Von: mk
Bozen – Das aktuelle italienische Steuersystem gleicht Einkommensunterschiede deutlich aus. Der Hebel sind die progressiv ansteigenden Steuersätze, aber auch die Abzugs- und Freibeträge und die „No-Tax-Area“. Ohne jede Entlastung hätten die Südtiroler Steuerpflichtigen für das Steuerjahr 2017 über 2,6 Milliarden Euro an den Fiskus entrichten müssen. Unterm Strich sind es zwei Milliarden Euro netto geworden, eingezahlt von genau 330.476 Südtirolerinnen und Südtirolern. Diesem ausgleichenden System droht nun Gefahr durch die „Flat Tax“. Dies erklärt das
Juni ist der Monat der Steuererklärungen. Doch das aktuelle System könnte bald einem neuen weichen – zumindest, wenn es nach der Regierungspartei Lega geht. Wie bekannt will Lega-Chef Matteo Salvini einen Steuersatz von 15 Prozent für Einkommen von Familien (unter 50.000 Euro) einführen. Wird das entstehende Steuerloch von 30 Milliarden Euro durch die höhere Steuermoral und einsetzenden Wirtschaftsaufschwung überkompensiert werden, wie von der italienischen Regierung erwartet? Oder entpuppt sich die Flat Tax als umgekehrte Robin-Hood-Steuer, die den Reichen gibt und den Armen nimmt, wie Kritiker befürchten?
Hintergrundinformationen dazu liefert die letzte Auswertung der Einkommenssteuerdaten des “Ministero dell’Economia e delle Finanze“ (MEF), die das AFI | Arbeitsförderungsinstitut jüngst durchgeführt hat. AFI-Forscher Friedl Brancalion: „Ziel war es, den Umverteilungshebel im Steuersystem sichtbar zu machen und nachzuweisen, dass nach Begleichung der Einkommenssteuer die Einkommensungleichheit geringer ist als zuvor. Und es ist tatsächlich so“.
Konkret hat das AFI den Gini-Koeffizienten berechnet, einmal auf das Brutto und das Netto des Steuereinkommens, aber auch auf den Differenzbetrag zwischen beiden, weil dieser der Index für die ausgleichende Wirkung der Steuer ist. Der Gini-Koeffizient misst die Ungleichheit einer Einkommensverteilung zwischen Null (alle haben gleich viel) und Eins (einer hat alles). „Wir haben in unserer Studie einen Gini-Index von 0,464 auf das Brutto und einen Gini-Index von 0,405 auf das Netto ermittelt – ein klarer Beweis, dass das aktuelle System der Einkommenssteuer ausgleichend wirkt“, stellt Forscher Brancalion fest.
„Als wir die Daten genauer analysiert hatten, stellte es sich heraus, dass von den 423.272 Steuerpflichtigen im Steuerjahr 2017 nur 330.476 tatsächlich Steuerbeträge entrichtet haben“, so Brancalion weiter. Die anderen konnten ihre Einkommen mit Steuerabsetz- und Steuerfreibeträgen verrechnen oder sie lagen in der so genannten „No-Tax-Area“. Insgesamt haben die Südtiroler Einkommenssteuerpflichtigen knapp 10,1 Milliarden Euro erklärt, aber dank der verschiedenen Steuerbefreiungen nur zwei Milliarden Euro netto an Einkommenssteuern entrichtet (durchschnittlich 6.110 Euro pro Kopf).
Im Steuerjahr 2017 kam jeder fünfte Südtiroler Steuerpflichtige (20,7 Prozent oder 87.445 Personen) in den Genuss von Freibeträgen im Gesamtwert von 420 Millionen Euro, was durchschnittlich 4.803 Euro pro Steuerzahler ausmacht. Die Freibeträge betrafen zu 79,0 Prozent Ausgaben für Vor- und Fürsorge und zu 16,7 Prozent die Zusatzrente. Einen bemerkenswerten Anteil von 5,8 Prozent an der Gesamtsumme d er Freibeträge machen die Abzugsmöglichkeiten für den Erstwohnsitz aus – insgesamt 26,0 Millionen Euro. Davon profitierten 41.021 Steuerpflichtige.
Fast alle Südtiroler Steuerpflichtigen (97,2 Prozent oder 411.390 Personen) konnten gesetzlich festgelegte Aufwendungen absetzen, was den Brutto-Steuer-Ertrag für den Fiskus um 732,4 Millionen Euro minderte. Die hauptsächlichen Abzugsposten betreffen zu 57,9 Prozent Einkommen aus unselbständiger Arbeit und Rente, zu 13,9 Prozent die zu Lasten lebenden Familienmitglieder.
„Auch wenn das italienische Steuersystem bei weitem nicht perfekt ist, wirkt es doch sozial ausgleichend. Die angedachte Flat-Tax wird die soziale Ungerechtigkeit enorm verschärfen. Weniger Steuern klingt zwar toll, doch wirkliche Vorteile werden nur die Reichen haben. Die Zeche zahlt am Ende der Normalverdiener“, erklärt AFI-Präsident Dieter Mayr.