Von: luk
Bozen – Im Gesundheitsbereich hat sich in Südtirol in den vergangenen Jahren viel verändert. Der öffentliche Sanitätsbetrieb scheint nicht mehr alle Bedürfnisse befriedigen zu können. Auch und vor allem, weil es am Gesundheitspersonal fehlt, sowohl im Pflegebereich als auch bei den Ärzten, wie erst Landeshauptmann Arno Kompatscher bei der Fragestunde im Landtag erklärt hatte. Demnach würden aktuell 307,7 Vollzeitäquivalente bei Ärzten fehlen.
Auf der anderen Seite sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Privatkliniken wie Pilze aus dem Boden geschossen. Sie bieten teilweise Rundum-Leistungen an: Vorsorge, Visiten, Eingriffe, Nachsorge. Alles schnell, effizient und unkompliziert – natürlich gegen Bezahlung.
Im Gegensatz dazu erscheint das öffentliche Gesundheitswesen wie ein langsam fahrendes Containerschiff zu sein – unfähig, flexibel und schnell zu reagieren. Eine Facharztvisite? Ja gerne, aber erst in einigen Monaten. Privat geht es oft schon in wenigen Tagen. Ähnlich sieht es mit bei EKG, CT-Aufnahmen oder gewissen Operationen aus. Am Ende kann man es so auf den Punkt bringen: Wer bezahlt, hat meist die Nase vorn.
Da passt es ins Bild, dass ab Oktober auch Spitalsärzte im Krankenhaus-OP außerhalb ihrer Arbeitszeit freiberuflich arbeiten dürfen. Gegen Bezahlung erhalten Patienten ein “Skip-the-Line-Ticket” und können so die Wartezeit für einen Eingriff verkürzen. Zunächst ist dies für Operationen vom Grauen Star, von geringinvasiven Eingriffen in der Gefäßchirurgie sowie leichten Eingriffen im Bereich der Orthopädie geplant.
Für viele stellt sich daher die Frage, wie es langfristig weitergehen soll. Sie denken daran, eine private Kranken- bzw. Gesundheitsversicherung abzuschließen, um bei Bedarf auch tatsächlich schnelle medizinische Hilfe oder Abklärung zu erhalten.
Südtirol News hat bei Versicherungsexperte Lukas Widmann vom SVA Versicherungsservice nachgefragt, auf was man dabei als Kunde achten muss und welche Fallstricke es gibt.
Gibt es derzeit mehr Angebot an Kranken- und Gesundheitsversicherungen als vor einigen Jahren?
Widmann: Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es mehr Angebot als vor ein paar Jahren gibt. Es gibt zwar viele Versicherungsgesellschaften, die Krankenversicherungen anbieten, aber es handelt sich um einen schwierigen und risikoreichen Versicherungszweig. Krankenversicherungen sind stark mit dem Zustand des privaten und öffentlichen Gesundheitssystems verbunden, dessen zukünftige Entwicklung und Kosten schwer abzuschätzen sind. Spezialisierte Versicherungsgesellschaften mit umfangreicher Erfahrung in diesem Bereich bieten in der Regel umfassendere und nachhaltigere Krankenversicherungen an. Auf jeden Fall gibt es eine höhere Nachfrage als früher; dies liegt vermutlich in erster Linie an den langen Wartezeiten und den strukturellen Problemen im öffentlichen Gesundheitswesen.
Welche klassischen Leistungen bieten Krankenversicherungen im Ernstfall?
Widmann: Klassische Krankenversicherungen vergüten im Normalfall hauptsächlich Kosten für Aufenthalte und Operationen in Privatkliniken. Wichtig ist aber vor allem auch die Vorsorge, denn wie man so schön sagt: “Vorbeugen ist besser als heilen”. Eine gute Krankenversicherung sollte deshalb auch die Vorsorge fördern und unterstützen, indem beispielsweise Vorsorgeuntersuchungen, Arzt- und Facharztkosten sowie diagnostische Untersuchungen abgedeckt sind. Sie sollte also nicht erst einspringen, wenn man bereits erkrankt ist, sondern auch dabei helfen, gesund zu bleiben. In solchen Fällen spricht man eher von “Gesundheitsversicherungen” als von Krankenversicherungen.
Worauf sollte man bei Krankenversicherungen achten?
Widmann: Neben den versicherten Leistungen sind vor allem drei Punkte ausschlaggebend: Es sollte die Möglichkeit bestehen, dass man ein Leben lang versichert bleibt, der Vertrag sollte von der Gesellschaft nicht kündbar sein und die Versicherungsbedingungen sollte auch nicht abänderbar sein.
Krankenversicherungen, welche alle drei Punkte beinhalten, sind auf dem italienischen Versicherungsmarkt kaum zu finden. Einige Produkte laufen automatisch aus, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht und fast alle Krankenversicherungsverträge bieten den Gesellschaften die Möglichkeit, den Vertrag (oder auch Gruppenvertrag) irgendwie zu kündigen oder die Bedingungen einseitig jährlich zu ändern. Diese Versicherungsprodukte haben sicherlich auch ihre Berechtigung, bieten oft interessante Leistungen und sind im Normalfall auch preiswerter, aber sie bieten keine langfristige Sicherheit; und vor allem im Gesundheitsbereich, welcher sich in Zukunft vermutlich noch stark verändern wird, wäre dies allerdings ein besonders wichtiger Faktor.
Ist es wirklich so, dass manche Versicherungen im Ernstfall Probleme machen?
Widmann: Natürlich gibt es Versicherungsgesellschaften, die „schlechte“ Risiken gerne loswerden möchten. Dies ist zwar häufig die letzte Option – aber wo möglich wird dies durchaus auch durchgeführt. Häufiger ist, dass Prämienerhöhungen, Änderung der Leistungen oder Erhöhung der Selbstbehalte angeboten werden. Dem Kunden bleibt oft keine andere Wahl, als die Änderungen einfach zu akzeptieren. Wenn man einmal gekündigt wurde – meist aufgrund eines verschlechterten Gesundheitszustandes – dann wird es oft schwierig, überhaupt eine neue Krankenversicherung zu finden. Bei einem nicht kündbaren und nicht abänderbaren Vertrag besteht dieses Risiko nicht. Diese Sicherheit will aber auch entsprechend vergütet werden.