Von: mk
Bozen – Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), der Arbeiter-, Freizeit- und Bildungsverein sowie das Energieforum Südtirol nehmen in einem offenen Brief an die zuständige Landesrätin Waltraud Deeg zum neuen Gesetz zur Wohnbauförderung Stellung.
Die drei Organisationen befassen sich seit vielen Jahrzehnten mit vielfältigen Anliegen der Bürgerinnen und bürger rund um den Erwerb des Eigenheims wie Finanzierung, Leistbarkeit, Wohnbauförderung, Verträge, Vorverträge, Werk- und Kaufverträge, Handwerkerleistungen, Freiberuflerleistungen, technische und rechtliche Fragen, Baubiologie, Baumaterialien und energiesparendes Bauen, Heiz- und Haustechnik, Bauqualität und Garantien, Versicherungswesen, Energiefragen, Steuerfragen und vieles mehr.
„In den letzten Jahren sind die Immobilienpreise und die Mieten – vor allem in den größeren Zentren – drastisch gestiegen. Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen tun sich immer schwerer das Bürgerrecht auf eine Erstwohnung zu verwirklichen (96 Prozent der Arbeitnehmerinnen und -nehmer klagen über zu hohe Immobilienpreise – AFI, 2017). Die Gründe dafür liegen bei den hohen Baugrundstückspreisen bei beschränkt verfügbarem Baugrund, bei Spekulation im Baubereich, die große Anzahl an (leeren) Ferien-Wohnungen, die verschiedenen Bauvorschriften, die Qualität und Beschaffenheit der Wohnungen, usw. usf. Die Zielsetzungen des neuen Gesetzes zur Wohnbauförderung, auch im Hinblick auf leistbares Wohnen, sind sehr zu begrüßen. Der vorgelegte Entwurf verhindert jedoch das Erreichen dieser Ziele“, erklären die Organisationen.
Ihnen zufolge wäre es jetzt notwendig, die Einkommensgrenzen für den Erwerb der Erstwohnung generell abzuschaffen und nur mehr eine Mindesteinkommensgrenze vorzusehen. „Es soll generell – für alle die es schaffen – die Erstwohnung gefördert werden und zwar wie bei der Förderungen des ‚Bausparmodells‘, ohne Hürden, bürokratielos und ohne Bindungen. Für die Ansässigen soll die ewige Bindung laut Gesetz Raum und Landschaft harmonisiert oder auf maximal 20 Jahre festgelegt werden“, heißt es in dem Brief.
Zweitens: „Die Erstwohnungsförderung sollte allen in jener Höhe gewährt werden, wie sie für die erste Einkommenskategorie angedacht sind – dies, um Missbrauch zu verhindern. Wohnbauförderung ist nachweislich neben einer sozialen Maßnahme auch Wirtschaftsförderung mit einem hohen Multiplikatoreffekt und daher sollte die Realisierung der Erstwohnung im Mittelpunkt stehen. Auch bei der Förderung in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen wird die Investition gefördert, und nicht die soziale Lage des Gesuchstellers.“
Außerdem wird gefordert: „Um der Überschuldung der Familien entgegen zu wirken, sollte zur Förderung nur zugelassen werden, wer in den letzten zwei Jahren ein Einkommen hatte, welches nach Abzug der Rückzahlungsraten für ein allfälliges Darlehen (berechnet auf 20 Jahre) netto noch zumindest das Lebensminimum übrig lässt.“
Zur Förderung des Sparens für den Wohnungserwerb sollte das Bausparen im Bereich der Zusatzrentenfonds im Rahmen der Höchstgrenze verdoppelt werden, finden die Organisationen.
Die Auszahlung der Förderung müsse zeitnah erfolgen – durch entsprechende Ausstattung des Wohnbauamtes und Anpassung der Abläufe. Heute sei die Auszahlung der Förderung oft ein Damoklesschwert.
„Die Errichtung eines Garantiefonds für die Deckung der Mietrückstände in privaten Wohnungen ist sicherlich positiv. Es wäre jedoch wieder unbedingt notwendig, für die Finanzierung der Erstwohnung einen Garantiefonds – nach dem Vorbild des ehemaligen Confidi – als Bürgschaft für die Aufnahme von Darlehen bei Banken einzurichten“, so die Organisationen.
