Von: luk
Bozen – Das Thema Obdachlosigkeit steht am Montag, 7. Oktober, im Mittelpunkt einer Tagung an der Freien Universität Bozen. In Zusammenarbeit von zwei Fakultäten, Hilfsorganisationen, der Journalistin und Aktivistin Lissi Mair sowie dem Fotografen Ludwig Thalheimer wird ein Phänomen beleuchtet, das politisch wie gesellschaftlich allzu oft unter den Tisch gekehrt wird. Neben einer Bestandsaufnahme der Situation in Südtirol bringen ReferentInnen aus Deutschland und Österreich frische Ideen und Erfahrungsberichte von bewährten Projekten. Die Botschaft der Tagung: Es braucht eine Lobbyarbeit für Obdachlose und Wohnungslose in Südtirol.
Was bedeutet es, kein Dach über dem Kopf zu haben, welche konkreten Bedürfnisse haben obdachlose Menschen und welche Antworten brauchen sie von Gesellschaft und Politik? Am kommenden Montag Nachmittag wird an der Freien Universität Bozen ein Phänomen beleuchtet, das mit der einbrechenden kalten Jahreszeit noch einmal akuter wird. Gleich zwei Fakultäten der Freien Universität Bozen, die Fakultät für Bildungswissenschaften und die Fakultät für Design und Künste, bieten damit eine Plattform, in der Fakten sowie Erfahrungen aus dem benachbarten Ausland auf den Tisch kommen und eine Diskussion zwischen den involvierten Akteurinnen und Akteuren ermöglicht wird. Für rund 40 Studierende der Fakultät für Design und Künste ist die Tagung darüber hinaus der Auftakt für ein gemeinsames Projekt mit dem Unternehmen Salewa, in dessen Rahmen nützliche Objekte für obdachlose Menschen entworfen und produziert werden. Ebenfalls am Montag eröffnet wird eine Ausstellung des Fotografen Ludwig Thalheimer im Foyer des Campus Bozen der Freien Universität Bozen. Unter dem Titel „WIR draußen_NOI fuori“ werden bis 12. Oktober Porträts von 20 Obdachlosen ausgestellt. Die Tagung wird in Zusammenarbeit mit der Journalistin und Freiweilligen Lissi Mair, dem Verein Volontarius und der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft organisiert.
Den Auftakt der Tagung macht die Vernissage der Fotoausstellung von Ludwig Thalheimer um 13.30 Uhr. „Jeder Mensch, der auf der Straße lebt, hat ein Gesicht und einen Namen und eine jeweils eigene Geschichte. Es gibt unterschiedlichste Gründe dafür, dass jemand obdachlos wird, es kann jeden von uns treffen und wir sollten uns dessen bewusst sein“, sagt der Fotograf. Im Rahmen der Vernissage besteht für Medienvertreter die Möglichkeit, Interviews mit den Teilnehmenden und ReferentInnen der Tagung zu führen.
Nach der offiziellen Tagungseröffnung durch Prof.in Susanne Elsen von der Fakultät für Bildungswissenschaften und Lissi Mair als treibende Kraft hinter dem Projekt stellt Professor Kuno Prey von der Fakultät für Design und Künste das Kooperationsprojekt von unibz und dem Unternehmen Salewa vor. Bereits das zweite Mal stellt der Bergsportartikel-Produzent der Fakultät für Design und Künste Restposten von Produkten und Werkstoffen zur Verfügung, um daraus neue Objekte zu kreieren. „In diesem Jahr haben wir uns dafür entschieden, daraus Produkte zu schaffen, die Obdachlosen in Südtirol das Leben erleichtern“, sagt Kuno Prey. „Obdachlosigkeit ist ein Phänomen, das zwar gerne unter den Tisch gekehrt wird, doch wir sind der Überzeugung, dass sich unsere Gesellschaft stärker damit auseinandersetzen muss“, meint der Designprofessor. Besonders intensiv werden das rund 40 Studierende seiner Fakultät machen, die nach der Tagung eine Woche Zeit haben, um Produkte für Obdachlose zu entwerfen. Die besten Entwürfe, die von einer Kommission ausgewählt werden, werden im Anschluss von Sozialgenossenschaften hergestellt; die Kosten dafür wird Salewa übernehmen. Die Produkte sollen dann noch vor Wintereinbruch den Obdachlosen der Stadt Bozen zur Verfügung gestellt werden.
Nach einem Überblick zur Situation von obdach- und wohnungslosen Menschen in der Stadt Bozen durch Diana Seyffarth, der Verantwortlichen der Streetworkprojekte im Verein Volontarius, gibt es bei der Tagung konkrete Inputs und Best Practices zur Unterstützung von obdachlosen Menschen aus dem benachbarten Ausland. Willi Nadolny, Leiter der Bahnhofsmission am Berliner Zoo, schildert anhand von Fallbeispielen, wie das Hilfssystem in Berlin mit Herausforderungen des Phänomens umgeht. Daniela Unterholzner, Co-Geschäftsführerin der Wiener Sozialorganisation neunerhaus und neunerimmo, erläutert das Konzept „Housing First“. Pfarrer Wolfgang Pucher von den VinziWerken Graz stellt schließlich das sogenannte VinziDorf vor, einen Vorreiter in der Betreuung obdachloser alkoholkranker Menschen. Raum für Diskussion bietet am Ende der Tagung ein Runder Tisch mit den Obdachlosen Claudia Fink und Thomas Meran, Oswald Mayr von der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft, der Direktorin des Betriebes für Sozialdienste Liliana Di Fede, Bozens Vize-Bürgermeister Luis Walcher sowie Urban Nothdurfter von der Fakultät für Bildungswissenschaften.
„Im Rahmen unserer Dritten Mission ist es Aufgabe der Freien Universität Bozen dazu beizutragen, dass sozialpolitische Fragen öffentlich diskutiert werden“, erklären Prof.in Susanne Elsen und Urban Nothdufter das Engagement ihrer Fakultät. „Das Phänomen der Obdach- und Wohnungslosigkeit ist dabei nicht nur über einen individualisierenden Blick auf Einzelschicksale in den Blick zu nehmen, sondern mit Fragen nach Recht auf Wohnen und nach Platz und Schutz marginalisierter Menschen im öffentlichen Raum zu verbinden.“