Von: luk
Bozen – Der diesjährige Equal Pay Day muss aufgrund der Corona-Krise von April auf den Herbst verschoben werden. Der Landesbeirat für Chancengleichheit und das Frauenbüro haben die Initiative 2010 erstmals nach Südtirol geholt, die Aktion war für den 24. April zum zehnten Mal in Südtirol geplant.
Der Equal Pay Day (EPD) ist der internationale Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern, an dem auf die geschlechtsspezifische Lohndifferenz aufmerksam gemacht wird. Er wird in zahlreichen Ländern weltweit an unterschiedlichen Tagen begangen.
Die Anfänge in Südtirol vor zehn Jahren
Die internationale Frauenbewegung „Business Professional Women“ ist in den USA mit ersten Initiativen zum Gender Pay Gap (geschlechterbedingte Lohndifferenz) in den 90-er Jahren gestartet. Seit jeher steht die rote Tasche als Symbol für den Lohnunterschied zwischen Mann und Frau. Die Farbe rot wurde gewählt für das Minus in den Geldbörsen der Frauen, ganz ähnlich dem roten Warnsignal bei einem Minus auf dem Bankkonto.
„Wir erinnern uns in unseren Landesbeiratssitzungen oft an die erste Straßenaktion vor zehn Jahren auf dem Kornplatz in Bozen,“ erzählt Präsidentin Ulrike Oberhammer von den Anfangszeiten. „Da mussten wir fast gebetsmühlenartig immer wieder wiederholen, dass es auch in Südtirol eine Lohnschere zwischen Frauen und Männern gibt. Es kam auch vor, dass wir von so manchen Männern als ‚streghe – Hexen‘ beschimpft wurden, die Frauen von ihren natürlich vorgegebenen Rollen als Hausfrauen und Mütter wegholen wollten.“
“Das Vorhandensein einer Lohnungleichheit wurde damals von vielen Experten und auch Expertinnen bestritten, was den Ausschlag für eine Reihe von Studien durch das Arbeitsförderungsinstitut AFI und das ASTAT gab, die in der Folge die Basisdaten für den Aktionstag bestätigt haben”, so Oberhammer.
Lohnungleichheit ist strukturell bedingt – Berufswahl entscheidend
Berechnet wird der „Gender Pay Gap“ auf Basis der bei den nationalen Fürsorgeinstituten gemeldeten Bruttolöhnen der Vollzeitbeschäftigten in der Privatwirtschaft. Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen liegt laut offiziellen Erhebungen in Südtirol immer noch bei 17 Prozent.
“Der Hauptgrund für die Lohndifferenz liegt in der Berufswahl, bei der sich Frauen oft für Berufskategorien entscheiden, die in teils wesentlich niedrigeren Entlohnungssegmenten liegen. In der Berufswahl wird der Einfluss von stereotypen Rollenmustern, die bereits in der frühen Kindheit oft unbewusst vermittelt werden, besonders deutlich. In Südtirol ist die Berufswahl von Frauen auch heute noch sehr traditionell geprägt, wie die Statistiken zur Geschlechterverteilung in der Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt deutlich machen. So ergreifen in Südtirol drei Mal mehr Buben als Mädchen einen Lehrberuf. Die meisten Mädchen entscheiden sich dabei für die Berufe Friseurin, Verkäuferin und Servicefachkraft. Die Ausbildungsentscheidungen in den akademischen Richtungen gehen nach wie vor für junge Frauen in ‘typisch weibliche Berufe’ in den Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitsbereichen, auch hier oftmals mit Entlohnungen in den niedrigeren Kategorien”, so der Landesbeirat.
Gesellschaftliche Anerkennung für den Job – wenig Konkretes in den Geldbörsen
“Gerade in den letzten Wochen des Coronavirus-Notstandes gab es gesellschaftlich und medial viel Lob für die Menschen, die in den sogenannten systemrelevanten Berufen unglaubliche Leistungen vollbrachten, ging es um die medizinische und pflegerische Betreuung der Erkrankten, um die Aufrechterhaltung der Versorgung mit Lebensmitteln oder pharmazeutischen Produkten im Handel oder auch um die Abwicklung des Haushaltes und die Kinderbetreuung bis hin zu den Lehraufgaben zuhause, auch die Betreuungsleistung für unsere Seniorinnen und Senioren fand die entsprechende Anerkennung. Zum Großteil werden diese Aufgaben von Frauen erledigt, wenngleich auch zu niedrigen Löhnen. In der aktuell schwierigen Zeit mit immensen gesellschaftlichen Herausforderungen erheben auch wir die Stimme, damit die systemrelevanten Berufe endlich auch angemessen honoriert werden müssen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Ruf nicht ungehört verhallt,“ unterstreicht Präsidentin Ulrike Oberhammer die Forderung.
