Von: luk
Bozen – Es geht um weniger Geld aus Brüssel, um eine stärkere Beachtung der Menschen im ländlichen Raum und um die Chance, mit Bergerzeugnissen der landwirtschaftlichen Produktion aus Südtirol mehr Gewicht zu geben. „Dass die Prioritäten bei Förderprogrammen neu gesetzt werden, begrüße ich sehr”, sagt die Landtagsabgeordnete Maria Hochgruber Kuenzer.
Die Vorbereitungen für das Agrarprogramm 2020 bis 2027 der Europäischen Union sind im Gang. Am 29. November eröffnet Phil Hogan, EU-Kommissar für Landwirtschaft, die Debatte in Brüssel darüber, welche Agrarpolitik Brüssel in Zukunft will.
Die Europaregion ETVZ hat am Freitag zur Konferenz „Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020: Was erwartet uns und was erwarten wir uns?“ eingeladen. Martin Scheele von der EU-Generaldirektion Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung hat von den neuen Vorbereitungen zum Agrarprogramm berichtet.
SVP-Landtagsabgeordnete Maria Hochgruber Kuenzer hält „als besonders begrüßenswert, dass ein Methodenwechsel für die Förderprogramme wie Leader, ESF und ELER geplant wird.“ Die EU will in Zukunft die Ergebnisse sehen, die mit geförderten Projekten erzielt werden. Aktuell kontrolliert Brüssel lediglich deren verwaltungstechnische Abwicklung.
Diese Kompetenz plant man nun den EU-Mitgliedsländern zu übertragen. Sie sollen auch angehalten werden, die Projekte zu dokumentieren und Ergebnisprotokolle vorzulegen. „Damit konzentriert sich Brüssel auf die Inhalte, also auf das Wesentliche,“ unterstreicht Abgeordnete Hochgruber Kuenzer.
Die Priorität wird neu gesetzt: Inhalte vor Verwaltung. Diese Neuerung dürfte nicht nur die Landwirtschaft freuen, „sondern alle Gesellschaftsgruppen, die Zugang zu den Förderprogramme Leader, ESF und ELER erhalten“, sagt Hochgruber Kuenzer, die bereits bisher Erfahrungen mit diesen wichtigen EU-Förderprogrammen gesammelt hat.
Maria Hochgruber Kuenzer fordert Südtirol und die Länder der EVTZ dazu auf, sich in die Diskussion zur neuen Agrarpolitik stark einzubringen, „es gilt, unsere Landwirtschaft in der EU gemeinsam zu vertreten.“
“Das ist umso nötiger, als man bereits weiß, dass der EU ein kleinerer Haushalt zur Verfügung stehen wird. Eine Ursache dafür ist der Verlust des Nettozahlers Großbritannien: Durch den Brexit wird auch der EU-Haushalt geschwächt. In allen Bereichen wird gekürzt werden. Auch in der Agrarpolitik. Diese Kürzungen können für Gebiete mit kleinstrukturierter Landwirtschaft bedrohlich werden. Denn aktuell erhalten 20 Prozent der Landwirtschaftlichen Betriebe innerhalb der Europäischen Union 80 Prozent der direkten Flächenförderung. Sie geht an die großen Agrarbetriebe. Mit ihnen sichert die EU die Ernährungssicherheit innerhalb Europas ab. Zum Nachteil für kleinen Produzenten: 80 Prozent sind mittlere und kleine landwirtschaftliche Betriebe, die bereits heute nur 20 Prozent der Direktförderung für ihre Flächen erhalten.” Landesrat Arnold Schuler verwies auf dem Kongress: „Betriebe, denen weniger als 300 Euro zustünden, sind von den Direktförderungen sogar ausgeschlossen, da die Zahlungsabwicklung gemessen am Förderbeitrag unverhältnismäßig teuer wäre. Das ist jeder vierte Betrieb in Südtirol.“
“Wird nun das Geld weniger, würde es für die vielen kleinen landwirtschaftlichen Betriebe zu noch geringeren Förderungen führen.” Hochgruber Kuenzer: „Für das nächste Agrarprogramm der EU muss ein neuer Schlüssel anstatt 80 zu 20 gefunden werden, ansonsten schwächt Brüssel kleine Landwirtschaften zweifach.“ Umsomehr, als Bauernfamilien neben der Lebensmittelproduktion eine weitere zentrale Aufgabe erfüllen: „Sie sichern den Ländlichen Raum und halten ihn lebendig.“
“Die Beiträge für die Produktion von Agrarprodukten wirken sich direkt auf das Leben der bäuerlichen Familien aus. Daher braucht der Ländliche Raum in ganz Europa größere Aufmerksamkeit von Brüssel – auch in Südtirol. Junge Männer und Frauen aus bäuerlichen Familien brauchen bessere Perspektiven, um sich für die harte Arbeit am Bauernhof zu entscheiden“, sagt Hochgruber Kuenzer. In manchen Gebieten Europas seien die Bauern von morgen längst abgewandert. Hochgruber Kuenzer: „Daher muss die EU auch Maßnahmen setzen, um dem demografischen Wandel entgegenzusteuern.“ Sie fordert attraktivere Arbeitsplätze – und meint damit nicht einen schönen Büroraum mit Blick auf die Berge, sondern „vor allem Arbeitssicherheit, adäquate Entlohnung und die gesamte Infrastruktur, die sich auf die Qualität von Arbeitsplätzen auswirkt. Es gilt der Abwanderung der Jugend vorzubeugen und auch attraktive Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen.”
“Nicht zuletzt kann Südtirol seiner kleinstrukturierten Landwirtschaft einen höheren Mehrwert gegenüber der großflächigen Landwirtschaft Europas geben. Die Großen garantieren die Ernährungssicherheit, die kleinen haben Qualität und Spezialisierung. Die Bergerzeugnisse haben die besten Voraussetzungen, einen höheren Stellenwert auch am Markt zu erzielen.„Man muss diese Qualitäten aber auch sichtbar machen“, sagt Hochgruber Kuenzer, „die EU hat uns dafür bereits den Ball zugeworfen, es trifft uns nun, diesen Ball auch zu spielen. Das Qualitätslabel „Bergerzeugnisse“ haben das EU-Parlament und die Kommission in den vergangenen Jahren ins Leben gerufen. Mit unseren reichhaltigen Produktpaletten an Qualitäts-Bergerzeugnissen, die als solche auch vermarktet wird, sollten wir gemeinsam in der EVTZ einer Zukunft mit niedrigerer europäischen Agrarförderung vorausgreifen“.
„Es gibt viel für Südtirol zu tun und auch einiges weiterzuentwickeln und zu verbessern“, zeigt sich Landtagsabgeordnete Hochgruber Kuenzer entschlossen, „gehen wir es an“.