Von: bba
Bozen – Die Welt liebt Kaffee. Täglich werden auf der Erde rund 1,6 Milliarden Tassen Kaffee getrunken. Doch so präsent wie der Kaffee in unserem Alltag ist, so präsent sind auch die Missstände im Kaffeegeschäft: Dazu gehören extreme Preisschwankungen, Planungsunsicherheit, niedrige Löhne, Ernteausfälle aufgrund klimatischer Veränderungen, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung der Arbeiter. Mit der Kampagne fairever coffee machen Südtiroler Weltläden und OEW-Organisation für Eine solidarische Welt vom 9. September bis 1. Oktober 2021 auf die schwierigen Produktionsbedingungen von Kaffee aufmerksam. Sie zeigen faire Handelsalternativen auf.
Die Kampagne baut auf breite Berichterstattung, auf eine Kaffee-Ausstellung, auf ein Gewinnspiel in den Weltläden, auf Fotos von schönen Kaffeemomenten bekannter Südtiroler Persönlichkeiten, auf einen Kaffee-Podcast und auf Kaffee-Verkostungen im ganzen Land am 1. Oktober, dem Welttag des Kaffees. Der Südtiroler Bibliotheksverband, netz, AGJD, Senioren im KVW und die Straßenzeitung zebra. unterstützen die Kampagne mit Aktionen und Informationsarbeit. Finanziell getragen wird die Kampagne vom Amt für Außenbeziehungen und Ehrenamt des Landes Südtirol.
Gemessen an seinem Handelswert ist Kaffee nach Rohöl der weltweit zweitwichtigste Rohstoff aus dem Globalen Süden. Rohkaffee wird auf dem internationalen Markt gehandelt: New York ist der Sitz der Kaffeebörse für Arabica-Kaffee und London für Robusta-Kaffee. Große Kaffeeunternehmen kaufen ihren Kaffee im Voraus, um Planungssicherheit zu haben. Ein Drittel des weltweit produzierten Kaffees stammt aus Brasilien, ein Viertel aus Vietnam, dann folgen Kolumbien, Indonesien und Äthiopien. In etwa 50 Ländern der Tropen leben rund 125 Millionen Menschen vom Kaffeeanbau. Kleinstrukturierte Landwirtschaft hat dabei eine große Bedeutung: 95 Prozent der Kaffeeflächen sind kleiner als fünf Hektar und 85 Prozent kleiner als zwei Hektar.
Franziska Blaas, bei der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt in Brixen zuständig für bewussten Konsum, erklärt: „Obwohl die produzierenden Bauern und Bäuerinnen mit dem Kaffeeanbau die meiste Arbeit in der Wertschöpfungskette haben, reicht ihr Verdienst kaum zum Überleben.“ Die kleinbäuerlichen Betriebe erhalten bei konventionell hergestelltem und gehandeltem Kaffee im Durchschnitt nur fünf Prozent des Kaffeepreises im Einzelhandel. Bei fair gehandeltem Kaffee gehen hingegen bis zu 26 Prozent an die Produzenten einer Genossenschaft und ermöglichen deren Mitgliedern eine wirtschaftlich rentable Kaffeeproduktion.
Dass die wertvolle Kaffeebohne einen bitteren Beigeschmack hat, unterstreicht auch Brigitte Gritsch, Koordinatorin der Südtiroler Weltläden: „Marktkonzentration führt immer dazu, dass Großunternehmen auf Kleinproduzenten Preisdruck ausüben.“
Die Kleinbauernfamilien, die nicht in Kooperativen zusammengeschlossen sind, haben dabei eine schwache Verhandlungsposition. Sie sind den Forderungen der lokalen Händler schutzlos ausgeliefert, da sie keine Alternative und meist auch keinen Zugang zu Markt- und Preisinformation haben.
Viele Familien sind nicht dazu in der Lage, ihre grundlegenden Ausgaben zu decken. Die Internationale Kaffeeorganisation geht davon aus, dass als Folge des Preisverfalls die Zahl der arbeitenden Kinder im Sektor gestiegen ist und viele Menschen die Anbaugebiete auf der Suche nach alternativen Einkommensquellen verlassen.
Zusätzlich unter Druck geraten die Bäuerinnen und Bauern durch den Klimawandel, der den Anbau von Kaffee in derzeit wichtigen Anbaugebieten künftig vermutlich unmöglich macht, während andernorts der Anbau von Kaffee lukrativer wird. Fast alle kleinbäuerlichen Familien im Kaffeeanbau, die in den konventionellen Handel verkaufen, haben mit steigenden Lebenshaltungskosten, mit Ernährungsunsicherheit, unzureichendem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, mit der Abwanderung junger Menschen, dem Auftritt von Krankheiten und Schädlingen, einem eingeschränkten Zugang zu sauberem Wasser und mit dem Verlust von Biodiversität zu kämpfen.
Beim europaweiten Kaffeekonsum liegen die Niederlande mit 8,3 Kilogramm pro Kopf und Jahr ganz vorne, gefolgt von Finnland mit 7,8 Kilogramm, Schweden mit 7,6 Kilogramm und Norwegen mit 6,6 Kilogramm. Deutschland liegt mit 5,2 Kilogramm an siebter Stelle und Italien mit einem Pro-Kopf-Jahreskonsum mit 4,7 Kilogramm an 11. Stelle (Statista, 2020).
Die Situation von Frauen im Kaffeeanbau ist unzureichend erforscht. Schätzungen zufolge leisten Frauen bis zu siebzig Prozent der Arbeit bei der Pflege der Plantagen und der Ernte des Kaffees. Ihnen gehören jedoch durchschnittlich nur – es gibt große Unterschiede zwischen den Anbauländern – 27 Prozent der Plantagen. Der Faire Handel bietet eine Alternative zum ungerechten und ausbeuterischen Handel auf dem Weltmarkt. Er stärkt die Position von kleinbäuerlichen Kaffeebetrieben auf dem Weltmarkt.
Zu den Fair-Trade-Standards gehören Mindestpreise und Umweltkriterien, demokratische Strukturen und Selbstbestimmung. Der Faire Handel gibt den Bauern und Bäuerinnen die Möglichkeit, ihren Kaffee unter besseren Bedingungen zu vermarkten und ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Fairer Kaffee kann in Südtirol in den Südtiroler Weltläden oder im konventionellen Handel, erkennbar an den Siegeln des Fairen Handels, erworben werden.