In Südtirol steigen Kündigungen nach Geburt des Kindes

Fördert der Staat die Frauenarbeitslosigkeit?

Donnerstag, 03. August 2017 | 10:03 Uhr
Update

Bozen – In Südtirol steigen Kündigungen von Frauen nach der Geburt eines Kindes. Für Landesrätin Deeg ist klar: „Der Staat fördert die Frauenarbeitslosigkeit“, und zwar mit der attraktiven Arbeitslosenunterstützung.

Im ersten Lebensjahr des Kindes ist eine freiwillige Kündigung einer Entlassung gleichgestellt – und es gibt 24 Monate Arbeitslosengeld. Zudem erleichtern oft gute Aussichten auf einen Job eine Kündigung.

Jede vierte Mutter kündigt im ersten Lebensjahr ihres Sprösslings ihr Arbeitsverhältnis auf. Diese Tendenz ist leicht steigend: Warfen 2014 noch 628 Mamis das Handtuch, so waren es 2016 schon 713. Und noch eine Zahl: 40 Prozent der Mütter sind selbst acht Jahre nach der Kündigung nicht wieder berufstätig.

Was meint ihr zu dem Thema? Wir sind gespannt auf eure Kommentare!

Mehr dazu erfahrt ihr in der heutigen Ausgabe des Tagblatts Dolomiten!

 

ASGB: “Kündigungen nach Geburten sind oft nicht verwunderlich”

Der Vorsitzende des Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbundes (ASGB) Tony Tschenett kann die Erklärung der Landesrätin Waltraud Deeg, wonach die hohe Kündigungsrate nach der Geburt der attraktiven Arbeitslosenunterstützung geschuldet wäre, nicht nachvollziehen, viel eher hätten viele Mütter keine anderen Möglichkeiten, da viele kleine Betriebe in den hauptsächlich betroffenen Sektoren Dienstleistungen und Handel schlichtweg keine Teilzeit anbieten könnten.

„Fakt ist, dass viele Mütter dazu tendieren, nach der Geburt des Kindes für Teilzeit zu optieren. Diese Möglichkeit bieten aber viele Kleinbetriebe den Bediensteten nicht an. Diese Tatsache stellt die Mütter oft vor die Wahl für oder gegen die Familie, mit der nachvollziehbaren Entscheidung pro Familie. Die nicht vorhandene Arbeitsflexibilität würde die Mütter ansonsten zwingen, neun Monate alte Kinder den ganzen Tag in den Kinderhort zu schicken – ein unzumutbarer Umstand. Bereits im Jahr 2015 hat der ASGB eine Fragebogenaktion zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ gestartet. Einer der Hauptwünsche der Familien waren gesicherte Teilzeitarbeitsplätze mit Rentenabsicherung bzw. eine Arbeitsplatzerhaltung auch in der Privatwirtschaft“, schreibt Tony Tschenett in einer Presseaussendung.

„Der ASGB hat damals die Wünsche der Eltern sehr ernst genommen und gefordert, dass die politischen Verantwortungsträger die Resultate der Befragung zum Anlass nehmen, die Familien zu entlasten. Diese damals deponierte Forderung bleibt natürlich aufrecht. Genauso fordern wir, dass Mütter frei entscheiden können, ihren Nachwuchs die ersten zwei Jahre Vollzeit zu betreuen, mit dementsprechender Rentenabsicherung, die das Land übernimmt. Durch gezieltes Umschichten, würde der Landeshaushalt problemlos die entstehenden Zusatzspesen verkraften. Es darf keine Unterschiede zwischen öffentlichen Dienst und Privatwirtschaft geben – die Rechte der Mütter sind unbedingt anzugleichen“, schließt Tschenett.

 

“Mamas im Bereich Handel, Turismus und Dienstleistungen zur Arbeitslosigkeit gezwungen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu managen”

“Die Daten die gestern Landesrätin Deeg in einem Interview vorgestellt hat, betreffend die freiwilligen Kündigungen von jungen Mütter, sind kein Neuigkeit für die Gewerkschaft. Sie unterstreichen vielmehr eine Realität mit der unsere Kategorie täglich zu kämpfen hat”, Angelika Carfora von UILTuCS.

Die Daten im Interview (eine Frau auf vier kündigt ihr Arbeitsverhältnis im ersten Kindesjahr) bekräftigen einmal mehr, dass Familienarbeit meistens Frauensache ist und vor allem in einigen Bereichen, Mütter es sehr schwer haben die Geburt eines Kindes mit der Erwerbstätigkeit zu vereinbaren. Dadurch sehen sie sich oftmals gezwungen, die einzig mögliche Lösung wahrzunehmen: Innerhalb des ersten Jahres des Kindes ihren Job zu kündigen, damit sie die folgenden 24 Monate das Arbeitslosengeld beanspruchen können. “Als UILTuCS finden wir die Überlegungen zu dieser Problematik seitens der Landesrätin, irreführend und Frauen gegenüber, kränkend. Die Verantwortung für diese Entscheidung tragen nicht die Mütter, die keineswegs Arbeitslosigkeit einer Beschäftigung vorziehen.”

Der Generalsekretär der UILTuCS, Walter Largher, unterstreicht diesbezüglich: „Unsere Erfahrung bestätigt, dass es nicht im Willen der Mutter ist, Arbeitslosengeld zu beziehen, sondern es ist vielmehr die wilde Liberalisierung der Öffnungszeiten im Handel, 7 Tage auf 7, 365 Tage im Jahr, die vielen Frauen und Familien keine Verein-
barung zwischen Familie und Beruf ermöglicht. Tatsächlich beweisen die Daten, dass dies eine Besonderheit der Sektoren Dienstleistungen und Handel ist, während in anderen Bereichen das Problem viel weniger ausgeprägt zu sein scheint.“

Das Problem werde im Moment der Wiederkehr ins Berufsleben noch umfangreicher: „Die Arbeitgeber in unserem Sektor unterzeichnen selten Arbeitsverträge auf unbe-
stimmte Zeit oder Vollzeit. Schier unmöglich ist es für junge Mütter dann auch einen Part-time Job zu erhalten, der die Erziehung der Kinder bis zum 10/12. Lebensjahr mit dem Berufsleben vereinbart. Dies gilt übrigens auch für Väter die nach einer Babypause ins Berufsleben zurückkehren wollen. Ein Phänomen, das längerfristig sich auch als Schaden für die Unternehmen erweisen wird – so Angelika Carfora Gewerkschaftsfunktionärin der UILTuCS – denn dadurch verlieren sie bereits ausgebildete und professionelle Arbeiterinnen; von den eingebüßten Pensionsbeiträgen, seitens der Frauen die gezwungen werden diese Wahl zu treffen, ganz zu schweigen.“

Die UILTuCS ist davon überzeugt, dass Lösungen auch durch die Landespolitik geschaffen werden können, denn es werde bereits zu lange darüber gesprochen, ohne, dass wirklich tatkräftig und zielführend eingegriffen wird. “Deshalb richten wir unser Anliegen auch an Landesrätin Deeg, die bekräftigt von den Daten, die Sozialpartner des Sektors einberufen sollte, um umgehend gemeinsam Lösungen für diese Problematik zu finden.”

 

Von: luk

Bezirk: Bozen