Von: bba
Bozen – Familienunternehmen wachsen stärker als nicht-inhabergeführte Betriebe: Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Centre for Family Business Management, die in der Fachpublikation Entrepreneurship Theory and Practice veröffentlicht wurde. Das Forschungsprojekt basiert auf Unternehmensdaten aus 43 Ländern in einem Zeitraum von zehn Jahren und ist damit die weltweit erste globale Langzeitstudie zum Wachstum von Familienunternehmen.
Eine neue Studie räumt mit dem Vorurteil auf, dass sich Familienunternehmen weniger dynamisch entwickeln als Nicht-Familienbetriebe. Autoren des Papers mit dem Titel Family Business Growth Around the World sind Alfredo De Massis, Professor für Entrepreneurship & Family Business und Leiter des universitären Centre for Family Business Management am NOI Techpark, sowie Ivan Miroshnychenko, Forscher an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Ihre Studie wurde vor kurzem in der Fachpublikation Entrepreneurship Theory and Practice veröffentlicht, einer renommierten wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschrift, die von der Financial Times unter den Top-50-Journals für die Forschung gelistet wird. Co-Autoren der Studie sind Danny Miller, der weltweit meistzitierte Wissenschaftler im Bereich Family Business bei Google Scholar, und Roberto Barontini, Dozent für Unternehmensfinanzen an der Scuola Superiore Sant’Anna von Pisa. „Das Wachstum ist zentral für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens, doch bislang wurden die Inhaberfamilien viel zu wenig beleuchtet“, umreißt Prof. De Massis die Ausgangsüberlegung für die Studie. „Daher wollten wir empirisch erfassen, in welche Richtung und in welchem Ausmaß Gründerfamilien weltweit das Unternehmenswachstum beeinflussen.“
Daten von 5265 Unternehmen aus 43 Ländern in einem Zeitraum von zehn Jahren
Dafür haben die Autoren ein Wachstumsmodell entwickelt und in unterschiedlichen Unternehmensumfeldern getestet. „Im Wesentlichen haben wir Daten zum Umsatz und zum Gesamtvermögen analysiert, da diese kaum buchhalterisch manipuliert werden können und somit am aussagekräftigsten sind”, erläutert De Massis. Diese Daten wurden dann in Bezug zum World Governance Index der Weltbank gesetzt, der anhand von sechs Indikatoren wie Rechtsstaatlichkeit, Effizienz der öffentlichen Verwaltung oder Korruptionskontrolle die Führung einzelner Staaten bewertet. Dadurch konnten die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den 43 untersuchten Ländern herausgefiltert werden, erklärt der Professor der unibz. „Wir haben diese Tests in Unternehmen verschiedener Wirtschaftssektoren und auf unterschiedlichen Stufen des Produktionszyklus durchgeführt“, so De Massis. Darüber hinaus sei die Stichhaltigkeit der erhobenen Daten überprüft worden, indem das Forschungsteam andere Wachstumsindices sowie mehrere weitere Kontrollmechanismen einsetzte.
Bisher findet man in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur vor allem Untersuchungen der finanziellen Performance von Familienbetrieben auf Basis ihrer Rentabilität; die wenigen Studien, in denen ihr Wachstum beleuchtet wurde, zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Die Studienautoren haben deshalb mit einer breiten Stichprobe gearbeitet: Daten von 5265 Unternehmen in 43 Ländern und aus einem Zeitraum von zehn Jahren (2007 bis 2016). Die Ergebnisse der Analyse zeichnen ein klares Bild. Der Einfluss der familiären Kontrolle auf die Wachstumsraten der Unternehmen ist demnach essenziell: Im Durchschnitt wachsen Familienunternehmen – mit einem durchschnittlichen Wachstum von sechs Prozent – um zwei Prozent stärker als nicht-inhabergeführte Betriebe, die ein Wachstum von durchschnittlich vier Prozent aufweisen. Ein Unterschied von demnach 50 Prozent. In einem stabilen und demokratischen institutionellen Umfeld ist ihr Vorsprung mit drei Prozent noch ein Stück größer. „Dieses Ergebnis zeigt, welch starken Effekt auch das generationenübergreifende Engagement von Gründerfamilien hat“, sagt Alfredo De Massis.
Innovative Studie
Das Forschungsprojekt ist in gleich mehrerlei Hinsicht innovativ. Erstens, weil es die erste Langzeitstudie zum Wachstum von Familienbetrieben ist, in der Daten aus der ganzen Welt berücksichtigt wurden. Zweitens, weil auch das wirtschaftliche und institutionelle Umfeld miteinbezogen wurde und somit das Forschungsfeld Family Business mit wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen verknüpft wurde. Drittens werden in der Studie Unterschiede zwischen verschiedenen Typen von Familienbetrieben in unterschiedlichen Ländern und Stufen des Produktionszyklus herausgearbeitet und so eine umfassende Betrachtung des Wachstums von Familienunternehmen ermöglicht.
Gründergeneration gewinnt
Die positive Auswirkung der Unternehmensstruktur auf das Wachstum der Betriebe ist laut der Studie jedoch vor allem bei der ersten Inhabergeneration nachzuweisen. In der Regel werden die überdurchschnittlichen Wachstumsraten in der zweiten Generation nur mehr dann erreicht, wenn das Unternehmen von einem externen Manager geführt wird und in einem Land mit stabilen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen angesiedelt ist. „Leider haben wir festgestellt, dass der positive Einfluss der familiären Führung bei schwierigen Rahmenbedingungen wie einer Finanzkrise oder in Ländern mit instabilem Umfeld abnimmt“, sagt Forscher Ivan Miroshnychenko.
Hinweise für politische Entscheidungsträger
Laut Alfred De Massis sind die Ergebnisse der Studie auch für politische Entscheidungsträger relevant, allem voran in einer Realität wie Südtirol, die stark von Familienbetrieben geprägt ist. „Besonderes Augenmerk verdient dabei meiner Ansicht nach die Förderung der Unternehmensnachfolge, die einen besonders kritischen Faktor für das Wachstum und Überleben von Unternehmen darstellt, sowie das Ermöglichen von Innovation bei Beibehaltung von Tradition”, so seine Schlussfolgerung.