Von: mk
Bozen – Alle zwei Jahre lockt die Tierschau Tausende Besucher zur Landwirtschaftsmesse AgriAlp nach Bozen. Doch heuer, zu ihrem 75-Jahr-Jubiläum, droht die beliebte Schau heimischer Nutztiere ins Wasser zu fallen. Grund dafür sind die unzähligen Wolfsangriffe auf Südtirols Almen. Die Tierzuchtverbände überlegen, der AgriAlp aus Protest fernzubleiben und keine Schafe, Kälber und Pferde mehr für die Schau zur Verfügung zu stellen, „solange Nutztiere auf den Almen reihenweise den Wölfen zum Opfer fallen.“
„Wir fragen uns, ob es angesichts der untragbaren Situation mit Wolf und Bär angebracht ist, eine Tierschau zu organisieren“, sagt der Obmann des Rinderzuchtverbandes Alberich Hofer. Die ungeregelte Zunahme der Großraubtiere wirft die gesamte Almwirtschaft aus der Bahn. „Trotz aller Beteuerungen ist nach wie vor keine Lösung da, um Populationen zu regulieren und Problemtiere zu entnehmen“, betont Hofer. „Unsere Nutztiere sind scheinbar nicht wichtig. Daher fragen wir uns ernsthaft, ob es die Tierschau noch braucht.“
Fast täglich melden Tierhalter gerissene, verletzte oder versprengte Nutztiere infolge von Wolfsattacken. Im Vorjahr fielen 513 Schafe, Ziegen und Kälber den Großraubtieren zum Opfer, im begonnenen Almsommer sind es bereits über 100 nachgewiesene Risse. „Wir können die bittere Realität draußen auf den Almen nicht übersehen“, unterstreicht Jakob Huber, Obmann des Braunviehzuchtverbandes. „Die Tierschau in der gewohnten Art abzuhalten, ist in dieser Situation das falsche Zeichen.“
Bislang war die Tierschau immer ein Höhepunkt der Landwirtschaftsmesse AgriAlp, die alle zwei Jahre im November in der Messe Bozen stattfindet. Mit mehr als 150 Tieren verschiedenster Rinder-, Pferde- und Kleintierrassen bot die Schau stets eine einzigartige Gelegenheit, die Vielfalt der heimischen Nutztierrassen kennenzulernen. Zwischen 20.000 und 30.000 Besucher zählte die Tierschau in der Vergangenheit. Gerade bei Besuchern von außerhalb der Landwirtschaft war die Veranstaltung immer sehr beliebt. Heuer würde die Tierschau, die 1948 im Rahmen der Bozner Mustermesse erstmals stattfand, zudem ihr 75-Jahr-Jubiläum begehen.
Dass eine Absage der Tierschau eine große Lücke hinterlassen würde, ist den Tierzuchtverbänden bewusst. „Wir wollen die Öffentlichkeit aufrütteln, denn die Situation ist gravierend“, erklärt der Obmann der Kleintierzüchter Lorenz Müller. „Viele Tierhalter sind erzürnt über den Umgang mit dem Großraubwild und fühlen sich alleingelassen. Gar einige verlieren die Motivation und werden die Tierhaltung wohl aufgeben.“ Auch viele Hirten seien mit der Wolfsbedrohung überlastet und kämen nervlich an ihre Grenzen. Dazu kämen die emotionalen Schäden in den Bauernfamilien durch den Verlust liebgewonnener Tiere.
Im Trentino wurde kürzlich sogar ein Pferd von einem Bären angegriffen und schwer verletzt. Erich Messner, Obmann des Haflingerzuchtverbandes, unterstreicht den Wert der Weidehaltung für die artgerechte Tierhaltung: „Wo bleibt das Tierwohl, wenn wir unsere Tiere im Sommer aus Angst vor Großraubtieren im Stall behalten müssen?“ Zumal Herdenschutz auf den allermeisten Almen nicht möglich ist. „Neben allen anderen Schwierigkeiten fehlt uns schlicht auch das Personal“, betont Messner.
Rinderzuchtverbandsobmann Hofer weist auf die Folgen hin, wenn Almen wegen Wolf und Bär nicht mehr beweidet werden. „Dann wachsen Almen und Weiden zu und gehen als Erholungsräume für Einheimische und Gäste verloren. Das schadet allen, allen voran dem Landschaftsbild und Tourismus.“
Die Tierzuchtverbände fordern daher eine starke Begrenzung der Wolfs- und Bärenpopulationen und die rasche Entnahme von Problemtieren. Über eine Absage der Tierschau werden die Tierzuchtverbände in den kommenden Wochen gemeinsam mit ihren Mitgliedern entscheiden.
Nutztierrisse durch Wölfe und Bären in Südtirol