Von: luk
Bozen – Gute Neuigkeiten für die heimische Tourismusbranche: Eine Umfrage unter mehr als 1500 Italiener zu Ferienzielen für den Sommer 2020 zeigt eine klare Präferenz für Urlaub in den Bergen auf. Die Befragung, in der die Bedürfnisse der italienischen Bevölkerung hinsichtlich des Neustarts im Tourismus erhoben wurden, wurde von der Professorin Linda Osti (Freie Universität Bozen) und der Forscherin Consuelo R. Nava (Università della Valle d’Aosta) durchgeführt. Deutlich geht daraus der Wunsch hervor, in Echtzeit über den Zustrom auf Sehenswürdigkeiten und touristische Routen informiert zu werden.
Italien ist zweifelsohne ein Tourismusland. Das bestätigt auch der Anteil, mit dem die Tourismusbranche zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt: Laut Daten aus dem Jahr 2017 liegt das Land mit einem Gesamtbeitrag von rund 17 Prozent über dem weltweiten, aber auch europäischen Durchschnitt, wobei neben der direkten Wirtschaftsleistung des Sektors auch die Ausgaben miteingerechnet wurden, die von direkten und indirekten Beschäftigten im Tourismus getätigt wurden. Zudem wies Italien mit einem Anteil von zehn Prozent an der Gesamtbeschäftigung und fast 3,4 Millionen Arbeitsplätzen überdurchschnittliche Werte auf. Umso tiefer die Krise, in die über 52.000 Tourismusbetriebe des Landes nun durch Covid-19 fallen. Das Statistikinstitut Istat hat allein die Einnahmenverluste in den Monaten März bis Mai mit 9,4 Milliarden Euro quantifiziert.
Zu Beginn der Sommersaison hofft die Branche nun auf einen gelungenen Neustart. Die Sehnsucht nach Urlaub ist bei den Italienern sicherlich groß – doch wohin zieht es sie in diesen unsicheren Zeiten? Darauf versucht eine Umfrage von Prof. Linda Osti von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der unibz und der Forscherin Consuelo R. Nava (Università della Valle d’Aosta) Antworten zu geben. „In dieser heiklen Phase ist es umso wichtiger, die stärksten Trends auf dem nationalen Markt zu verstehen, um vor dem Hintergrund der Coronakrise möglichst früh die Bedürfnisse potenzieller Gäste zu verstehen und auch über die gesetzlich vorgegebenen Sicherheitsvorschriften hinaus Dienstleistungen anbieten bzw. Vorkehrungen treffen zu können“, erklären Osti und Nava. Dank solcher Maßnahmen könnten Urlaubsgäste die Sommerferien 2020 trotz Krise sicher und möglichst sorgenfrei verbringen, was wiederum eine wichtige Voraussetzung für die Erholung der wirtschaftlich bedeutenden Tourismusbranche sei.
Urlaub zwischen Geselligkeit und Wunsch nach Rückzug: Die Umfrageergebnisse
Die Hauptmotivation für einen Urlaub ist und bleibt für Italiener*innen das Bedürfnis, sich zu erholen. Darüber hinaus gewinnt im Sommer 2020 der Wunsch, Familie und Freunde zu besuchen, erheblich an Gewicht. Bezüglich der Urlaubsziele hat die Umfrage ergeben, dass ein Urlaub in den Bergen als sicherer eingeschätzt wird als ein Strandurlaub oder Städtereisen. Auch steigt das Sicherheitsgefühl laut Umfrage Woche für Woche: so werden die Monate August und September als sicherer eingeschätzt als Juni und Juli.
„Die Saison wird erst einmal in den Bergdestinationen starten, die bereits Mitte Juni als sicherer eingeschätzt werden als ein Meerurlaub im August“, unterstreichen die beiden Wirtschaftswissenschaftlerinne n. „Städte wiederum haben es am schwierigsten, das Vertrauen von Tourist*innen wiederzugewinnen: Noch im Oktober werden sie von den Befragten als unsicherer eingeschätzt als die Berge im Juli.“ Auch die Art, Urlaub zu machen, verändert sich. Die gefragtesten Beherbergungsstrukturen sind derzeit Ferienwohnungen. Zweitwohnungen, die sonst oft zu wenig genutzt werden, stehen in diesem Sommer hoch im Kurs und werden teilweise auch Freunden und Verwandten überlassen. Hotels müssen dagegen härter arbeiten, um Vertrauen zu gewinnen: laut der Umfrage werden dort von den Gästen eine gründliche und häufige Desinfektion der Zimmer und Gemeinschaftsflächen sowie mehr Sitzgelegenheiten im Freien erwartet.
Sicherheit und soziale Distanzierung. Die Wünsche der Gäste
Bereits in den vergangenen Jahren hat das Phänomen des Overtourism vor allem in touristischen Hotspots für Diskussionen gesorgt. Im Sommer 2020 müssen die Tourismusdestinationen darauf tatsächlich Antworten liefern, um potenzielle Gäste zu beruhigen. Eine Herausforderung besteht sicherlich darin, die Tourismusströme zeitlich und räumlich gut zu verteilen. „Dieses Problem könnte man durch das Angebot einer App lösen, die Touristen in Echtzeit anzeigt, wie überfüllte bestimmte Sehenswürdigkeiten oder touristische Routen sind”, lautet der Vorschlag von Osti und Nava.
30 Prozent der Befragten planen keinen Italien-Urlaub
Rund 30 Prozent der Befragten gaben an, im bevorstehenden Sommer keinen Urlaub in Italien zu planen. Die Gründe dafür sind vielfältig: manchen Befragten fehlt dazu schlichtweg das Geld, anderen die Zeit, weil sie ihre Ferientage bereits während des Lockdowns aufbrauchen mussten. Vielfach dämpft die Wahrnehmung von Unsicherheit die Reiselust für die kommenden Monate. Auch die Aussicht auf einen Urlaub mit Einschränkungen schreckt ab, da damit ein verminderter Erholungswert sowie weniger Freiheit verbunden werden. Eine Minderheit der Befragten gab darüber hinaus an, ihren Urlaub lieber im Ausland verbringen zu wollen.
Die Umfrage hat aber auch einen potenziellen Rückgang der Ausgaben aufgezeigt, den die Italiener*innen für den Sommerurlaub 2020 ausgeben werden: Besuche bei Freunden und Verwandten und Urlaube in der Zweitwohnung werden in diesem Jahr einen weit größeren Anteil der Bewegungen ausmachen als in vergangenen Sommern. „Die aktuelle Situation entwickelt sich ständig weiter, deshalb werden wir die Erhebungen im Laufe des Junis fortsetzen und dabei die Stichprobe auch um mehr Befragungen in Mittel- und Süditalien erweitern, wo wir derzeit noch ein wenig unterrepräsentiert sind”, so Linda Osti und Consuelo R. Nava.
„Die Arbeit von Professor Osti zeigt deutlich, dass die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, und in diesem Fall das Forschungszentrum Tourismusmanagement und Tourismusökonomie (TOMTE), auf zeitnahen Daten und Fakten basierende Belege bereitstellen kann, die nicht nur auf Vermutungen und Annahmen basieren. Forschung, die möglichst unmittelbar und realistisch das Verhalten von Touristen abbilden kann, ist für Unternehmensentscheidungen und auch für Politikmaßnahmen in Zeiten von Covid-19 von höchster Bedeutung“, so der Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Leiter von TOMTE, Prof. Oswin Maurer. „Die Fakultät und TOMTE sind stolz darauf, evidenzbasierte Hinweise geben zu können, die relevant und richtungsweisend für die Tourismusbranche in Südtirol sind.”