Von: bba
Bozen – Morgen schon ist Welttag der Hebammen. Angesprochen sei die zentrale Arbeit der Hebammen, die nicht wegzudenken ist. Eine Geburt ohne das Beisein des Partners ist kein Problem und eher eine Modeerscheinung, die Anwesenheit einer Hebamme hingegen ist essentiell. Vieles gehört zum verantwortungsvollen Beruf der Hebamme dazu – nur werdende Mütter erfassen die Wichtigkeit dieser Berufsgruppe. Aus diesem Grund sei daran erinnert, dass Hebammen vom System oft vergessen werden beziehungsweise nicht ausreichend gewürdigt werden – auch in finanzieller Hinsicht. Der Beruf der Hebamme hat eine lange Tradition und war seit jeher in Frauenhand. Durch die Medikalisierung der Geburt gerieten Geburtshelferinnen zu Unrecht in den Schatten der Ärzteschaft.
“Corona hat vieles außer Kraft gesetzt, nur das Gebären nicht. Der Gesichtsschutz hat die Hebammen von den Gebärenden zwar ‘entfernt’, doch ihrer Beziehung zu den fast 1.000 Gebärenden der vergangenen neun Wochen hat das nicht geschadet. Im Gegenteil: Während Männer ihre Partnerinnen nicht mehr ins Krankenhaus begleiten durften, haben Hebammen die werdenden Mütter mit ihren Ängsten und Sorgen aufgefangen. Die Urkräfte der Gebärenden seien noch sichtbarer geworden. Hausgeburten wurden verstärkt nachgefragt. Ein Geburtshaus hätte die Situation entschärfen können. Zum morgigen Welttag zeigt die Südtiroler Hebammenkammer Stärken und Schwächen des Systems auf. Heuer wird der Hebammentag zum 30. Mal begangen. Es ist ein denkwürdiger Feiertag. Die Corona-Krise zeigt wieder einmal, dass die Arbeit der Hebammen bei der Betreuung von Schwangeren, Müttern und Kindern in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. In den vergangenen Corona-Wochen stand das Ärzte- und Pflegepersonal ständig im medialen Mittelpunkt. Auf die 209 Südtiroler Hebammen wurde fast gänzlich vergessen. Sie arbeiten im Krankenhaus, im Sprengel oder freiberuflich; unkomplizierte Geburtsverläufe begleiten Hebammen alleine. Arzt oder Ärztin kommen bei Besonderheiten oder im Krankheitsfall dazu. In den vergangenen Wochen wurden in den Südtiroler Krankenhäusern viele Vorsorgeuntersuchungen und ambulatoriale Dienste ausgesetzt. Hebammensprechstunden haben immer stattgefunden. Sprengeldienste wurden zwar reduziert, aber durch Telefondienste ausgeglichen. In der Corona-Zeit sind Aufklären und Beruhigen mit zu den wichtigsten Aufgaben der Hebammen geworden: Schwangere suchen Sicherheit in der Ungewissheit, fragen nach Schutzvorkehrungen und Untersuchungsterminen. Die Telefone in den Geburtenabteilungen standen nicht mehr still. Die Zahl der anwesenden Hebammen pro Turnus wurde landesweit aufgestockt. So konnte die Eins-zu-eins-Betreuung gesichert werden. Der zusätzliche Bedarf an Hebammen wurde besonders deutlich. Vor kurzem hat die Landesregierung den Neuzugang von 30 Hebammen genehmigt. Die Ausschreibungen werden in den nächsten Monaten erfolgen. Sara Zanetti begrüßt diesen Schritt. Hebammen sind den gebärenden Frauen und Babys am nächsten. Trotz des Abstands durch Mund-, Nasen- und Augenschutz habe sich die emotionale Nähe zu den Gebärenden verstärkt, sagt Sara Zanetti. Sie ist seit zwei Jahren Vorsitzende der Südtiroler Hebammenkammer, arbeitet seit 15 Jahren als Hebamme und seit dreieinhalb Jahren in der Geburtsabteilung des Krankenhauses Brixen. Die größte