Von: luk
Bozen – Der Tourismusbereich ist von der Coronakrise auch in Südtirol stark betroffen. Umso wichtiger sei es, jetzt Maßnahmen zu treffen, um den Tourismus im Land nach der Krise nachhaltig und resilient zu gestalten. Genau das solle mit dem geplanten Landestourismuskonzept geschehen, betonte Landesrat Schuler bei einem gemeinsamen Treffen mit dem Heimatpflegeverband.
Bereits seit Jahrzehnten weist der Heimatpflegeverband darauf hin, dass die wichtigste Ressource für den Tourismus in Südtirol die einzigartige und authentische Natur- und Kulturlandschaft ist. “Mit dem überhitzten Ausbau des Tourismussektors und den bekannten Auswüchsen in allen Landesteilen in den letzten Jahren werden diese Qualitäten Südtirols sowohl für Einheimische als auch für Touristen bedroht, diese Einsicht findet in der Bevölkerung, aber auch in der Tourismuswirtschaft eine immer breitere Basis”, so der Heimatpflegeverband. „Wir sollen und müssen authentisch bleiben“, ist auch Landesrat Arnold Schuler überzeugt und plant mit dem neuen Landestourismusentwicklungskonzept die Weichen für eine nachhaltigere Entwicklung zu setzen.
Bettenobergrenze und keine quantitative Erweiterung mehr
Ein wichtiger Schritt sei der geplante Abgleich zwischen genehmigter Bettenanzahl und tatsächlichen Übernachtungen und vor allem auch die Miteinberechnung der nichtgewerblichen Betten aus Privatzimmern, Urlaub auf dem Bauernhof und Airbnb, um endlich einen tatsächlichen Überblick über die Kapazitäten im Südtiroler Tourismus zu bekommen. Allzu oft seien in der Vergangenheit etwa Gästebetten als Personalbetten deklariert worden, mit der neuen Zählung werde dieser und ähnlichen Praktiken hoffentlich ein Riegel vorgeschoben. Sehr zu begrüßen ist aus Sicht des Heimatpflegeverbandes die Abschaffung der Möglichkeit der quantitativen Erweiterung. “Ins Auge stechen natürlich die Neuausweisungen von Tourismuszonen auf der grünen Wiese, aber der massive Ausbau ist in den letzten Jahren über die quantitative und qualitative Erweiterung geschehen.”
Das Problem der qualitativen Erweiterung bleibt
“Auch wenn die Abschaffung der quantitativen Erweiterung ein wichtiger und richtiger Schritt hin zu einem nachhaltigen Tourismus ist, bleibt das Problem der qualitativen Erweiterung weiterhin bestehen. Auswüchse wie die Skipiste und die Lagune auf dem Dach werden damit wohl auch weiterhin möglich sein.” Der Heimatpflegeverband appelliert an die Landesregierung auch hier Richtlinien vorzugeben, um maßvolle und authentische Betriebe zu fördern und überdimensionierte Tourismusscheinwelten zu verhindern. “Qualität misst sich vor allem am gebotenen Service, an der Gastfreundschaft und nicht an der verbauten Fläche.”
Problem der bereits ausgewiesenen Betten
“Ein Problem, das mit dem geplanten Landestourismuskonzept nicht gelöst werden kann, aber imminent ist, sind die bereits zugewiesenen, aber noch nicht verbauten Betten und Tourismuszonen. In Erwartung strengerer Regelungen hat es in den letzten Jahren einen Boom von neuen Projekten gegeben. Mehr als 10.000 der in den – inzwischen außer Kraft gesetzten – Tourismusentwicklungskonzepten der Gemeinden vorgesehenen Betten wurden bereits zugewiesen, aber noch nicht verbaut. In den nächsten Jahren kommt deshalb eine Reihe von touristischen Großbauten auf das Land zu, die die jeweilige Natur- und Kulturlandschaft massiv beeinträchtigen und damit den Tourismus selbst schädigen”, so der Heimatpflegeverband.
