Von: luk
Bozen – Die Hälfte der Weltbevölkerung bezieht ihr Trinkwasser aus Berggebieten. Vor unserer Haustüre können wir beobachten, dass sich mit den steigenden globalen Temperaturen die Gletscher zurückziehen. Weltweit sind schon jetzt etwa vier Milliarden Menschen im Verlauf eines Jahres mindestens einen Monat lang von Wassermangel betroffen. Zudem ändern sich die Niederschlagsmuster, wodurch das Risiko von Naturgefahren wie Überschwemmungen und Lawinen steigt, auch in Südtirol. Wie man diesen Herausforderungen begegnen kann, diskutieren Experten vom 29. bis 31. Oktober auf einer UN-Konferenz in Genf. Zu Klimarisiken wie etwa Extremwetterereignisse, dem Auftauen von Permafrostböden und Lawinen wollen die Experten Fahrpläne und Frühwarnsysteme festlegen, die auf wissenschaftlichen Daten basieren. Das Forschungszentrum Eurac Research, das zu genau diesen Themen eine intensive Zusammenarbeit mit der Universität der Vereinten Nationen begonnen hat, wird dort Ergebnisse zum Schneemonitoring vorstellen.
Wissenschaftler von Eurac Research sammeln mit anderen Forschungspartnern weltweit Satellitendaten zur Schneebedeckung und Messdaten aus Bodensensoren und entwickeln daraus Modelle, die klimatische Veränderungen der letzten vierzig Jahre nachbilden. „Unsere Aufgabe ist es, die große Datenmenge zu überarbeiten und – mit hoch aufgelösten Satellitenbildern und Bodenmessungen vor Ort – auf ihre Genauigkeit zu überprüfen. Daraus entstehen Klimamodelle, die dazu beitragen, mit klimatischen Auswirkungen besser umzugehen“, sagt Claudia Notarnicola, Physikerin von Eurac Research. „Für die Experten bei der UN-Konferenz in Genf ist das Schneemonitoring deshalb interessant, weil wir nicht nur Klimamodelle für die Alpen, sondern für Berggebiete weltweit entwickeln können. Damit lassen sich globale klimatische Dynamiken besser nachvollziehen“.
In seiner Funktion als Leiter des UN-Programms Glomos (Programm der Vereinten Nationen), das Eurac Research und die Universität der Vereinten Nationen (UNU) gemeinsam tragen, wird Stefan Schneiderbauer an der Konferenz teilnehmen: „Mit dem UN-Programm können wir erfolgreich erprobte Forschungsmodelle auf andere Regionen übertragen“, so Schneiderbauer. Eurac Research und UNU haben beispielsweise eine Methode entwickelt, mit deren Hilfe die Forscher untersuchen, welche Klimaauswirkungen prioritär anzugehen sind und welche Lösungen dafür zur Verfügung stehen. „Die Landwirtschaft passt sich beispielsweise flexibler an klimatische Veränderungen an als die Forstwirtschaft. Während in der Landwirtschaft Ernteausfälle gewöhnlich nur in einem Jahr zu Buche schlagen und eventuell jedes Jahr über Anbauarten neu entschieden wird, braucht der Wald lange um sich etwa von Sturmschäden zu erholen. Daher sind Klimamaßnahmen zugunsten des Waldes anders einzustufen. Solche Klimarisikobewertungen wurden in Europa bereits erfolgreich getestet und sollen jetzt auf Berggebiete im südlichen Afrika übertragen werden“, so Schneiderbauer abschließend.
Die Konferenz in Genf wird von der Weltorganisation für Meteorologie organisiert. Weil der Klimawandel auch Wirtschaftskreisläufe, die globale Nahrungsproduktion und die Lebensmittelsicherheit bedroht, sind neben führenden Vertretungen von internationalen Berggebiets-Organisationen, die Weltbank und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) Partner der Konferenz.