den Regionen Trentino-Südtirol, Veneto und Lombardei Präventionsarbeit leisten, Vorzeigeprojekte bekannt machen und ein Netzwerk mit allen Stakeholdern knüpfen.
Eine nachhaltige Lebensmittelproduktion beinhaltet nicht nur ökologische und wirtschaftliche, sondern auch soziale Aspekte. Zentral sind dabei die Arbeitsbedingungen für landwirtschaftliche Arbeitskräfte. In Italien verstoßen mit 39 Prozent mehr als ein Drittel aller Arbeitsverhältnisse in diesem Bereich gegen rechtliche Vorschriften, rüttelt der vierte Bericht über die Agromafia und Ausbeutung in Italiens Landwirtschaft der CGIL-Beobachtungsstellle Placido Rizzotto auf. „Dabei geht es nicht nur um die Frage der Schwarzarbeit”, sagt Professorin Susanne Elsen von der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen. „Es gibt selbst bei legalen Arbeitsverhältnissen unterschiedlichste Formen der Arbeitsausbeutung – von menschenunwürdigen Unterkünften über fehlende Ruhetage bis hin zu finanzieller Ausbeutung und illegaler Vermittlung.“
Bewusstsein für die Problematik, ihre Ursachen, aber auch für vorbildliche Praktiken in diesem Bereich soll mit dem auf zwei Jahre angelegten Forschungsprojekt FARm geschaffen werden. Eine mit finanziellen Mitteln der EU und des italienischen Innenministeriums geförderte Zusammenarbeit von vier Universitäten unter Leitung der Universität Verona mit mehr als einem Dutzend privaten und öffentlichen Partnern in den jeweiligen Regionen. Wissenschaftlicher Partner in Südtirol ist die Fakultät für Bildungswissenschaften der unibz mit Prof. Susanne Elsen und den Forscherinnen Sara Franch und Franca Zadra, die für das Projekt mit der Vereinigung “La Strada/Der Weg“ zusammenarbeiten. Im Speziellen wird dafür das Projekt ALBA, das von La Strada und zwei weiteren Organisationen zur Präventionsarbeit im Bereich Frauenhandel gegründet wurde, um diesen Interventionsbereich erweitert.
„Wir haben zwar noch keine konkreten Ergebnisse für Südtirol, aber alle bisherigen Aussagen lassen darauf schließen, dass das Phänomen der Ausbeutung und illegalen Vermittlung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte hierzulande weniger stark ausgeprägt ist als in anderen Teilen Italiens“, erklären die beiden Forscherinnen Sara Franch und Franca Zadra. Genauere Ergebnisse werden die Erhebungen liefern, die seit dem Projektstart in der ersten Jahreshälfte in Form von Interviews mit verschiedensten Stakeholdern wie Gewerkschaften, Südtiroler Bauernbund, Raiffeisenverband Südtirol, Landesämtern oder Ordnungskräften geführt werden. „Neben einem genaueren Überblick über die Ist-Situation zielt unser Projekt vor allem auf Prävention und die Schaffung eines Netzwerks zwischen privaten und öffentlichen Akteuren ab, das sich entschieden gegen illegale Arbeitsvermittlung und Ausbeutung in der Landwirtschaft stellt“, sagt Projektkoordinatorin Susanne Elsen.
Basis für diese Anstrengungen ist der dreijährige Nationale Aktionsplan “Piano triennale di contrasto allo sfruttamento lavorativo in agricoltura e al caporalato“. Der Fokus des Projekts FARm wird auf vier Schwerpunkte gelegt: das Sichtbarmachen kritischer Arbeitsbedingungen von landwirtschaftlichen Arbeitskräften, Bemühungen zur sozialen Inklusion von Personen, die besonders stark von einer solchen Ausbeutung bedroht sind, der Arbeit an innovativen organisatorischen und technologischen Lösungen zur privaten und öffentlichen Vermittlung von Arbeitskräften im Bereich Landwirtschaft und der Selbstregulierung von Arbeitgeberverbänden durch das Aufzeigen von Best Practices.