Von: luk
Bozen – Am 3. Jänner treten neue und wichtige Gesetzesbestimmungen zu den Finanzdienstleistungen und den Beziehungen zwischen Finanzvermittlern und AnlegerInnen in Kraft. Seit einigen Wochen versenden die Banken an jene KundInnen, die Geldanlagen besitzen, Änderungen zum bestehenden Vertrag zu (im Fachjargon „ius variandi“), und bitten die KundInnen vorbeizukommen, um den MiFID-Fragebogen aktualisieren zu können. Durch diesen wird das Profil der AnlegerInnen erstellt, so die Verbraucherzentrale Südtirol.
Was ändert sich für die GeldanlegerInnen?
Die neue Norm
Mit GvD 129/2017 wurde die Richtlinie 2014/65/EU („Rechtsrahmen Märkte für Finanzinstrumente“) , die sogenannte MiFID II Richtlinie umgesetzt, und die nationalen Vorgaben an die EU-Verordnung 600/2014 (sog. „MIFIR“) angepasst. Das Dekret bringt einige wichtige Änderungen des Finanzeinheitstextes und der entsprechenden Durchführungsbestimmungen (welche von der Börsenaufsicht CONSOB erlassen werden).
MiFID I und MiFID II
Zwischen MiFID I und MiFID II sind zehn Jahre, aber auch viele Finanzskandale ins Land gezogen, angefangen von jenen im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008, über die 2016 aufgelösten Banken bis hin zu den Cracks bei der Banca Popolare di Vicenza und der Veneto Banca, um nur die bekanntesten zu nennen. “Diese Finanzskandale brachten für zahlreiche VerbraucherInnen schwerwiegendste Geldverluste mit sich; vor allem viele KleinanlegerInnen und KleinaktionärInnen hatten das Nachsehen. Auch in diesem Sinne sieht sich die neue Richtlinie als eine Neuauflage der Verhaltens- und Schutznormen, welche vor 10 Jahren durch MiFID I festgelegt worden waren”, so die Verbraucherzentrale.
Die Neuigkeiten in aller Kürze
Es handelt sich vielfach nicht um wirklich „neue“ Vorgaben, sondern um Präzisierungen und Verstärkungen der Pflichten zu Lasten der Finanzvermittler, welche schon die vorhergehende Norm vorsah. Dadurch soll den BankkundInnen mehr Schutz sowie eine bewusstere Auswahl bei den Geldanlagen sicher gestellt werden.
1. In erster Linie wird das Prinzip verstärkt, gemäß welchem der Vermittler im besten Interesse der KundInnen zu handeln hat (welches in der Vergangenheit leider allzu oft vernachlässigt wurde); dies umfasst eine korrekte Information, eine Regelung der potentiellen Interessenskonflikte sowie eine angemessene Profilerstellung der KundInnen.
2. In Sachen KundInnen-Information, Kostentransparenz, beruflicher Weiterbildung und Kompetenz der Berater der Banken gibt es neue Auflagen. Insbesondere müssen den KundInnen die Kosten allumfassend dargestellt werden, auch damit diese ersehen können, welches Gewicht die Kosten im Verhältnis zur erwarteten Rendite der Geldanlage haben.
3. Der am meisten von den Neuerungen betroffene Dienst ist jener der „Anlageberatung“. Es handelt sich um einen sehr sensiblen Dienst, der die Anlageentscheidungen der KundInnen beeinflusst, und der daher auch zu Fehlentscheidungen führen kann (die Finanzskandale der vergangen Jahre legen davon trauriges Zeugnis ab …). Der Dienst kann als „unabhängige Beratung“ oder als „nicht unabhängige Beratung“ geleistet werden. Der Finanzvermittler muss den KundInnen erläutern, für welche Produkte und in welcher Art der Dienst geleistet wurde (die KundInnen sollten dabei insbesondere auf die „persönlichen Empfehlungen“ und die „Beratungsberichte“ achten).