Sorge galt in den vergangenen Wochen dem Personalausfall durch Corona-Infektion. Wassergeburten sind seit Ausbruch der Pandemie reduziert worden. Hygienemaßnahmen, verschärft und parallele Kreißsäle eingerichtet worden. Dort werden positiv getestete Frauen durch die Geburt begleitet. Die Symptome des Virus zeigen sich bei den betroffenen Frauen meist erst nach dem Entbinden. Überdurchschnittlich viele Geburten seien erst nach den errechneten Terminen eingetreten. Werdende Väter durften ihre Partnerinnen fünf Wochen lang nicht mehr zur Geburt begleiten. Gebärende Frauen seien immer Heldinnen, sagt Sara Zanetti, in der Corona-Zeit ganz besonders: Zwischen den werdenden Müttern und den Hebammen seien unausgesprochene Allianzen entstanden, sagt sie. Auch wenn die Augen der Fachkräfte mit Schutzbrille verdeckt sind, fasziniert Sara Zanetti die Kraft der Kommunikation mit den Augen. Wenn Frauen sich in der Schwangerschaft intensiv mit den körperlichen Veränderungen auseinandersetzen und ihrer Urkraft vertrauen, können sie alles schaffen, auch ohne Partner. Das haben die fast 1.000 Gebärenden in den vergangenen neun Wochen fast tausendfach bewiesen. Alternativen wie Hausgeburten wurden verstärkt nachgefragt. Hausgeburten begleiten freiberufliche Hebammen. Deren gibt es in Südtirol nur vier, unter ihnen Astrid Di Bella, Vizevorsitzende der Hebammenkammer und derzeit krankheitsbedingt außer Dienst. 2018 wurden in Südtirol 5.506 Kinder geboren, davon 31 zu Hause. Das sind nicht einmal 0,6 Prozent. Dieser Prozentsatz wird sich 2020 Corona-bedingt vermutlich auf einen Prozentpunkt erhöhen. Astrid Di Bella sieht diesen krisenbedingten Trend kritisch. Covid-19 habe bei Schwangeren verständlicherweise Unsicherheiten ausgelöst. Viele wollten aus Angst vor dem Virus zum Gebären nicht mehr ins Krankenhaus gehen und auch nicht auf ihren Partner verzichten. Eine Hausgeburt bedürfe allerdings einiger Vorbereitungen, sagt die Vizevorsitzende der Hebammenkammer. Eine solche Entscheidung könne nicht einfach kurz vor der Geburt getroffen werden. Sie bedauert, dass die Kostenrückerstattung des Sanitätsbetriebes für Hausgeburten nicht erhöht wurde und seit Jahren nur 516 Euro beträgt. Im Trentino wird fast das Doppelte erstattet. Dort gibt es seit Oktober 2019 außerdem ein gut funktionierendes Geburtshaus. Seit Jahren kämpfen die freiberuflichen Hebammen in Südtirol für die Einrichtung eines Geburtshauses – bis heute erfolglos. Ein Geburtshaus kann sich ganz auf die werdenden Eltern einlassen. Die Gefahr einer Infektion sei geringer als in einem Krankenhaus, wo täglich ungleich mehr Menschen ein- und ausgehen. In den Geburtsabteilungen der Südtiroler Krankenhäuser hängen seit Ausbruch der Corona-Pandemie Bilder, die Hebammen für die Gebärenden angefertigt haben und den werdenden Müttern vermitteln, dass sie nicht alleine sind. Sara Zanetti freut sich, dass diese Aktion der Hebammenkammer bei den Frauen gut angekommen ist. Den Hebammen ist aber nicht zum Feiern zumute. Neben dem runden Jubiläum des morgigen Welttages wird heuer auch das Jahr der Hebammen und KrankenpflegerInnen begangen. Italienweit weisen seit Januar Kampagnen auf die dringend benötigten Pflegekräfte hin. Auf die Hebammen, die älteste Berufsgruppe der Welt, wurde auch dort vergessen”, so die Berufskammer der Hebammen der Provinz Bozen.