Von: bba
Bozen – Ein IDM-Event informierte darüber, wie Corona den Lebensmittelmarkt in Deutschland verändert hat Corona hat Einfluss auf alle Bereiche unseres Lebens – auch auf unsere Ernährung. Damit ist auch unser Konsumverhalten im Umbruch. Haben sich durch die Krise zuvor klar erkennbare Food-Trends geändert? Welche neuen Trends gibt es, etwa in Sachen Nachhaltigkeit? Und wie wirkt sich das auf den Lebensmittelvertrieb aus? Am Beispiel der Marktes Deutschland, der für viele Produktions- und Handelsunternehmen aus Südtirol sehr interessant ist, hat IDM Südtirol diese Fragen gestern bei einem Online-Event aufgegriffen, das erste Erkenntnisse und Auswirkungen der Pandemie aufzeigte.
Entscheidungsträger und Experten des deutschen Fach- und Biohandels gaben dabei ihre Einschätzung zur Marktlage ab und erzählten, wie sie auf die durch COVID-19 veränderten Marktentwicklungen reagieren. „Deutschland ist der wichtigste Absatzmarkt für die heimische Exportwirtschaft – gerade Lebensmittel, Spezialitäten und Agrarprodukte aus Südtirol sind dort sehr beliebt. Aber der Lebensmittelsektor macht in Deutschland – wie auch in den anderen europäischen Ländern, die von Corona betroffen sind – gerade grundlegende Veränderungen durch“, sagt Vera Leonardelli, Abteilungsleiterin Business Development von IDM. „Während vor dem Lockdown noch das Thema Nachhaltigkeit den Lebensmittel- und Spezialitätenhandel dominierte, sind es nun Themen wie hygienische Verpackungen sowie gesunde, regionale und Bio-Lebensmittel. Für Südtiroler Hersteller, die ihre Produkte nach Deutschland exportieren, ergeben sich durch diese jüngsten Entwicklungen viele Fragen, auf die unser Event Antworten gegeben hat.“
Tatsächlich treten Nachhaltigkeitsthemen durch die Krise in der Branche derzeit eher in den Hintergrund. So geht etwa aus einer Studie des Kölner Markt- und Medienforschungsinstituts rheingold hervor, dass Hygieneaspekte von verpackten Lebensmitteln nun stärker in den Mittelpunkt rücken: (Plastik-)Verpackungen werden als Virenschutz wahrgenommen und sind deshalb wieder gefragter.
Gleichzeitig hat der Trend zu gesunden Lebensmitteln wie Frischobst und Gemüse, Lebensmitteln aus biologischem Anbau und regionalen Lebensmitteln kräftig zugelegt, wie der deutsche Food Report 2021 von Food-Trendexpertin Hanni Rützler belegt. Bescheinigt wird das durch die neuen Zahlen der deutschen Gesellschaft für Konsumforschung (GfK): Der Umsatz bei Bio-Lebensmitteln und Gemüse lag in Deutschland zwischen März und Mai deutlich höher als im Vorjahr.
Diese Trends bestätigt auch Thomas Börkey-Biermann, Geschäftsführer der Ökoring Handels GmbH im oberbayerischen Mammendorf und Referent beim Event von IDM. Der Biogroßhandel liefert circa 10.000 Bioartikel aus den verschiedensten Sortimentsbereichen unter anderem in Bayern, nach Österreich und Südtirol. Zu den Kunden des Ökorings gehören Naturkostläden, Abo- und Ökokistenbetriebe, Kantinen, Schulen, Hotels und die Gastronomie. „Als Unternehmen, das unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, mit Umweltbewusstsein und im Sinne der Gemeinwohlökonomie agiert, haben wir in den letzten Jahren mehr und mehr auf Großgebinde umgestellt, um Verpackungen zu reduzieren. Nun ist aber – Corona geschuldet – leider wieder ein gegenteiliger Trend zu verzeichnen – ökologisch schlimm, aber besondere Zeiten erfordern eben besondere Maßnahmen“, sagt Börkey-Biermann.
Auf der anderen Seite sei durch die Pandemie das Bewusstsein für das Thema Essen deutlich gestiegen. Die Menschen seien genötigt, mehr zuhause zu sein, würden mehr konsumieren und sich auch mehr Zeit für ihre Mahlzeiten nehmen: „Das Essen wird mehr wertgeschätzt und wieder mehr mit Kultur und Genuss verbunden. Deshalb ist seit Corona die Frage nach der Herkunft, nach transparenter Herstellung und nach handwerklichen, bäuerlichen Produkten aus der Region mehr denn je im Fokus. Es geht wieder Richtung alte Werte, bewährte Tugenden und regionale Kreisläufe.“
Dieser Trend zur Regionalität sei schon vor der Pandemie dagewesen, nun aber noch mal ein Stück stärker geworden. Dadurch sei auch die Nachfrage nach Bioprodukten gestiegen; den Menschen werde es immer wichtiger, in einer nachhaltigen Umwelt mit gesunden Böden zu leben, auf denen ökologische statt konventioneller Landwirtschaft betrieben werde. Der Ökoring war, wie die meisten anderen Unternehmen aus dem Lebensmittelvertrieb, auch im ersten Lockdown immer im Einsatz, auch wenn ein bedeutender Teil der Klientel wie Hotels, Mensen oder Gastronomie von heute auf morgen wegbrach.
Gerade bereitet man sich bei dem Unternehmen wieder – mit den Erfahrungswerten des Frühjahrs – auf den zweiten Lockdown vor. Im Gegensatz zu anderen Branchen sei die Lebensmittelbranche aber – trotz aller Herausforderungen wie unterbrochener Lieferketten oder Lieferschwierigkeiten bei Verpackungsmaterial – noch relativ gut weggekommen, wie die Delikatessenhändlerin Kerstin Uhlenbusch von deli Festival aus Bad Kissingen in ihrem Vortrag: „Delikatessenmarkt Deutschland: Gegessen wird immer!“ erklärte.
Über seine Erfahrungen und Empfehlungen in COVID-19-Zeiten berichtete auch Feinkost-Händler Florian Wonneberg von der Robert Lindner GmbH aus Berlin. Im Anschluss an die Vorträge hatten die etwa 40 angemeldeten Teilnehmer die Möglichkeit, individuelle Beratungsgespräche mit den Referenten zu vereinbaren.