Von: mk
Bozen – Südtirols Land- und Forstwirtschaft trägt zum Klimaschutz bei, indem Kohlenstoff in Böden und Vegetation gespeichert wird. Der Südtiroler Bauernbund (SBB) will das weitere Potenzial des sogenannten Carbon Farmings ergründen. Bei einem Webinar haben kürzlich Expertinnen und Experten regionale Modelle zum Messen und Vergüten von Kohlenstoffspeicherung und anderen Ökosystemdienstleistungen diskutiert.
Der Südtiroler Bauernbund hat heuer ein Nachhaltigkeitsprojekt ins Leben gerufen, um Möglichkeiten für ein regionales Kompensationsmodell für die CO2-Speicherung zu erforschen. SBB-Nachhaltigkeitsexpertin Marianne Kuntz erklärte beim Webinar: „Die Land- und Forstwirtschaft kann durch besondere Bewirtschaftungsmethoden wie Humusaufbau, Pflanzenkohle oder forstwirtschaftliche Maßnahmen einen Rückfluss von CO2 aus der Atmosphäre zurück in den Boden und die Vegetation erzeugen. So können bereits erfolgte Emissionen wieder langfristig gebunden werden.“ Diese als Carbon Farming bezeichnete Klimaschutzleistung kann gemessen und verbrieft werden, um Emissionen von Dritten zu kompensieren. „Im Rahmen unseres Projekts möchten wir regionale Carbon-Farming-Methoden und ihr Potenzial für Zuerwerbsmodelle für Landwirte analysieren“, sagte Kuntz.
Der stellvertretende Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser unterstrich die Chance für die heimischen Betriebe: „Bäuerinnen und Bauern erbringen durch ihre Arbeit wichtige gesellschaftliche Leistungen, dazu kann immer mehr der Beitrag zum Klimaschutz durch Bindung von Klimagasen zählen“, ist Gasser überzeugt. Gerade für Südtirols kleinstrukturierte Land- und Forstwirtschaft sei es wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Möglichkeiten zur Förderung und Inwertsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu studieren.
Ein Beispiel eines Carbon-Farming-Modells in der Forstwirtschaft stellte Vincenz Fürstenberg, der Geschäftsführer von ECS Climate Solutions aus Niederösterreich, vor. Bei seinem Projekt ECS Klimawald verpflichten sich Waldbesitzer zur Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung um jährlich eine Tonne CO2 pro Hektar Wald. Aus dieser nachweisbaren Klimaleistung entstehen sogenannte Carbon Credits, die von Unternehmen erworben werden können. Der Erlös fließt wieder großteils an die Waldbewirtschafter zurück, die rund 50 Euro pro Hektar Wald und Jahr erhalten. Fürstenberg unterstrich die steigende Nachfrage nach regionalen Modellen für die CO2-Kompensation: „Immer mehr Unternehmen sind an aktivem Klimaschutz vor der eigenen Haustür interessiert und suchen nach Lösungen, die transparent sind und denen sie vertrauen können.“
Den Beitrag der Waldbesitzer zum Klimaschutz betonte Thomas Leitner von der Landwirtschaftskammer Österreich: „Durch Arbeiten des Waldbewirtschafters wie Bestandsverjüngung, Pflege und Baumartenwahl kann die CO2-Speicherung des Waldes verbessert werden.“ Leitner wies aber auch darauf hin, dass Wälder multifunktional bewirtschaftet werden und neben Holznutzung und Klimaschutz auch Erholungs-, Schutz- und Wohlfahrtsfunktionen bieten müssen. „Vor allem darf ein Wald nicht außer Nutzung gestellt werden, um vermeintlich Klimaleistungen zu erhöhen“, betonte Leitner.
Einig waren sich die Experten, dass die langfristige Kohlenstoffbindung, so wie jede andere Ökosystemleistung in der Landwirtschaft, viel Aufwand und Fachwissen erfordere. Carbon Farming sei immer mit Zusatzleistungen für den Landwirt verbunden, daher müssten diese Modelle gut durchdacht sein.
Dass Kohlenstoffspeicherung nur eine von mehreren Ökosystemleistungen der Land- und Forstwirtschaft ist, unterstrich Christian Hiß, Geschäftsführer des Unternehmens Regionalwert aus Freiburg. Er stellte beim SBB-Webinar ein Modell zur ganzheitlichen Bewertung von Gemeinwohlleistungen vor. Bei dem Modell verfolgt das Unternehmen einen betriebswirtschaftlichen Ansatz: „Wir bewerten sämtliche sozialen, ökologischen und regionalökonomischen Leistungen des landwirtschaftlichen Betriebs anhand der Aufwände und Kosten.“ Ziel der Bilanzierung sei es, dass die Betriebe die erbrachten Gemeinwohlleistungen vergütet bekommen. Dafür gebe es verschiedene Möglichkeiten, erklärte Hiß: Neben Entgelten aus öffentlichen Mitteln seien Prämienmodelle aus der Wertschöpfungskette, regionale Zertifikate oder Kompensationszahlungen wie bei der CO2-Speicherung vorstellbar.
Einen Überblick über die Ökosystemleistungen der heimischen Land- und Forstwirtschaft gab Eurac-Wissenschaftlerin Uta Schirpke. Als Beispiele nannte sie die Landschaftspflege, den Schutz vor Naturgefahren oder die Schaffung von Biodiversität, aber auch kulturelle Werte oder die Bereitstellung von Erholungsräumen. Die Eurac entwerfe Szenarien, wie sich Änderungen in der Landwirtschaft auf diese Leistungen auswirken können, erklärte Schirpke: „Wenn wir z. B. Grünflächen verlieren und diese zu Wald werden, vermindern oder verlieren wir viele der Ökosystemleistungen.“ Die Eurac-Wissenschaftlerin plädierte dafür, sich der multifunktionalen Rolle der Landwirtschaft bewusst zu sein: „Wir müssen den Wert der gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft erkennen und messen, um sie zu sichern und auszubauen“, zeigte sich Schirpke überzeugt.