Von: bba
Bozen – Der Südtiroler Energieverband (SEV) protestiert gegen die mangelnde Dialogbereitschaft der Landesregierung in der aktuellen COVID-19-Krise. Der Hintergrund: In einer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme hatte der SEV Landeshauptmann Arno Kompatscher am ersten April angesichts historisch niedriger Strompreise auf die „ernste Lage“ hingewiesen, in der sich viele Wasserkraftwerke in Südtirol derzeit befinden – und forderte daher die Aussetzung von zahlreichen Gebühren und Abgaben. Eine Antwort der Landesregierung steht – mehr als einen Monat später – immer noch aus.
Die Position des Südtiroler Energieverbands wurde von 34 Konzessionsinhabern von Wasserableitungen zur Erzeugung elektrischer Energie unterstützt. „Die dringende Anliegen der vielen kleinen und mittleren Energiebetriebe in Südtirol werden offenbar nicht mehr zur Kenntnis genommen”, erklärt dazu SEV-Direktor
Rudi Rienzner.
“Der ‘Lockdown’ von Wirtschaftsbereichen wie Handel, Industrie, Handwerk und Tourismus hat den Stromverbrauch in Italien einbrechen lassen. Vom 11. März bis zum 23. April ist die Nachfrage nach Strom in Italien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 18 Prozent gesunken. In den norditalienischen Regionen Aosta, Piemont, Ligurien, Lombardei, Trentino-Südtirol, Friaul und Emilia-Romagna verringerte sich die Nachfrage sogar um 22 Prozent. Zudem sind die Strompreise in Italien an die weltweit eingebrochenen Preise der Primärenergieträger Öl, Kohle und Gas gekoppelt. Der gesamtstaatliche Einheitspreis für den Stromeinkauf (PUN) betrug vom ersten bis zum 17. April durchschnittlich 23,94 Euro pro MWh und lag damit um 139 Prozent (!) unter dem Mittelwert des Vorjahres. Die Folge: Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen zwar weniger für ihren Strom – aber Südtiroler Stromproduzenten erwirtschaften mit diesen Erlösen in vielen Fällen nicht einmal die
eigenen Gestehungskosten. Dennoch spricht sich der Südtiroler Energieverband nicht für einen öffentlichen Beitrag für die Stromproduzenten aus, sondern verlangt Abgaben und Gebühren wie Wasserzinsen, Zusatzzinsen für das Konsortium der Ufergemeinden, Uferzinsgelder, Gratisstrom und Umweltgelder mit sofortiger Wirkung auszusetzen und die entsprechenden Zahlungsfristen um mindestens sechs Monate ab der Beendigung des Notstandes zu verschieben. Schließlich seien diese Abgaben und Gebühren vom realen Wert der Stromproduktion abgekoppelt. In der aktuellen Marktsituation seien diese für zahlreiche Produzenten in Südtirol nicht mehr tragbar. In einem zweiten von 31 Südtiroler Fernheizwerken unterstützten Schreiben forderte der
SEV – ebenfalls am ersten April – den Landeshauptmann und den Landesrat für Umwelt und Energie, Giuliano Vettorato, auf, die Aussetzung von Maßnahmen und die Änderung von Richtlinien für die Gewährung von Beiträgen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Nutzung erneuerbarer Energien zurückzunehmen. Schließlich lieferten Südtiroler Fernheizwerke im Frühjahr aufgrund des ‘Lockdowns’ zahlreicher Betriebe deutlich weniger Wärme als 2019. Mit dem entsprechenden Beschluss hatte die Landesregierung die Förderungen für die Erweiterung der Erzeugungsanlagen bestehender Fernwärmesysteme und die Förderungen für die Erweiterung der Verteilerinfrastruktur von Fernwärmesystemen außerhalb bestehender Versorgungsnetze gestrichen. Auch in diesem Fall steht eine Antwort immer noch aus”, so SEV-Direktor Rudi Rienzner.