Familiengeführte Klein- und Mittelbetriebe müssen unterstützt werden
Solche Großprojekte erhöhten außerdem massiv den Druck auf die vielen familiengeführten kleinen und mittelgroßen Tourismus-, Privatzimmer- und Urlaub auf dem Bauernhof-Betriebe, die das Herzstück des kleinstrukturierten, authentischen Südtiroler Tourismus bilden. “Mit den Dumpingpreisen der großen Hotels in den Nebensaisonen können viele Familienbetriebe nicht mithalten. Die neuen Tourismusleitlinien der Landesregierung sehen die verstärkte Unterstützung der Klein- und Mittelbetriebe vor. Dazu muss allerdings den großen Tourismusscheinwelten ein Riegel vorgeschoben werden. Und Familienbetriebe müssen von der Politik und den Interessensverbänden auf ihrem Weg zu nachhaltigen authentischen Vorzeige-Betrieben begleitet werden. Zu große Hotelbetriebe hingegen sind kaum vererbbar und führen vielfach zu Streit, Verkauf und Spekulation.”
Neuausweisungen auch außerhalb der Siedlungsgrenzen weiterhin möglich
“Obwohl immer wieder angekündigt wurde, dass es mit dem neuen Gesetz für Raum und Landschaft eine klare Trennung zwischen den Möglichkeiten innerhalb und außerhalb der Siedlungsgebiete geben wird, bleiben für Tourismuszonen weiterhin Schlupflöcher offen. In sogenannten touristisch schwach entwickelten Gebieten ist es weiterhin möglich, auf der grünen Wiese neue Tourismuszonen auszuweisen. Das ist mit den Zielen einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Tourismusplanung unvereinbar”, so der Heimatpflegeverband.
Das Gesetz ist (nicht) für alle gleich
“Die kritische Stimmung in vielen Teilen der Bevölkerung gegenüber dem ausufernden Tourismus ist wohl auch der Bevorteilung touristischer Projekte in den letzten Jahrzehnten zuzuschreiben. Fälle, wo touristische Großbetriebe mitten im Dorf mehr als doppelt so viel Kubatur, mehr als doppelt so hoch und dazu noch ohne Einhaltung der Mindestabstände bauen durften als die benachbarten Wohnbauten, waren keine Seltenheit. Einige dieser Sonderregeln wurden inzwischen zwar abgeschafft, doch einige bleiben auch weiterhin bestehen. So sieht das neue Gesetz für Raum und Landschaft etwa vor, dass für Projekte touristischer Betriebe innerhalb der Siedlungsgrenzen keine Planungsmehrwert-Abgabe an die Gemeinde entrichtet werden muss, für Wohnbauprojekte hingegen schon. Solche eklatanten Ungleichbehandlungen führen zu sozialen Spannungen in der Bevölkerung”, heißt es weiter.
Die Weichen für eine nachhaltige Entwicklung müssen gesetzt werden
“Die Sommer- und Wintersaisonen vor der Coronakrise haben gezeigt, dass auch in Südtirol der Begriff „Overtourism“ kein Fremdwort mehr ist. Massiver Druck auf Natur- und Kulturlandschaft, Verkehrskollaps, überlaufene Hotspots und immer neue Tourismuszonen und Eventinstallationen auf der grünen Wiese waren die Folge. Und Politik und Experten sind sich einig: Nach der Krise wird der Südtiroltourismus – zum Glück – wieder boomen. Allerdings ist es jetzt notwendig, die Weichen für eine nachhaltige Entwicklung zu setzen. Mit den neuen Tourismusleitlinien hat Landesrat Schuler und die Landesregierung eine gute Grundlage geschaffen. Nun bleibt zu hoffen, dass die Leitlinien im geplanten Landestourismuskonzept auch umgesetzt werden”, heißt es abschließend.