AFI-Barometer

Verhaltene Zuversicht bei Südtirols Arbeitnehmern – darunter brodelt’s

Dienstag, 21. Oktober 2025 | 10:24 Uhr

Von: mk

Bozen – Südtirols Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer blicken nach wie vor mit verhaltener Zuversicht auf die kommenden Monate. Nach Einschätzung der Befragten hat sich ihre finanzielle Lage von niedrigem Niveau aus leicht verbessert. Der Arbeitsmarkt bleibt aufnahmefähig, die Kreditvergabe zieht wieder an und die Inflation ist unter Kontrolle. Die negativen Auswirkungen der US-Zollpolitik halten sich bislang in Grenzen und färben vorerst nur auf das Verarbeitende Gewerbe negativ ab. Im Außenhandel wird ein schwächeres zweites Halbjahr erwartet, zumal die Vorziehkäufe wegfallen, die die Statistik bislang noch positiv beeinflusst haben.

AFI-Direktor Stefan Perini betont: „Die wirtschaftliche Lage in Südtirol ist derzeit nicht schlecht, doch unter der Oberfläche brodelt es. Nicht nur die Inflation hat den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den letzten Jahren Kaufkraft entzogen, sondern auch der Staat – durch den sogenannten fiscal drag.“

Die US-Zollpolitik sorgt weiterhin für erhebliche Verunsicherung in den internationalen Handelsbeziehungen. Dennoch zeigt sich die Weltkonjunktur bislang robust, da die Zollankündigungen Vorzieh- und Umleitungseffekte ausgelöst haben, die den europäischen Export vorübergehend gestützt haben.

Im Euroraum sind die zentralen makroökonomischen Indikatoren – Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit und Inflation – insgesamt zufriedenstellend. Allerdings geraten die öffentlichen Finanzen in einigen Ländern, insbesondere in Frankreich, zunehmend unter Druck.

Nach einem deutlichen Einbruch im April haben sich die internationalen Leitbörsen erholt und liegen Mitte Oktober wieder deutlich über dem Niveau zu Jahresbeginn. Sinkende Zinsen sorgen weiterhin für günstige Finanzierungsbedingungen für Staaten, Unternehmen und Haushalte.

Ein deutlicher Anstieg der Verbraucherpreise ist derzeit nicht in Sicht: Die Erzeugerpreise steigen langsamer als die Inflation oder gehen sogar zurück. Zudem dürfte China infolge der US-Strafzölle einen Teil seines Warenverkehrs auf Europa umleiten – mit der Folge, dass mehr Billigprodukte auf den europäischen Markt gelangen, was dämpfend auf die Preise wirkt.

Der Internationale Währungsfonds (IMF) rechnet in seinem veröffentlichten Herbstgutachten mit folgenden Wachstumsraten für 2025: USA: +2,0 Prozent, Euroraum: +1,2 Prozent, Deutschland: +0,2 Prozent, Österreich: +0,3 Prozent und Italien: +0,5 Prozent.

Südtirols Wirtschaft noch solide

Vor dem Hintergrund internationaler Turbulenzen zeigt sich Südtirols Wirtschaft im Herbst 2025 bemerkenswert widerstandsfähig. Die lohnabhängige Beschäftigung wächst weiter (+1,6 Prozent in den ersten neun Monaten im Vergleich zu 2024), wobei die Zahl der Festanstellungen stärker zunimmt als jene der befristeten Verträge.

Die Erwerbstätigenquote liegt bei 74,0 Prozent und die Arbeitslosenquote bei 1,6 Prozent.

Die Inflationsrate in Bozen beträgt 2,4 Prozent und liegt damit nur leicht über dem EZB-Zielwert. Nach einer Schwächephase zieht die Kreditvergabe wieder deutlich an.

Die Exporte steigen im ersten Halbjahr leicht – vermutlich aufgrund der bereits erwähnten Vorzieheffekte. Auch der Tourismus legt weiter zu: Die Zahl der Nächtigungen stieg in den ersten acht Monaten um +2,0 Prozent.

Ein Ameisenschritt Richtung Zuversicht

Die Erwartungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die wirtschaftliche Entwicklung Südtirols in den nächsten zwölf Monaten bleiben verhalten positiv. Der entsprechende Index liegt bei +8 (auf einer Skala von +100 bis –100) und signalisiert eine leicht positive Grundstimmung.

