Reichtum verpflichtet

So können Vermögende zum sozialen Frieden beitragen

Freitag, 24. Oktober 2025 | 10:06 Uhr

Von: Ivd

Bozen – Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich zusehends – auch in wohlhabenden Ländern wie der Schweiz oder Italien. Während sich viele Menschen mit steigenden Lebenshaltungskosten herumschlagen und der Sozialstaat unter Druck steht, wachsen große Vermögen unaufhaltsam, oftmals über Generationen hinweg. Vor diesem Hintergrund stellt das Arbeitsförderungsinstitut (AFI) eine zentrale Frage: „Wie kann der Wohlfahrtsstaat langfristig finanziell abgesichert werden – und wer sollte mehr dazu beitragen als bisher?“

In seinem siebten Webinar der Reihe „AFI im Dialog…“ hat das AFI zwei Modelle in den Blick genommen, die dazu beitragen sollen, dass jene, die viel haben, auch mehr zum Gemeinwohl beisteuern.

Schweiz: unverschämt viel erben – unverschämt viel beitragen

In der Schweiz stimmen die Bürger am 30. November 2025 über eine weitreichende Reform der Erbschaftssteuer ab. Die Initiative, getragen von der JUSO Schweiz, sieht eine Besteuerung von 50 Prozent auf Erbschaften und Schenkungen über 50 Millionen Franken vor. Ziel ist es, gerade jene extrem wohlhabende Schicht in die Pflicht zu nehmen, die für die globale Klimaerwärmung verantwortlich ist, und über diese Mehreinnahmen die ökologische Transformation zu finanzieren. Nathalie Ruoss, Vizepräsidentin der JUSO Schweiz, argumentierte im Webinar folgendermaßen: „Große Erbschaften sichern heute oft ganze Generationen ab, während vielen jungen Menschen die Chance auf wirtschaftliche Stabilität verwehrt bleibt. Mit der Reform soll das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit gestärkt werden.“ Damit solle nicht das Zufallsprivileg des Geburtsortes oder der Herkunftsfamilie, sondern Arbeit und Engagement über Lebenswege entscheiden.

Italien: großes Vermögen – großer Beitrag

Auch in Italien wird über eine gerechtere Verteilung der Steuerlast diskutiert. Der Gewerkschaftsbund CGIL fordert die Einführung eines Solidaritätsbeitrags von 1,3 Prozent auf Nettovermögen über zwei Millionen Euro. Eine solche „Vermögenssteuer“ könnte Berechnungen zufolge rund 26 Milliarden Euro an zusätzlichen Staatseinnahmen generieren – Mittel, die gezielt in die öffentliche Gesundheitsversorgung und Bildung, die Pflege, Wohnpolitik, soziale Sicherung und den öffentlichen Personennahverkehr fließen könnten. Lisa Contegiacomo, Forscherin in der Wirtschaftsabteilung der CGIL, stellte klar: „Derzeit werden Arbeitseinkommen deutlich stärker besteuert als Kapital oder Vermögen. Mit einem sozial ausgewogenen Solidaritätsbeitrag für große Vermögen in Verbindung mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung soll das Prinzip der Steuergerechtigkeit wiederhergestellt werden.“ Damit würden alle einen Beitrag leisten – aber entsprechend ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Für die Gemeinschaft ein Gewinn

Gerechte Steuerpolitik bedeutet nicht Spaltung, sondern stärkt, im Gegenteil, die Solidarität und den Zusammenhalt untereinander. Wenn Personen mit großen Vermögen einen ihrem Reichtum angemessenen Beitrag leisten, können die Mittel in Bereiche wie Bildung, Pflege, Klima und Digitalisierung investiert werden. „Ziel ist es nicht, Wohlstand zu bestrafen, sondern soziale Verantwortung einzufordern und damit den gesellschaftlichen Kitt zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist es legitim darüber nachzudenken, die ‚Oberen zehn Prozent‘ stärker als heute finanziell in die Pflicht zu nehmen“, schlussfolgert AFI-Direktor Stefan Perini.

Bezirk: Bozen

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