Von: mk
Bozen – Die Rolle der Angemessenheit für eine hochwertige Gesundheitsversorgung stand im Mittelpunkt eines Mediengesprächs und einer Tagung am Mittwoch.
“Eine angemessene Gesundheitsversorgung besteht in der richtigen Leistung, erbracht vom richtigen Leistungserbringer, beim richtigen Patienten, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit mit dem Ergebnis optimaler Versorgungsqualität”, erklärte der Leiter des Instituts für Ethik, Theorie und Geschichte der Medizin an der Ludwig-Maximilian-Universität München und Vizepräsident des Landesethikkomitees Georg Marckmann bei einem Mediengespräch im Vorfeld zur heutigen Tagung “Angemessenheit in der Gesundheitsversorgung – zwischen Patientenwohl und Wirtschaftlichkeit.”
Im Mittelpunkt stehen die Patienten und ihre Gesundheit
Die Menschen werden immer älter, leiden dabei immer öfter an chronischen Krankheiten und benötigen daher mehr medizinische Versorgungs- und Pflegeleistungen. Gleichzeitig erweitern die Fortschritte der modernen Medizin die Möglichkeiten der Untersuchungs- und Behandlungsverfahren. Viele Patienten profitieren von diesen neuen Methoden, die Gesundheitssysteme kämpfen jedoch mit steigenden Ausgaben. “Die Angemessenheit ist ein Thema, das auf internationaler Ebene schon länger diskutiert wird”, betonte Gesundheitslandesrätin Martha Stocker bei dem heutigen Mediengespräch. “Im Mittelpunkt stehen dabei die Patienten mit ihren gesundheitlichen Bedürfnissen, aber auch die gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten, denn es sollte weder eine Unter- noch eine Überversorgung geben”, so die Landesrätin.
Angemessenheit: “Weder zu viel, noch zu wenig”
„In der Diskussion geht es um eine Medizin, wo weder zu viel noch zu wenig gemacht wird; es geht um die Wahl der besten Form der Versorgung für die Menschen“, unterstrich der Präsident des Landesethikkomitees Herbert Heidegger. Die Diskussion der Angemessenheit müsse daher auch in Südtirol geführt werden und sei eng mit der Ethik verbunden, zumal jeder Patient die beste Therapie für sich möchte. “Die Kluft zwischen dem, was medizinisch möglich ist, und dem, was wir finanzieren können, wird immer größer”, erklärte Marckmann und nannte drei Lösungsmöglichkeiten: mehr ausgeben (wobei die finanziellen Mittel an anderer Stelle fehlen), eine Rationalisierung (Begrenzung der Leistungen vonseiten der öffentlichen Hand) oder eine Diskussion über die Angemessenheit in der Versorgung, denn “es ist nicht so, dass mit immer mehr auch immer das Richtige getan wird”, so Marckmann. “Je mehr Verantwortung die Ärzte vor Ort im Einzelfall übernehmen, desto weniger Vorgaben braucht es”, betonte der Institutsleiter.
Zwischen Patientenwohl und Wirtschaftlichkeit
Bei der Tagung am heutigen Nachmittag werden neben Institutsleiter Marckmann der Koordinator der operativen Einheit “Klinische Führung” in der Landesabteilung Gesundheit Horand Meier und der Geschäftsführer der Tirol Kliniken Stefan Deflorian über verschiedene Aspekte einer angemessenen Gesundheitsversorgung referieren. “Durch einen Abbau des Überangebotes können die Ressourcen, darunter das Humankapital, dort eingesetzt werden, wo es ein Unterangebot von Leistungen gibt, die eigentlich gebraucht werden”, so Meier. Die Verfügbarkeit des notwendigen Gesundheitspersonals stelle derzeit wohl eine der größten Herausforderungen dar. Deshalb müssen die Ressourcen korrekt verteilt sein, was eine ethische Frage darstellt. “Nur wenn die Mittel knapp werden und eine Rationalisierung, d.h. ein Angebot von notwendigen Leistungen durch die Vermeidung von Über – und Unterangeboten nicht ausreicht, greift man zu einer Rationierung im Sinne eines Nichtmehranbietens von notwendigen Leistungen: Kosten sind daher bei der Diskussion um die Angemessenheit ein zweitrangiger Aspekt”, betont Meier. Es gehe um die Sicherheit und die Qualität des Leistungsangebotes.Das Prinzip der Angemessenheit müsse dabei nicht nur von allen Beteiligten diskutiert und definiert werden, sondern auch mithilfe von klaren Zielvereinbarungsmodellen nachvollziehbar und umsetzbar sein, erklärte Koordinator Meier. “Die Balanced Scorecard (BSC) kann dabei lediglich mittelbar als Steuerungsinstrument zur Steigerung der Angemessenheit eingesetzt werden, da mit ihr die Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern getroffen werden und der Schlüsselfaktor schlussendlich immer qualifizierte, motivierte und entscheidungsfreudige Mitarbeiter sind, die ihre Vorbildfunktion leben”, berichtete Deflorian am konkreten Beispiel der Tirol Kliniken über das Führungsinstrument zur Sicherung der Angemessenheit in der Gesundheitsversorgung.
In einer abschließenden Podiumsdiskussion wurden die Erfahrungen und Perspektiven für Südtirol im Gespräch mit dem Direktor des Gesundheitsbezirkes Bruneck und Brixen Walter Amhof, dem Präsident der Ärztekammer Michele Comberlato, dem Arzt für Allgemeinmedizin Giuliano Piccoliori, der Vertreterin der Patientenorganisationen im Dachverband für Gesundheit und Soziales Paola Zimmermann erörtert.