Leicht verbessert haben sich auch die Erwartungen in Bezug auf die Arbeitslosigkeit, die Fähigkeit mit dem Lohn über die Runden zu kommen, und die eigenen Sparmöglichkeiten – wenn auch von niedrigem Niveau aus.

Verarbeitendes Gewerbe unter Druck

In diesem insgesamt positiven Bild sticht ein Bereich negativ hervor: das Verarbeitende Gewerbe. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Sektor bewerten sowohl ihre aktuelle finanzielle Lage als auch ihre Zukunftsaussichten deutlich zurückhaltender. Auch die Daten der Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt bestätigen eine schwache bzw. zu Jahresauftakt sogar rückläufige Entwicklung – ein Hinweis darauf, dass die schwache europäische Konjunktur und Umstrukturierungsprozesse hier bereits Wirkung zeigen.

Unter der Oberfläche brodelt es

Dass die Löhne in den letzten Jahren nicht mit der Inflation Schritt gehalten haben, ist bekannt: Zwischen 2018 und 2023 stiegen die Nominallöhne in der Südtiroler Privatwirtschaft um +11,8 Prozent, die Lebenshaltungskosten jedoch um +20,3 Prozent.

Zusätzlich belastet der sogenannte fiscal drag die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (bezeichnet den Effekt, dass steigende Einkommen aufgrund der progressiven Einkommensbesteuerung zu höheren durchschnittlichen Steuersätzen führen). Ein gewerkschaftsnahes Institut in Italien hat berechnet, dass sich die zusätzliche steuerliche Entnahme pro Arbeitnehmer im Zeitraum 2022–2024 auf 1.032 bis 1.382 Euro beläuft – ein Betrag, der auch durch die von der italienischen Regierung geplante Absenkung des mittleren Einkommensteuersatzes von 35 auf 33 Prozent nicht ausgeglichen wird.

BIP-Prognose für Südtirol

Trotz der globalen handelspolitischen Spannungen bleibt das Vertrauen der Südtiroler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung grundsätzlich intakt.

Die Kreditvergabe zieht wieder an, der Tourismus bewährt sich als wichtige Stütze der Konjunktur und auf den Exportmärkten sind bislang keine gravierenden Einbrüche eingetreten.

Die finanzielle Lage der Arbeitnehmerhaushalte bleibt jedoch angespannt, weshalb sich die Konsumausgaben voraussichtlich nur schleppend entwickeln werden.

AFI-Direktor Stefan Perini: „Wir halten an unserer Wachstumsprognose für 2025 von +0,8 Prozent fest. Bisher gibt es keine Entwicklungen, die eine Korrektur rechtfertigen würden. Für 2026 rechnen wir mit einem Wachstum von +0,9 Prozent.“

„Auch im Lichte der jüngsten Entwicklungen blicken wir mit einer gewissen Sorge auf das Verarbeitende Gewerbe. Die neue Zollpolitik, die schwache internationale Konjunktur und die Gefahr der Deindustrialisierung Europas bringen nämlich auch einige Südtiroler Unternehmen, die auf den globalen Märkten tätig sind, in Bedrängnis. So ist das Unternehmen Acciaierie Valbruna nicht nur ein wichtiger Arbeitgeber für mehr als 500 Personen, sondern erzeugt auch bedeutende nachgeordnete wirtschaftliche Effekte für die gesamte Südtiroler Wirtschaft. Wir erwarten uns, dass bald eine politische Lösung gefunden wird, um Arbeitsplätze zu sichern und die Kontinuität der Produktion zu gewährleisten“, erklärt AFI-Präsident Stefano Mellarini.

Arbeits-Landesrätin Magdalena Amhof betont: „Die Südtiroler Wirtschaft beweist inmitten geopolitischer Spannungen und globaler Turbulenzen eine beeindruckende Widerstandskraft. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Unternehmen und Arbeitnehmer auch künftig mit Flexibilität und Innovationsgeist auf Veränderungen reagieren werden. In den kommenden Wochen wird auch die strukturelle Inflationsanpassung der Gehälter im öffentlichen Dienst erstmals ausbezahlt, und zwar rückwirkend ab Januar 2025: Auch diese dürfte sich positiv auf das Stimmungsbild auswirken.“

Bezirk: Bozen

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