Fachtagung „200 Jahre F. W. Raiffeisen – Eine Idee als Kraft für die Zukunft“

Moderne Wertschöpfungsnetzwerke

Freitag, 16. November 2018 | 17:03 Uhr

Von: mk

Bozen – Genossenschaften sind moderne Wertschöpfungsnetzwerke, die lokal und international erfolgreich tätig sind. Weltweit arbeitet jeder zehnte Beschäftigte in einer Genossenschaft. Das wurde bei der Fachtagung „200 Jahre F. W. Raiffeisen – Eine Idee als Kraft für die Zukunft“ am Donnerstag in der Eurac in Bozen betont, bei der auch ein neuer Innovationswettbewerb vorgestellt wurde.

Die Tagung für Genossenschaftsvertreter wurde anlässlich des heurigen Raiffeisen-Jubiläumsjahres vom Raiffeisenverband Südtirol und dem Internationalen Institut für Genossenschaftsforschung im Alpenraum (IGA) organisiert. Neben Genossenschaftsvertretern aus dem deutschsprachigen Raum nahmen auch zahlreiche Schüler daran teil. IGA-Vorsitzender Arnulf Perkounigg und Raiffeisenverband-Generaldirektor Paul Gasser betonten in der Begrüßung, dass es nicht um eine Rückschau geht, sondern darum, die Genossenschaft als zeitgemäße Form der Mitgestaltung und Verantwortung hervorzuheben.

Moderne Wertschöpfungsnetzwerke

„Genossenschaften sind eine sehr zeitgemäße Wirtschaftsform mit positiven Zukunftsperspektiven“, meinte Theresia Theurl, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Unter dem Thema „Genossenschaften als innovative Kooperationen, moderne Netzwerke und zukunftsweisende Plattformen” beleuchtete sie, wie sich Genossenschaften weiterentwickeln müssen, um erfolgreich zu bleiben. „Die Zukunft gehört den Plattformen“, sagte Theurl. Die Bildung von Allianzen, Partnerschaften und Wertschöpfungsnetzwerken wird immer wichtiger. In vielen Wirtschaftsbereichen werden heute Wertschöpfungsnetzwerke gegründet und Genossenschaften sind solche Wertschöpfungsnetzwerke. Genossenschaften müssten aber vermehrt regionale Plattformen bilden, um nicht von anderen Unternehmen angegriffen und aus dem Markt gekickt zu werden, etwa im Handels- oder Bankenbereich. Genossenschaften hätten dazu aufgrund ihrer Beschaffenheit beste Voraussetzungen. „Denn sie sind nichts anderes als Communities, in denen die Schwarm-Intelligenz bestens genutzt wird“, meinte Theurl und betonte, dass vor allem junge Menschen Interesse für die Genossenschaft zeigten.

Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe

Von internationalen Projekten der genossenschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit berichtete Andreas Kappes, Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen im Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. (DGRV) und Generalsekretär der Internationalen Raiffeisen Union (IRU). Ziel der Entwicklungszusammenarbeit ist die Nutzung der Genossenschaftsidee durch breite Schichten der Weltbevölkerung, um lokale Wirtschaftskreisläufe zu stärken und die Lebensbedingungen zu verbessern. „Es geht nicht um Entwicklungshilfe, sondern um Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe“, sagte Kappes. In Indien würden etwa kleine, ländliche Selbsthilfegruppen unterstützt. Mittlerweile gibt es über 8 Millionen davon mit über 150 Mio. Mitgliedern, davon 90 Prozent Frauen. In Afrika fördert die IRU vor allem den Zugang zur Bildung im ländlichen Raum als Basis für neue Arbeitsplätze. Weltweit gibt es heute über drei Million Genossenschaften in über 100 Ländern. Ganze zwölf Prozent der Weltbevölkerung sind Mitglieder in Genossenschaften und insgesamt zehn Prozent der weltweit Beschäftigten arbeiten in einer Genossenschaft.

„Gencode“ Autonomie

Historiker Hans Heiss zeigte in seinem Vortrag „Raiffeisens Idee als wirtschaftliche und soziale Entwicklungskraft in der Landesgeschichte Tirols“ die enge Entwicklung des Genossenschaftswesens in den letzten 130 Jahren mit der Entwicklung des Landes auf. Der ländliche Raum wäre ohne Raiffeisen-Netzwerk vielen Krisen ungeschützt ausgesetzt gewesen. „F. W. Raiffeisen wäre mit der Entwicklung des Genossenschaftswesens in Südtirol sicher nicht unzufrieden“, meinte Heiss. Heute würde er aber das Prinzip der Solidarität neu ins Spiel bringen. Hier könnte etwa die Gemeinwohlökonomie ein Zukunftsfeld mit Pioniercharakter für Raiffeisen sein. Zur aktuellen Raiffeisenreform meinte Heiss, dass das Prinzip der Autonomie und die Eigenständigkeit der einzelnen Raiffeisenkassen in Südtirol zum landestypischen „Gencode“ gehören. Heiss bezeichnete die Genossenschaft als Mittel für eine gelebte Demokratie und betonte deren Bedeutung in einer auseinanderdriftenden Gesellschaft.

Was von Raiffeisen bleibt

Johannes Leitner, Geschäftsführer des Raiffeisen-Revisionsverbandes Niederösterreich-Wien, skizzierte zum Thema „F.W. Raiffeisen 200 – „Was bleibt wirklich von einer großen Idee?” welche „Meta-Ideen“ von Friedrich Wilhelm Raiffeisen bis heute geblieben sind. Dabei nannte er in erster Linie den Freiheitsgedanken der einzelnen Person, das Wohl des Menschen und die christliche Ethik als Fundament. Raiffeisen richtete sich gegen die Bevormundung von oben. Er war geprägt von einem aufgeklärten und realistischen Menschenbild, konnte sich die Genossenschaft aber nur auf christlicher Wertebasis vorstellen. „Eine fehlende tiefgreifende Ethik in Unternehmen kann selbst heute nicht durch noch so rigorose Kontrollsysteme ersetzt werden“, meinte Leitner. Denn erfolgreiche Kooperation könne nur auf Basis einer fundierten Ethik gelingen.

Abgerundet wurde die von Markus Frings moderierte Tagung mit einer Podiumsdiskussion, zur Frage „200 Jahre Raiffeisen – genug Erfahrung für die Zukunft?” Neben den Referenten nahm daran auch der Bildhauer und Künstler Martin Burkhard von „Genoinnovation“ aus Niedersachsen teil. Diese Einrichtung sucht über das Bankennetz mit den Menschen vor Ort nach Zukunftsthemen, Ideen und neuen Geschäftsfeldern. Ziel ist es, den regionalen Markt zu stützen und damit letztlich auch die Bank vor Ort.

Innovationswettbewerb

Bei der Tagung wurde ein neuer Innovationswettbewerb von Raiffeisen vorgestellt. Dabei können kreative Köpfe aus Südtirol ab 16 Jahren bis zum 31. Jänner 2019 besondere Geschäfts- und Produktideen, innovative Dienstleistungen oder wissenschaftliche Arbeiten mit Marktpotential aus allen Branchen einreichen. Wobei auf die besten Ideen Preise in Höhe von 10.000 Euro warten. Informationen dazu gibt es unter www.raiffeisen200.it

Bezirk: Bozen