Entlastung erwerbstätiger Mütter – Rotieren zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung
In den Maßnahmen zur Lockerung bestehender Einschränkungen vermisst der Landesbeirat auch eine Entlastung von erwerbstätigen Eltern mit kleinen Kindern. „Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Familien die Betreuung von Klein- und Schulkindern weiterhin alleine stemmen. Das wird dazu führen, dass vor allem erwerbstätige Mütter mit kleinen Kindern von den Lockerungen kaum profitieren“, so die Beiratspräsidentin Ulrike Oberhammer.
Die derzeit zusätzlich anfallende Sorgearbeit werde vorwiegend von Müttern erbracht, die auch noch vielfach in Teilzeit arbeiten. Es sei deshalb zu befürchten, dass sie aufgrund kleinerer Gehälter beruflich zurückstecken, damit Kinder versorgt und die familiensichernden Einkommen der Väter erhalten bleiben. „Diese Entwicklung ist sehr bedenklich und es gilt dem entgegenzusteuern“, so Oberhammer.
Der Landesbeirat fordert deshalb die rasche Umsetzung einer Notfallbetreuung, die nicht erst in den Sommermonaten starten darf, damit die Familien und besonders die Alleinerziehenden und die pflegenden Angehörigen entlastet werden.
“Dabei gilt auch zu bedenken, dass die 17-köpfige Task Force, die die römische Regierung zu den Lockerungen der Corona-Einschränkungen berät, zu 80 Prozent aus Männer besteht. Dadurch geht die weibliche Sichtweise und damit der Hälfte der Bevölkerung verloren. Die Frauen waren in der Krise da, sie haben gekämpft, erduldet, gehofft und gelitten. Gemeinsam mit den Männern, und in gewissen Bereichen mehr als die Männer. Dies alles hat sich nicht in einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter bei den wichtigen Entscheidungen niedergeschlagen. Diese Entscheidung hat aber gravierende Auswirkungen, da die Lebensrealitäten der Frauen nicht berücksichtigt werden und somit unter anderem in den Empfehlungen die Perspektive erwerbstätiger Mütter, die zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung rotieren und dringend entlastet werden müssen, fehlen”, so der Landesbeirat.
Zehn Jahre Equal Pay Day – die Forderungen bleiben
“Wir beobachten in Südtirol wie in der gesamten westlichen Welt nach wie vor dieselben gesellschaftlichen Hürden für die Angleichung der Lohndifferenzen, weshalb wir die inzwischen weltweit gültigen Forderungen nochmals unterstreichen,“ betont Oberhammer.
Der Forderungskatalog des Landesbeirats für Chancengleichheit zu zehn Jahren Equal Pay Day sieht im wesentlichen vier Themen vor:
– Abbau der sogenannten „Segregation“ auf dem Arbeitsmarkt, auf der horizontalen Ebene durch den Abbau der starken Trennung zwischen sogenannten „männlichen“ und „weiblichen“ Berufen und auf der vertikalen Ebene die Ungleichverteilung von Frauen und Männern auf den verschiedenen Hierarchieebenen;
– Einsatz gegen eine geschlechterstereotype Berufswahl, gegen die Niedrigentlohnung gerade in den systemrelevanten Berufen und vor allem für eine bessere Aufteilung der Pflichten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zwischen Männern und Frauen;
– Einführung einer transparenten Offenlegung der Gehälter nicht nur in der Öffentlichen Verwaltung, sondern auch in der Privatwirtschaft;
– Forderung, die Familien mit der Betreuung der kleinen Kinder nicht alleine zu lassen, damit die Bemühungen vergangener Jahre zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie mit Beruf und höherer Müttererwerbstätigkeit nicht zunichtegemacht werden.
Der Landesbeirat für Chancengleichheit hat den diesjährigen Equal Pay Day auf den Herbst verschoben. In Planung ist eine Tagung mit internationalen Expertinnen zum Thema „Equal Pay Day – quo vadis? und die bekannte Aktion auf Straßen und Plätzen, bei der von den beteiligten Frauenorganisationen des Landes die roten Taschen mit der Botschaft „Equal Pay Day – Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und weiteres Informationsmaterial verteilt werden.
Die Termine werden zeitgerecht bekannt gegeben.