4. Die unabhängige Beratung muss den KundInnen eine angemessene Auswahl vom am Markt verfügbaren Finanzprodukten anbieten, welche nach Art und Emittent diversifiziert sein müssen. Es darf daher bei dieser Beratung nicht nur „ein“ Emittent oder „ein“ Anbieter vermittelt werden. Die Bezahlung der unabhängigen Beratung darf ausschließlich über Kommissionen oder über ein vom Kunden bezahltes Entgelt erfolgen. Solcherart soll die Unabhängigkeit des Beraters sichergestellt werden.
5. Der Bankberater muss im Rahmen des Anlageberatungsdienstes den KundInnen durch eine spezifische Erklärung offenlegen, warum die empfohlenen Anlagen für dieselben „angemessen“ sind. Auch werden die Finanzprodukte vom Moment ihrer Konzeption an eine positive und eine negative Zielgruppe haben müssen (geeignet für … und nicht geeignet für …). Der Finanzdienstleister wird also klar angeben müssen, für wen das Produkt absolut nicht geeignet ist. Dieser Vorgang, der mit dem englischen Begriff „product governance“ bezeichnet wird, bringt neue Auflagen für Emittenten und Vermittler (lies Banken) mit sich.
6. Die Aufsichtsbehörden (Consob) werden die Möglichkeit haben, ein in Verteilung befindliches oder bereits am Markt verteiltes Finanzprodukt zu stoppen. Bis dato konnten die Aufsichtsbehörden nur auf das Verhalten der Finanzvermittler einwirken, hatten aber keinen Einfluss auf die Produkte selbst.
7. Die Finanzdienstleister werden den Aufsichtsbehörden beweisen müssen, dass ihr Dienst durch ausgebildetes Personal geleistet wird, mit angemessenen Kompetenzen und Kenntnissen der Märkte und angebotenen Produkte. Die Kompetenzen müssen über die Jahre bewahrt werden, und man wird die entsprechende Fortbildung dokumentieren müssen. Dies gilt auch für die unabhängigen BeraterInnen.
Einige Tipps der VZS
– Beim Ausfüllen des MiFID-Fragebogens sollte exakt auf die Fragen geantwortet werden (ohne sich vom Berater beeinflussen zu lassen): die Erstellung des Risikoprofils ist ein wichtiger Aspekt um die eigenen Rechte besser schützen zu können.
– Vorsicht auf die Art und Weise, in welcher der Auftrag für ein bestimmtes Produkt erteilt wird; je nach Art (im Zuge der Beratung oder reine Auftragsausführung) ändert sich das Schutz-Niveau für die KundInnen.
– Lesen Sie die „persönlichen Empfehlungen“ und den Beratungsbericht genau durch, bevor Sie diese unterzeichnen.
– Nehmen Sie sich Zeit für eine bewusste Wahl bei der Geldanlage: lassen Sie sich keine Eile machen, die Entscheidung darf auch über einige Tage reifen!
– Prüfen Sie die Kosten der Geldanlage, im Verhältnis zum Produkt, das Sie kaufen möchten.
– Setzen Sie sich realistische Anlageziele; werden diese nach einiger Zeit erreicht, kann es ratsam sein, die Anlage aufzulösen und den Gewinn einzustreichen, um nicht einen Verlust auf lange Sicht zu riskieren.
Für den Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), Walther Andreaus, muss es sich noch zeigen, ob der europäische und der nationale Gesetzgeber ihr Ziel erreichen werden, die VerbraucherInnen besser zu schützen. „Erste konkrete Auswirkungen sind zusätzliche Berge von Papier. Die Produkt- und Kosteninformationen häufen sich also und es ist zu befürchten, dass viele Kunden die Unterlagen ihrer Bank noch seltener gründlich anschauen. Auch der Wettbewerb zwischen unabhängiger Beratung gegen Honorar und abhängiger Beratung gegen Provision ist weit von einem Durchbruch entfernt. Die ersten den Kunden zugeschickten Vertragsänderungen zeigen, dass die Banken sich nicht von ihrem traditionellen Modell der abhängigen Beratung abwenden.“