Wenn Kita, Kiga und Schule schließen

Frauen in der Krise

Mittwoch, 18. November 2020 | 20:22 Uhr

Bozen – In Pandemiezeiten wird deutlich, dass staatlich organisierte Bildung und Betreuung keine Selbstverständlichkeit sind. Schnell zeigt sich, dass Unterrichtsversuche Zuhause kläglich scheitern und sich Bildungsrückstände ergeben. Jene Personen, die in Pandemiezeiten einer Arbeit nachgehen können, stellen sich die Frage, wohin mit den eigenen Kindern, wenn ein längerer Lockdown ansteht. Große Klassen mit bis zu 25 Schülern erwiesen sich bereits vor Corona als bedenklich, nun – in Pandemiezeiten und in der kalten Jahreszeit – kann selbst häufiges Lüften steigende Infektionszahlen nicht bremsen. Das Infektionsgeschehen “draußen” macht vor dem “Drinnen” der Schulen nicht Halt. Zu wenig Personal und Räumlichkeiten führten zu in die Höhe schnellende Infektionszahlen und einer Schließung der Schulen. Die Umstellung auf Präsenzunterricht für Kinder von Eltern systemrelevanter Berufe sowie die Gleichzeitigkeit von synchronem und asynchronem Unterricht verlangten vom Lehrpersonal einiges ab. Nun stellt sich die Frage, wie es weiter gehen soll. Eltern fordern eine schnelle Wiederöffnung von Kita, Kiga und Schulen. Doch was, wenn die Zahlen nicht besser werden? Die Gesundheit des Schulpersonals und der Kinder darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Weiters zeigt sich erneut, dass Frauen in Südtirol selbst im Jahr 2020 mit der Familiengründung traditionell in eine ungünstige Lage geraten. Fallen Kita, Kiga und Schule auch nur eine Woche lang weg, rufen sie nach Unterstützung und nicht die Männer. Im traditionellen Südtirol verteilt sich die Arbeit in Lockdownzeiten nach dem klassischen Rollenbild, das leider immer noch nicht vom Tisch ist. An neuen Modellen der Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern wird gesellschaftlich und politisch nach wie vor viel zu wenig gearbeitet.

Frauengruppen haben sich zusammengeschlossen und fordern nach der Schließung von Schulen, Kiga und Kita eine baldige Öffnung:

“Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war bereits vor Corona keine leichte Aufgabe. Viele Kündigungen innerhalb des ersten Lebensjahres, erhöhtes Prekariat bei Frauen, geringe Elternzeit der Väter und eine ungleiche Verteilung der Haus-, Betreuungs- und Pflegezeiten charakterisierten das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Corona hat dieses Ungleichgewicht verschärft. Mit der von der Dringlichkeitsmaßnahme des Landeshauptmannes Nr. 68/2020 vom 12.11.2020 verordneten Schließung der Kleinkindbetreuungs- und Bildungseinrichtungen, vorerst für eine Woche, spitzt sich die Situation zu. Die größten Frauen- und Familienorganisationen fordern von der Landesregierung die umgehende Öffnung derselben nach dem Vorbild Österreichs. Durch die Corona-Pandemie befinden wir uns in einem Ausnahmezustand, der bestehende Ungleichheiten deutlicher denn je zu Tage treten lässt. Erste Studien zu den Folgen auf die betroffenen Personengruppen liegen bereits vor. Was Frauen betrifft, ist klar, dass sie trotz ihrer Leistungen in Familienarbeit und bezahlter Erwerbstätigkeit bei der Planung der Maßnahmen zur Abmilderung der Krisenfolgen zu wenig berücksichtigt wurden. Denn die Rechnung ist einfach: Frauen haben bereits vor Corona laut dem nationalen Statistikinstitut ISTAT fünf Stunden und 39 Minuten im Vergleich zu den zwei Stunden und 16 Minuten der Männer, im Tagesdurchschnitt, Hausarbeit verrichtet. Durch die Corona-Krise hat folglich die Doppelbelastung von Frauen wesentlich zugenommen. ISTAT bestätigt in ihrem Jahresbericht 2020 die gewachsene Kluft in der Familienarbeit zwischen den Geschlechtern. Auch die Studie von IPSOS We World bestätigt dies: 60 Prozent der italienischen Frauen geben an, während der Corona-Pandemie alleine für die Betreuung der Kinder und Assistenz pflegebedürftiger Familienangehöriger verantwortlich gewesen zu sein – dies oft neben den beruflichen Verpflichtungen. Bei Frauen im Alter von 31 – 50 Jahren geben sogar 71 Prozent an, die Familienarbeit alleine zu erledigen. Dies ist auch die Altersgruppe mit dem höchsten Anteil an kleinen Kindern. Die Schließung von Kleinkindbetreuungs- und Bildungseinrichtungen hat die Situation für die hauptverantwortlichen, oft berufstätigen, Frauen zusehends verschlechtert. Viele Frauen sind an die eigenen Belastungsgrenzen gestoßen, die langfristigen Folgen auf ihre Gesundheit, die weibliche Erwerbstätigkeit und die Rentensituation werden sich noch zeigen. Die monatelange Isolation und die darauffolgenden Einschränkungen haben jedoch nicht nur wesentliche Folgen für die Frauen, sondern auch auf die Kinder und Jugendlichen, ältere Menschen und die gesamte Familie. Erste Studien liegen auch hier vor und warnen vor einer erneuten Schließung und somit Isolation von Kindern und Jugendlichen. Bereits jetzt zeigt die steigende Zahl der Schulabbrecher, welche wichtige Rolle die Schule für die Motivation und die Ausbildung der Jugendlichen hat. Ohne Ausbildung werden sie es in ihrem Leben nicht leicht haben und riskieren sich mit prekären Jobs begnügen zu müssen, mit allen damit zusammenhängenden Folgen. Auch für Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen und deren Familie bedeutete die Schulschließung häufig Isolation. Mit Besorgnis wurde die erneute Schließung der Betreuungs- und Bildungsdienste, mit Ausnahme eines Notdienstes und vorerst auf eine Woche beschränkt, von den Frauenorganisationen registriert. Eine längere Schließung würde die bereits bestehenden negativen Auswirkungen für die betroffenen Eltern, Kindern, Jugendlichen und Familie ins Untragbare steigern. Dies auch deshalb, weil wirtschaftliche Tätigkeit nur dann möglich ist, wenn Betreuung und Bildungsmaßnahmen garantiert werden. Aus diesem Grunde fordern die unterzeichnenden Organisationen von der Südtiroler Landesregierung angehört zu werden und die umgehende Umsetzung folgender Punkte:

– Kleinkindbetreuung- und Bildungseinrichtungen öffnen und Präsenzunterricht garantieren
– Ein besonderes Augenmerk auf vulnerable Kinder und Jugendliche richten
– Transportmittel zur Beförderung der Schülerinnen, Schüler und Werktätigen potenzieren
– Eine Potenzierung der Dienste zur Abfederung psychologischer Folgen für Kinder und Jugendliche gewährleisten
– Präventionsarbeit zur Vermeidung von Schulabbruch leisten
– eine geschlechtergerechte Krisenpolitik umsetzen

Die unterzeichnenden Organisationen:
Landesbeirat für Chancengleichheit für Frauen
Gleichstellungsrätin
Katholische Frauenbewegung
Südtiroler Bäuerinnenorganisation
Beirat zur Förderung des weiblichen Unternehmertums
Familienverband
Allianz für Familie
Frauennetzwerk Wnet
KVW-Frauen”

Um die Pandemie zu bremsen sollte sich die Bevölkerung am Wochenende auf Covid-19 testen lassen. Kinder ab 5 Jahren können getestet werden. Kita, Kiga und Schule können nur arbeiten, wenn der Virus nicht ungebremst sein Unheil treiben kann. Daher ist das Testen der ganzen Familie am Wochenende der Massentestungen sehr wichtig. Mitmachen.

Von: bba

Bezirk: Bozen