Von: Ivd
Wien – Der ÖAMTC schlägt Alarm: Bei aktuellen Crashtests versagten zwei Kindersitze derart katastrophal, dass der Mobilitätsclub noch vor der offiziellen Veröffentlichung der Testergebnisse an die Öffentlichkeit geht. Was die Prüfer dabei entdeckten, lässt Eltern aufhorchen.
Die Szenen aus dem Crashlabor wirken wie ein Albtraum: Bei Unfallsimulationen lösten sich die Sitzschalen der Modelle Chipolino Olympus i-Size und Reecle 360 komplett vom Befestigungssystem. Mitsamt den Testpuppen wurden sie durch das Fahrzeuginnere geschleudert. „In der Praxis ist durch den darauffolgenden Aufprall ein erhebliches Verletzungsrisiko zu erwarten“, warnt Steffan Kerbl, Technikexperte des ÖAMTC, mit ernsten Worten.
Zugelassen, aber gefährlich
Besonders brisant: Beide Kindersitze tragen eine offizielle Zulassung und dürfen europaweit verkauft werden. Wie kann das sein? Die gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungstests nach UN Reg. 129 arbeiten mit deutlich geringeren Kräften als die Verbraucherschutztests, die sich an modernen Euro NCAP-Fahrzeugcrashtests orientieren. Die beiden betroffenen Sitze sind für Kinder mit einer Körpergröße von 40 bis 150 Zentimetern zugelassen – also vom Säugling bis zum Schulkind.
Der ÖAMTC informierte beide Hersteller bereits über die erschreckenden Ergebnisse. Chipolino teilte mit, dass der Olympus i-Size mittlerweile ausverkauft sei und nicht mehr angeboten werde. Vom zweiten Hersteller, Reecle, dessen Sitz auch als „ZA10 i-Size” oder „946i i-Size” vertrieben wird, steht eine Stellungnahme noch aus.
Was können betroffene Eltern tun?
Einen automatischen Anspruch auf Rückgabe gibt es nicht – schließlich erfüllen die Sitze formal die gesetzlichen Anforderungen. Wer jedoch einen der beiden Sitze in den vergangenen zwei Jahren gekauft hat, könnte unter Umständen einen Sachmängelanspruch gegen den Verkäufer geltend machen. Solche Fälle müssten allerdings individuell geprüft werden.
Die vollständigen Ergebnisse des aktuellen Kindersitztests mit allen untersuchten Modellen veröffentlicht der ÖAMTC am 21. Oktober.
Nicht das erste Mal: Schadstoffe bei Markenprodukten
Die aktuellen Sicherheitsmängel sind nicht die ersten besorgniserregenden Befunde bei Kindersitztests. Bereits im Frühjahr 2023 fielen zwei Modelle durch – allerdings aus einem anderen Grund: Schadstoffe in den Sitzbezügen. Betroffen war damals unter anderem der renommierte Hersteller Maxi-Cosi mit dem Modell „Pebble 360 Pro“ samt Basis „FamilyFix 360 Pro“ In den Bezügen wurde Naphthalin nachgewiesen, eine Substanz, die im Verdacht steht, krebserregend zu wirken.
„Man sieht es nicht, man riecht es nicht – und auch der Preis sagt darüber nichts aus. Daher sind unsere aufwändigen und objektiven Tests so wichtig für Eltern“, hatte Steffan Kerbl damals erläutert. Von 20 getesteten Modellen erhielten im Frühjahrstest 17 die Note „Gut“, eines war „Befriedigend“, zwei fielen wegen der Schadstoffe mit „Nicht genügend“ durch. Immerhin: Sicher im Crash waren alle damaligen Testkandidaten – ein Kriterium, das die beiden jetzt beanstandeten Sitze dramatisch verfehlen.
Aktuell sind 1 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen