Nur noch 27 Prozent der Paare können sich den Traum leisten

Wenn Wohnen zum Luxus wird: Bozens Bevölkerung schrumpft

Sonntag, 16. Juli 2023 | 07:52 Uhr

Von: luk

Bozen – Die italienische Tageszeitung Alto Adige berichtet am Samstag von einer negativen Entwicklung in Bozen. Dort sinkt das dritte Jahr infolge die Bevölkerung und liegt nun bei 106.107. Das sind rund 400 Personen weniger als vor einem Jahr. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung auf 45,2 Jahre an und die Geburten sind – wie auch anderswo – um zwei Prozent rückläufig.

Allein 2022 haben 3.369 Boznerinnen und Bozner der Landeshauptstadt den Rücken gekehrt, um sich etwa in einer Gemeinde im Umland niederzulassen. Als Grund für diesen Abwanderungstrend werden die hohen Lebenshaltungskosten und vor allem die hohen Kosten für das Wohnen genannt. Im Statistikbericht, den Stadtrat Angelo Gennaccaro am Freitag vorgestellt hat, heißt es dazu:

2022 sind 3.250 Personen nach Bozen zugewandert, das sind 79 Personen (2,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Auch die Abwanderungen haben im Vergleich zu 2021 zugenommen (+8,7 Prozent). Im Jahr 2022 verließen insgesamt 3.369 Personen die Stadt.

Der Wanderungssaldo, der sich aus der Differenz zwischen Zu- und Abwanderungen ergibt, betrug zu Jahresende -119 Personen, im Jahr 2021 waren es +72 Personen.

Zum ersten Mal seit den 1990-er Jahren ist der Wanderungssaldo negativ: Der letzte negative Wanderungssaldo wurde 1995 verzeichnet, mit -367 Einheiten. Zusammen mit der negativen Geburtenbilanz verursachte er somit einen Bevölkerungsrückgang für das dritte Jahr in Folge.

Zum Thema der Abwanderungen bzw. deren Auswirkungen auf die effektive Anzahl der Einwohner erscheint es von Nutzen hervorzuheben, dass von all jenen, welche ihren Wohnsitz von Bozen in eine andere Gemeinde Südtirols verlegen, fast die Hälfte nun in angrenzenden Gemeinden wohnt; vielfach handelt es sich dabei eher um einfache Wohnsitzverlegungen auf der Suche nach besseren Wohnbedingungen, wobei die meisten dieser „Abwanderer“ den Schwerpunkt ihrer Interessen (Arbeit, Schule, diverse Dienste, soziale Bindungen) weiterhin in Bozen beibehalten und demzufolge in vieler Beziehung weiter hier präsent sind, auch wenn sie von den Statistiken nicht mehr als Einwohner Bozens geführt werden.

Den Menschen bleibt oft nichts anderes übrig, als anderswo ihr Glück zu suchen. Denn wie ebenfalls die Zeitung Alto Adige bezugnehmend auf eine Studie des Portals immobiliare.it berichtet, können sich nur noch 27 Prozent der Paare mit einem durchschnittlichen Einkommen die Aufnahme eines Immobilienkredits überhaupt leisten. Singles mit einem durchschnittlichen Einkommen haben hingegen kaum mehr die Möglichkeit, sich eine Wohnung in Bozen zu kaufen. Der Zugang der normalen Bevölkerung zu Immobilien hat sich in den vergangenen Jahren also immer weiter eingeschränkt.

Das führt letztlich zu einer Abwanderungsentwicklung und kann Unternehmen vor die Herausforderung des Personalmangels stellen. CGIL-Vertreterin Antonella Costanzo betont, dass in Südtirol die Menschen eher überleben, als zu leben. Sobald sich eine Gelegenheit auftut, seien sie weg. Anderswo hätten sie mit dem gleichen Gehalt einen besseren Lebensstandard. Gerade bei alleinstehenden Personen sei dies zu bemerken.

In der Studie von immobiliare.it entpuppt sich Bozen erneut als teures Pflaster. Die Südtiroler Landeshauptstadt ist sogar nach Mailand die zweitteuerste Stadt in Italien – sowohl bei den Mieten als auch bei den Kaufpreisen. Laut der Erhebung hat sich zuletzt jedoch die Nachfrage nach Immobilien um rund 15 Prozent reduziert. Gleichzeitig hat sich das Angebot um 18 Prozent vergrößert. Ob sich das auch auf die Preise niederschlägt, wird sich zeigen.

Bezirk: Bozen