Von: bba
Bozen – Eltern und die Wirtschaft fordern derzeit lauthals eine Öffnung der Schulen, obwohl die Sicherheit des Lehrpersonals zum Ersten, aber auch der Kinder und der Eltern Zuhause, dadurch hoch gefährdet wäre. Weder genügend Räumlichkeiten, noch ausreichend Personal, Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel und Weiteres sind vorhanden. Das voreilige Deutschland, aber auch Frankreich, rudern mittlerweile schon wieder zurück. Die Ansteckungszahlen steigen seit der Wiedereröffnung der Schulen. Nichtsdestotrotz möchten unsere Landsleute den Lehrpersonen im Sommer die Rolle des Babysitters aufdrücken. Lehrpersonal als Kanonenfutter? Die Lehrerschaft, die derzeit mit Fernunterricht, Videolektionen und Korrekturen bis tief in die Nacht gefordert ist, ist zu Recht empört.
In Deutschland berichten Lehrpersonen derzeit davon, dass die Wiedereröffnung der Schulen ein Fehler war: Kinder, aber auch Jugendliche, halten die Abstände nicht ein, umarmen sich, stehen eng beieinander: die Wenigsten halten sich an die Regeln. Auch hierzulande ist die Schülerschaft von der Disziplin der Schüler Chinas meilenweit entfernt, auch werden strenge Maßnahmen wie in China hierzulande wohl eher nicht eingeführt werden. Man denke nur an die skurrile Kritik, das Tragen einer Maske würde Kinder erschrecken. In Italien ist die Rede davon, die Masken nur im Schulflur zu tragen und nicht in der Klasse. Daran wird ersichtlich, wie leichtsinnig an die ganze Sache herangegangen wird.
Die Gewerkschaft der Lehrer SGBCISL fordert den Schutz des Lehrpersonals und ist gegen eine Öffnung ohne eine penible Einhaltung von Schutzmaßnahmen: “Um Eltern die Rückkehr in den Beruf zu erleichtern, wird der Ruf nach einer raschen Wiedereröffnung der Schulen immer lauter. Für eine Wiedereröffnung der Schulen müssen aber Mindestvoraussetzungen gegeben sein, um die Sicherheit und Gesundheit aller Beteiligten zu garantieren”, so SGBCISL.
Diese Voraussetzungen waren vor der Schulschließung nicht vorhanden, wie auch jetzt nicht. Erinnert sei an die engen, überfüllten Klassen, kaltes Wasser in den Toiletten und das Nichtvorhandensein von Seife. Schüler, die keine Papiertaschentücher von Zuhause mitnehmen und ohne Rücksicht andere anhusten und -niesen, sind leider keine Seltenheit.
Nun hat der SGBCISL Schulescuola mit Hilfe seiner nationalen Strukturen und in Zusammenarbeit mit seinem Gewerkschaftsbund SGBCISL einen Maßnahmenkatalog über eine Wiedereröffnung der Schulen in Sicherheit erstellt:
“1. Die Schulen können nur dann wieder öffnen, wenn auf nationaler und lokaler Ebene die vorgeschriebenen Mindestvoraussetzungen für Gesundheit und Sicherheit (Gesundheitsprotokolle und so weiter) vollständig gewährleistet sind. Mit anderen Worten wäre es notwendig an ein ‘Sicherheitsprotokoll’ zu denken, das die Situation an den einzelnen Schulstellen berücksichtigt.
2. Zu diesem Zweck müsste auf Landesebene eine Covid-19-Koordinierungseinsatzzentrale eingerichtet werden (bestehend aus lokalen Behörden, Zivilschutz und Vertretern der Schulverwaltung) und auf Schulebene eine Arbeitsgruppe die für die Erstellung dieses ‘Sicherheitsprotokolls’ zuständig ist.
3. Die in den verschiedenen Sicherheitsprotokollen vorgesehenen Maßnahmen müssen wiederum in das Risikobewertungsdokument (DVR) der Schulen aufgenommen werden, wobei der Fokus auf die Vermeidung von Gruppierungen beim Ein- und Austritt des Schulgebäudes, sowie bei der Erholung und beim Zugang zu den Toiletten zu richten ist.
4. Neben der entsprechenden Schulung des Personals sollten auch die Familien zur Vorbeugung von Risiken miteinbezogen und angemessen informiert werden.
5. Sollten Maßnahmen wie das Erfassen der Körpertemperatur vor dem Betreten der Schule erforderlich sein, muss die Wahrung der Privatsphäre gewährleistet sein.
6. Zu den notwendigen Maßnahmen gehören die ständige Reinigung und Belüftung der Räume, die Verfügbarkeit von Schutzvorrichtungen und Desinfektionsmitteln.
7. Maßnahmen zur Gewährleistung der Abstände zwischen den Schülern unter Berücksichtigung der jeweiligen Altersgruppen. Auch ein Wechsel zwischen Unterricht an der Schule und Fernunterricht muss in einer ersten Phase in Betracht gezogen werden.
8. Die Sicherheit der für den Fernunterricht verwendeten Computerplattformen muss auch durch Miteinbeziehen der Postpolizei gewährleistet sein. Außerdem muss ein tägliches Höchstmaß an Computernutzungszeiten für das Verwaltungspersonal (bei Homeoffice), das Lehrpersonal (unter Berücksichtigung des Rechts auf digitale Abwesenheit), aber auch für Schüler (in diesem Fall altersabhängig) definiert werden.
9. Auch in der Mensa und beim Schülertransport muss die soziale Distanzierung gewährleistet sein.
10. In der ersten Phase wird es notwendig sein Schulräumlichkeiten, welche normalerweise auch von schulexternen Trägern (Sport- oder Freizeitvereine) genutzt werden, diesen nicht zur Verfügung zu stellen.”
Angesichts der hohen Schülerzahl und der nicht ausreichend vorhandenen Schulräumlichkeiten und Schutzausrüstung, wäre es wahrlich ein Spiel mit dem Feuer, die Tore der Schulen zu öffnen. Die Schulen würden viel mehr Lehrpersonal benötigen, als auch Platz – doch das Bildungssystem wird schon lange totgespart. Man denke nur an die überfüllten, engen Klassen hierzulande, in denen Lehrer unterrichten müssen. Gewiss ist auch, dass sich das Gros der Schülerschaft nicht an die Covid-19-Sicherheitsbestimmungen halten wird.
Fraglich ist auch, ob im Herbst ausreichend Lehrpersonen zu finden sein werden, die sich diesem hohen Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 aussetzen werden, wohl wissend dass es an Schutzausrüstung und disziplinierter Schülerschaft als auch ausreichend Platz mangeln wird. In den vergangenen Jahren suchten Schuldirektoren händeringend nach Lehrpersonal. Dies zeigt, dass der Beruf des Lehrers wohl doch nicht so beliebt ist, wie die derzeitige demagogische Hetze gegen “faule” Lehrer vermuten lassen würde. Ein Schulstart im Herbst wird bei Fortdauer der Pandemie jedenfalls so oder so ein Experiment mit Menschenleben werden.