SUAP bereitet Probleme

Vollbremsung der Bauwirtschaft

Samstag, 31. Oktober 2020 | 01:33 Uhr

Bozen – In Krisenzeiten, in denen die Bauwirtschaft angeschoben werden müsste, kommt der Wind in Südtirol kräftig von vorn. Ein Grund dafür ist der neue digitale Bauakt (SUAP), der seit Juli einen enormen Mehraufwand für Techniker und Bauherren bedeutet. „In Kombination mit den Schwächen des neuen Raumordnungsgesetzes riskieren wir eine Vollbremsung der Bauwirtschaft“, warnen die Berufskammern der Techniker und fordern einen digitalen Neustart.

Grundsätzlich sei die Digitalisierung der Bauakten ein wichtiger Schritt, heißt es aus dem Interdisziplinären Ausschuss der technischen Berufskammern und Kollegien, dem mit Ingenieuren, Architekten, Geometern, Agronomen, Geologen, Periti Industriali, Chemikern und Agrartechnikern über 4000 im Bauwesen tätige Technikerinnen und Techniker angehören. Die Betonung liegt dabei auf „grundsätzlich“, ist die Umsetzung doch alles andere als ideal.

„Was eine Entlastung für uns und damit auch für die Bauherren bringen sollte, hat sich ins Gegenteil verkehrt“, so Philipp Gamper, Präsident des Interdisziplinären Ausschusses. „Der Zeit- und Arbeitsaufwand hat sich mit dem neuen System extrem erhöht, die Kosten zu Lasten der Bauherren und technischen Ämter sind gestiegen und Bauvorhaben werden verzögert, wenn nicht gar gänzlich verhindert.“ Die Folge sei auch eine Flut von Beschwerden, die bei den Technikern und ihren Kammern eingehen.

“Veraltetes System ohne Vernetzung”

“Weil der Gemeindenverband kein eigenes System für Südtirol auf die Beine stellen wollte, hat dieser 2019 entschieden, das gesamtstaatliche Portal SUAP zu übernehmen. Dieses System ist zehn Jahre alt und das ist ein für ein Informatiksystem geradezu biblisches Alter“, erklärt Johann Vonmetz, Präsident der Architektenkammer. “So ist das SUAP-System nicht nur extrem kompliziert in der Handhabung, sondern macht sich auch keinen der unzähligen Vorteile der Digitalisierung zunutze. Es ist nicht mit anderen Systemen vernetzt, greift nicht auf Datenbanken zurück, verknüpft keine Informationen und nutzt auch keine grafischen Hilfsmittel, wie sie etwa die Landeskartografie bieten würde“, so Vonmetz. “Das Ergebnis ist ein System, das – zum Teil mehrfach – auch Daten abfragt, die schon im Besitz der Verwaltung sind. Damit verstößt das System eigentlich gegen das Gesetz zur Digitalisierung, das der Verwaltung vorschreibt, zuerst auf eigene Quellen zurückzugreifen und den Arbeitsaufwand nicht an die Bürger auszulagern“, sagt Giorgio Rossi, Präsident der Ingenieurkammer. „Das geht so weit, dass wir bei der Gemeinde recherchieren müssen, um ihr zu erklären, dass sie über einen Landschaftsplan verfügt, wann dieser verabschiedet worden ist und welche Beschlussnummer er trägt.“

Skipisten im Stadtgebiet?

Das SUAP-System fragt zudem für jedes einzelne Bauprojekt alle – zu oft nur theoretischen und nicht bestehenden – Möglichkeiten ab und verlangt entsprechende Erklärungen von Seiten der Techniker: über eventuell betroffene Schutzgebiete, Skipisten, archäologische Zonen, Wasserschutzgebiete, Nutzungsbeschränkungen, Friedhofsbannstreifen oder solche zur Eisenbahn. „In einem einigermaßen zeitgemäßen System würde die Angabe der Parzelle genügen, damit das System selbst herausfiltert, was relevant ist und was nicht“, so Gert Fischnaller, Präsident des Geometerkollegiums. Er verweist auch darauf, dass das System ein hybrides sei, also digital und analog verknüpfe. „Wir müssen immer noch Dokumente ausdrucken, abstempeln und unterschreiben, bevor
wir sie wieder einscannen und hochladen“, so Fischnaller. Zudem seien die Gemeinden häufig mit dem System überfordert. „Viele verlangen jetzt eine sogenannte Höflichkeitskopie, also eine Kopie aller Akten auf Papier, stecken also immer noch im alten System fest“, so Andrea Raise, Präsident der Agronomenkammer.

Zeitgemäßes System, und zwar jetzt

Die Forderung des Interdisziplinären Ausschuss der technischen Berufskammern und Kollegien ist deshalb eine klare: „Es müssen jetzt, jetzt sofort die nötigen Mittel in die Hand genommen werden, um ein zeitgemäßes System auf die Beine zu stellen, das dem aktuellen Stand der Digitalisierung entspricht, grafische Informationssysteme einbezieht, mit allen relevanten Datenbanken kommuniziert und die involvierten Ämter untereinander verknüpft“, so Gamper. „Es kann und darf nicht sein, dass die Bauherren Mehrausgaben haben, weil die öffentliche Verwaltung ihre Hausaufgaben nicht macht.“

Diese Forderung, stellen alle Technikerkammern in Vertretung ihrer mehr als 4000 Eingeschriebenen klar, sei keine, die „nur“ sie selbst und ihre Arbeit betreffe, sondern eine lebenswichtige für die Bauwirtschaft – gerade in Zeiten der Krise. In Kombination mit den zahlreichen Unklarheiten, die das neue Gesetz Raum und Landschaft mit sich bringe, führe der vorsintflutliche digitale Bauakt zu enormen Verzögerungen bei der Genehmigung von Bauvorhaben. „Was wir jetzt nicht imstande sind, genehmigen zu lassen, wird nicht oder nur verzögert gebaut“, so Gamper. „Wenn Gemeindenverband und Landesregierung jetzt nicht handeln, riskieren wir eine Vollbremsung der Südtiroler Bauwirtschaft.“

 

Von: bba

Bezirk: Bozen