Die Gemeinden sollten ausreichend baureifes, gefördertes Bauland zur Verfügung stellen und allen Anspruchsberechtigten das geförderte Bauland schneller zuweisen. Nur so könnten Wohnungen zu vertretbaren Preisen realisiert werden, heißt es in dem Brief weiter.
„Wohnbauhilfeempfänger, welche später noch Nachwuchs bekommen und ein Elternteil sich der Erziehung des Kindes widmen will, denen sollte bis zu drei Jahren das Wohngeld auf die Rückzahlungsraten nach Kriterien der Wohngeldvergabe, wie sie bis zur Übergabe an die Sozialdienste in Kraft waren, gewährt werden. Dadurch wird der Verschuldung von jungen Familien wegen Kindernachwuchses vorgebeugt und gleichzeitig Wahlfreiheit ermöglicht“, erklären die Organisationen.
Als Basis zur Berechnung der Förderung für Bau und Kauf sollten die gleichen Elemente herangezogen werden wie sie im Gesetz Raum und Landschaft für den Verkauf der Wohnungen mit Preisbindung festgeschrieben sind und zwar: Kosten der Grundstücke, Baukosten gemäß Art. 79 (laut Berechnung der Baukostenabgabe), Erschließungskosten, allgemeine Spesen inklusive Projektspesen, Vorlauf und Finanzierungskosten.
„Auf dieser Grundlage ist auch der Landesmietzins zu berechnen, wenn dieser als Anreiz zur Vermietung von Wohnungen auf dem freien Markt dienen soll. Natürlich ist dann das Wohngeld entsprechend zu erhöhen“, so die Organisationen.
Für den Kauf auf dem freien Markt müsste diese Basis um 20 Prozent erhöht werden, weil kein Beitrag für den Grund von der öffentlichen Hand bezahlt wurde. „Oder es wird der tatsächliche Preis für den Grunderwerb zuerst schon als Basis genommen“, erklären VZS und Co.
Die Wiedereinführung der B-Genossenschaften z.B. für junge Paare oder Verheiratete mit Kindern und einem geringeren Einkommen könnte ein Beitrag für leistbares Wohnen sein, finden die Organisationen. Die Eigenleistung müsste nur für Baugrund, Erschließung und Projektkosten sein und die reinen Baukosten könnten durch ein zinslose langfristiges Darlehen auf 30 Jahre abgezahlt werden.
„Der Maßstab für leistbares Wohnen zur Miete sollte die Mietenregelung des Wohnbauinstituts (WOBI) sein“, fügen die Organisationen hinzu. Schließlich folgt noch eine letzte Empfehlung in dem Brief. „Die derzeitigen 14.000 Wohnungen des WOBI sind effizienter zu verwalten. Das WOBI sollte neben Wahrung seiner wichtigen sozialen Rolle auch verstärkt als Marktteilnehmer z.B. durch Anmietung von leeren Wohnungen und Weitervermietung usw. auftreten“, erklären die Organisationen.
14. Bei Neubauten und Sanierung ist der Vorzug einer Bauweise einzuräumen, die nachhaltig und flexibel den Raum- und Finanzbedürfnissen der Familien Rechnung trägt (siehe beiliegenden Vorschlag). WOBI-Wohnungen sollten jedenfalls nach diesem Prinzip gebaut werden.
Heute hängt die Wohnungskrise vor allem vom begrenzten Angebot an Mietwohnungen und den hohen Preisen sowohl bei der Miete als auch beim Erwerb ab. Die Zunahme der Immobilienwerte entwickelt sich unverhältnismäßig stark im Vergleich zum Einkommen der Haushalte. Dies benachteiligt vor allem jene, die eine Erstwohnung benötigen.
Wir sind uns auch bewusst, dass daher das Ziel der Bildung von Wohnungseigentum für breite Schichten der Bevölkerung nur erreicht werden kann, wenn die Landesförderungen sowohl für den Erwerb als auch für die Miete spürbar erhöht werden sowie die Spartätigkeit und die Eigenleistung angeregt wird.